Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem nach der Coronakrise die Wirtschaft weltweit wieder anzog, stiegen infolge der erhöhten Nachfrage auch die Energiepreise. Das heißt, das geschah schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Mit dem Angriff im Februar des vergangenen Jahres wurde dann jedoch eine regelrechte Energiepreiskrise ausgelöst.
Die erheblich gestiegenen Strompreise sind ein Problem für die gesamte Gesellschaft. Unter ihnen leiden sowohl die privaten Haushalte als auch kleine, mittlere und große Unternehmen sowie natürlich die öffentliche Hand, weil alle immer mehr aufwenden müssen, um ihre Stromrechnung zu bezahlen.
Bisher ist nicht wirklich eine spürbare Besserung in Sicht. Zugleich haben andere Länder wie etwa die USA mit dem Inflation Reduction Act, aber auch China mit staatlichen Strompreissubventionen starke staatliche Unterstützungsinstrumente aufgefahren, um Investitionen insbesondere auch für den Klimaschutz zu fördern. Das führt trotz der bisher genutzten Instrumente wie der Strompreisbremse zu Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Gewerbe hier im Land, insbesondere der energieintensiven Unternehmen. Dazu gehört natürlich auch Sachsen-Anhalt.
Dass Unternehmen abwandern, um Kosten zu senken, und dass Produktionsstandorte der energieintensiven Industrien aufgegeben werden, ist dabei nicht ganz ausgeschlossen, sodass zahlreiche Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze bangen müssen. Sachsen-Anhalt wäre hierdurch als wichtiger Industriestandort der energieintensiven chemischen Industrie bedroht, genauso wie das Gewerbe darum herum. Insofern sind die Debatten über die Einführung eines Industriestrompreises absolut nachvollziehbar.
Die Befürworter sind sehr prominent. Deren Riege reicht von Ministerpräsidenten der Länder bis hin zu den Gewerkschaften. Nun muss aber bei einem derartigen Vorhaben auch immer genau hingeschaut werden, wie dies passieren soll. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat im Mai dieses Jahres einen Entwurf zur Einführung eines staatlich geförderten Industriestromreises vorgelegt.
(Zuruf: Sehr gut!)
Dabei geht es um zwei Stufen - dazu ist heute noch nicht so viel gesagt worden , nämlich eine kurz- und eine langfristige. Wir konzentrieren uns hier auf die kurzfristige Stufe, auf den sogenannten Brückenstrompreis. Danach soll, zeitlich begrenzt, bis zum Jahr 2030 der Strompreis auf 6 Cent pro Kilowattstunde netto gedeckelt werden, auf 80 % des Verbrauchs beschränkt. Natürlich muss hierfür ein definierter Empfängerkreis vorliegen.
Auch klare Bedingungen werden nach Vorstellung des Bundesministeriums daran geknüpft, so die Tariftreue, Transformationsverpflichtung und Standortgarantie. Ja, eine solche vorübergehende Subventionierung ist aus unserer Sicht durchaus sinnvoll, aber die genaue Ausgestaltung dieser an die Gewährung der Subvention geknüpften Bedingungen ist eben noch nicht ganz klar.
Wir als LINKE finden, dass öffentliches Geld ganz klar und verbindlich daran zu knüpfen ist, dass die Empfänger ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auch gerecht werden.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Dazu sind die Garantien für Tariftreue, Beschäftigung und Standorterhalt und die Verpflichtung auf die Transformationsformationsprozesse im Unternehmen hin zu Klimaneutralität und Defossilierung, ganz konkret bis zum Jahr 20245 hin zu mehr Energieeffizienz und Energieeinsparung, ganz klar und eindeutig zu regeln.
Zu Klimaschutz und mehr Effizienz könnte auch die Deckelung des Brückenstrompreises auf 80 % des Verbrauchs beitragen. Dies ist vor allem auch deshalb wesentlich, um die Unternehmen durch die Transformation für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen und nicht wieder neue Wettbewerbsprobleme zu schaffen. Um die Belastung für den Bundeshaushalt zu verringern und um zusätzliche Effizienzsteigerungen anzureizen, wäre es aber auch denkbar, die Verbrauchsgrenze - der Verbrauch, der gedeckelt werden soll - schrittweise abzuschmelzen.
Die Einführung eines Industriestrompreises heißt auch, dass diese Privilegierung, diese Unternehmen mit öffentlichen Geldern zu unterstützen, sehr wohl begründet sein muss. Sie muss in einem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Verlagerungsrisiko stehen. Sie darf weder ökologisch noch ökonomisch kontraproduktiv sein. Dazu gehört ehrlicherweise auch, dass unter anderem schon bestehende Strompreisprivilegien berücksichtigt und überprüft werden müssen.
Auch die Höhe des angepeilten Preises von 6 Cent pro Kilowattstunde oder von 5 Cent bis 8 Cent pro Kilowattstunde - um es hier noch einmal mit den Worten des Ministers zu sagen - sollte von unabhängigen Experten geprüft, über die Laufzeit jährlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
(Zustimmung bei der LINKEN)
In dem Vorschlag, diesen Brückenstrompreis aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu finanzieren, sehen wir einen gewissen Fortschritt. Denkbar wäre vielleicht auch eine Haushaltslösung. Die Einführung einer solchen Subvention darf auf gar keinen Fall zulasten der übrigen Endkunden gehen. Bisher wurden derartige Privilegien auf die anderen Stromkunden umgelegt. Als Beispiel sei hier nur die inzwischen abgeschaffte EEG-Umlage genannt.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Ich hatte schon kurz gesagt, dass wir eine jährliche Evaluierung der Höhe des Brückenstrompreises für sinnvoll halten. Damit soll eine Überförderung vermieden und schnellstmöglich beendet werden. Wichtig ist, dass mit dieser befristeten Subventionierung des Strompreises vor allem eine Transformation im Sinne der Beschäftigten und des Klimas gefördert wird, die ehrlicherweise schon längst hätte stattfinden müssen. Nicht gefördert werden soll dagegen ein Privileg, mit dem bestimmte Unternehmen ihre Gewinne stabilisieren. Mitnahmeeffekte und sogenannte Windfall-Profits müssen ausgeschlossen werden.
Außerdem wäre es aus unserer Sicht auch sinnvoll, eine flexible Komponente einzuführen, die nämlich für Anreize sorgt, die Produktion dem Angebot an günstigem erneuerbaren Strom anzupassen. Das ist sowohl zeitlich als auch regional möglich und denkbar, also zeitlich, indem dann Strom verbraucht wird, wenn besonders viel vorhanden ist, und regional, indem eben vor allen Dingen standortnahe Erzeuger einbezogen werden. Sparanreize müssen auf jeden Fall erhalten bleiben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Im Zuge dieser Diskussion müssen aber dennoch weitere Umstellungen erfolgen, von denen dann nicht nur die Industrieunternehmen, sondern vor allem Haushalte, Kommunen und kleine und mittlere Unternehmen profitieren; denn abgesehen von dieser Diskussion müssen wir endlich eine gerechte Umverteilung der Anschlusskosten hinbekommen, d. h., die Netzentgelte - das ist heute hier schon angeklungen - müssen endlich gerecht verteilt werden, sodass die Menschen gerade auch in Sachsen-Anhalt mit vielen Windkraftanlagen von den Netzentgelten entlastet werden.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Auch das Strommarktdesign muss umgestellt werden. Das ist eine riesengroße Aufgabe, die uns noch bevorsteht.
Die Absenkung der Stromsteuer, von der hier heute auch gesprochen wurde, ist doch längst überfällig, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Diese und weitere Maßnahmen sollten bei aller Diskussion um die aktuellen Forderungen nach einem Industriestrompreis eben nicht in Vergessenheit geraten.
Wenn wir also heute hier über einen Brückenstrompreis diskutieren, dann muss dieser eben eine Brücke sein. Gewinne dürfen nicht privatisiert und Risiken dagegen vergesellschaftet werden. Unsere Kernforderung ist daher die Transformation hin zu Klimaneutralität und Sicherung von Beschäftigung und eben nicht zur Gewinnsicherung. - Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)