Sebastian Striegel (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Begründung des Antrags der AfD-Fraktion unternimmt diesen den untauglichen Versuch, ihrem Antrag einen irgendwie fachlichen Anschein zu geben. Unterfüttert werden die rassistischen Forderungen deshalb mit Zahlen aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik.
(Zuruf von der AfD: Was da rassistisch ist?)
Sich mit der polizeilichen Kriminalitätsstatistik auseinanderzusetzen, um die eigene Wahrnehmung mit der Realität abzugleichen, ist grundsätzlich erst mal eine gute Idee. Dabei müssen Sie sich aber eben auch mit der Frage, was eine solche Statistik leistet und was nicht, auseinandersetzen.
Die polizeiliche Kriminalstatistik gibt nämlich keinerlei Auskunft über die Faktoren, die zu Kriminalität geführt haben. Würde sie das tun, müssten wir uns insbesondere auf die Männer konzentrieren. Wir können ja einmal auf die AfD-Fraktion schauen. Das Sicherste für dieses Land wäre es, da mit Ausweisungen zu reagieren, weil 75 % der Tatverdächtigen Männer sind.
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)
Ihre Fraktionszusammensetzung ist insoweit also hoch risikobehaftet.
(Ulrich Siegmund, AfD: Woher wollen Sie das denn wieder wissen?)
Auch das Merkmal „zugewandert“ in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik hilft uns nicht weiter.
(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)
Wenn Sie sich damit beschäftigen würden, welche Faktoren zu einer höheren Kriminalitätsrate führen, dann würden Sie feststellen, dass das bspw. soziogeografische Faktoren wie Stadt oder Land und deliktspezifische Faktoren sind, also ob die Tat angezeigt wird oder von der Polizei aktiv verfolgt wird oder nicht - Stichwort Kontrolldelikte. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die PKS Verzerrungen aufweist und im Ergebnis nicht oder eben nur sehr eingeschränkt zur Erklärung und Unterstützung von politischen Forderungen herangezogen werden kann.
Sie haben das offensichtlich nicht getan. Das verwundert auch nicht. Ihre politischen Forderungen stehen ja sehr selten auf einem fachlichen Fundament. Mit Ihrem Agieren täuschen Sie die Bürger*innen in diesem Land. Das ist Ihnen egal; denn es geht Ihnen wie immer nur um die Stigmatisierung von Menschen mit einer Zuwanderungshistorie.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja, ja!)
Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Ich finde es auch ausdrücklich schade, dass die Koalition sich in das Spiel hinein begibt, da irgendwie mit der AfD in den Wettbewerb zu gehen. Der ist nicht zu gewinnen. Sie reihen sich damit am Ende in den rassistischen Sound ein,
(Unruhe bei der AfD - Zurufe von der AfD - Andreas Silbersack, FDP: Mann, Mann, Mann, Mann!)
der beim Antrag der AfD unüberhörbar ist.
Ich muss daher eindeutig klarstellen: Es gibt kein Abschiebungsdefizit. Es ist eine Mär, die Sie immer wieder wiederholen. Aufgrund der Wiederholung stützen Sie hier eine Erwartung, der Sie auch nicht gerecht werden können.
Es gibt kaum staatliche Befugnisse, die einschneidendere Konsequenzen für die Betroffenen haben als die Abschiebungen. Um so wichtiger ist es, dass der Staat dabei rechtmäßig vorgeht. Trotzdem zeigt es sich, dass bspw. rund 50 % der Abschiebehaftbeschlüsse rechtswidrig ergangen sind. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Geflüchteter aus Salzwedel nach Griechenland abgeschoben mit der Folge, dass er nun zurückgeholt werden muss. Die Abschiebung dorthin ist bekanntermaßen aktuell rechtswidrig.
Bevor Sie die rechtlich höchst fragliche Ausweitung der Abschiebehaft gutheißen, sollte erst einmal daran gearbeitet werden, dass der Staat hier nicht regelhaft rechtswidrig handelt. Wir brauchen eine faktenbasierte Prüfung, welche Maßnahmen denn tatsächlich zu einer effektiveren Umsetzung der Ausreise führen. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Es gibt eine Intervention, Herr Striegel, und zwar von Herrn Scharfenort - Herr Scharfenort, bitte.
Jan Scharfenort (AfD):
Ihr Vortrag ist nur schwer erträglich. Es geht darum, uns weismachen zu wollen, dass soziale Herkunft und Sozialisierung keine Auswirkungen hätten. Ich meine, das können Sie selbst doch nicht wirklich glauben.
Dann könnten wir uns die ganzen Soziologen, Sozialpädagogen sparen. Dann könnten wir uns das alles sparen, wenn wir bei dieser Logik bleiben. Also, das ist schon einmal ganz einfach entlarvt.
Nein, das Hauptproblem ist letztlich die illegale Einreise. Denn bevor die Asylanten oder die Einreisenden einen Asylantrag stellen, muss an der Grenze sofort abgewiesen werden. Das ist auch möglich, wenn endlich der politische Wille dafür da ist. In dem Moment, wenn ein Asylverfahren beantragt wird, ein Asylantrag gestellt wird, wird es schwieriger. Deswegen sind die Illegalen an der Grenze sofort abzuweisen.
(Zustimmung bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Striegel, wollen Sie antworten?
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Das will ich gern tun. - Zunächst einmal: Wenn Sie denn auf die von Ihnen oft so gescholtenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hören würden, dann wüssten Sie, dass die Erkenntnisse in der Kriminologie meine hier vorgetragenen Fakten stützen. Auf denen beruhen sie.
(Jan Scharfenort, AfD: Ja, ja! So ein Blödsinn!)
Wer einen Asylantrag stellt, der unterliegt an der Stelle auch dem Refoulement-Verbot. Er kann eben nicht an der Grenze einfach zurückgewiesen werden.
(Jan Scharfenort, AfD: Doch! Kann er!)
Das ist auch gut so. Das ist tatsächlich nicht nur Ausdruck unserer Geschichte,
(Jan Scharfenort, AfD: Das ist Blödsinn!)
sondern auch der Menschenrechte. Ich bin froh, dass wir uns in einem Rechtsstaat bewegen. - Vielen herzlichen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)