Holger Hövelmann (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl in der Wirtschaft als auch in der Bundesregierung wird derzeit die Einführung eines Industriestrompreises in Höhe von 5 ct/kWh bis 6 ct/kWh diskutiert. In Sachsen-Anhalt würde davon nicht nur, aber vor allem unsere einheimische chemische Industrie profitieren.
Aktuell hat Sachsen-Anhalt den Vorsitz der Energieministerkonferenz inne. Deshalb frage ich die Landesregierung: Wie wird sich das Land Sachsen-Anhalt Ende September bei der Energieministerkonferenz bei dem Thema positionieren?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Willingmann, bitte.
Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! - Lieber Herr Abg. Hövelmann, ich bin nicht ganz sicher - bevor wir jetzt zur Sache sprechen , ob man dort hinten tatsächlich so gut zu verstehen ist; denn umgekehrt darf ich das für die Regierungsbank auch sagen: Auch wir verstehen Sie nicht ganz einfach.
(Minister Sven Schulze: Akustisch! - Unruhe)
Eine durchgreifende Verbesserung der Tontechnik scheint noch nicht eingetreten zu sein, aber die Sommerpause ist auch erst seit wenigen Minuten beendet.
(Lachen bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)
Der Industriestrompreis wird nicht nur die Teilnehmenden der Energieministerkonferenz Ende des Monats bewegen, zu der ich nach Wernigerode eingeladen habe, sondern er bewegt zur Stunde auch die Ministerpräsidenten der Länder. Sie befinden sich alle - Sie sehen das auch an der Abwesenheit unseres Ministerpräsidenten Dr. Haseloff - in Brüssel. Im Rahmen ihrer Brüsseler Erklärung und der Verhandlungen, die man dort mit der Kommissionsvorsitzenden führt, geht es auch um den Industriestrompreis. Man kann ihn auch Transformationsstrompreis oder Brückenstrompreis nennen, aber es ist immer dasselbe gemeint, nämlich eine Deckelung des für energieintensive Unternehmen sehr hohen Strompreises.
Die Ministerpräsidenten haben sich alle parteiübergreifend hinter dieses Modell gestellt. Von fast allen Parteien dieses Hauses gibt es Ministerpräsidenten, woran Sie sehen, dass es jedenfalls unter den Länderspitzen eine hohe Zustimmung zu diesem Modell gibt. Sie wissen auch, dass ich mich als Energieminister unseres Landes früh für den Industriestrompreis eingesetzt habe und dass wir auf der Energieministerkonferenz in Merseburg im März bereits über dieses Thema gesprochen haben.
Wir halten es für wichtig, dass die im Moment sehr hohen Strompreise, die fraglos niedriger als vor einem Jahr sind, als wir einen durchschnittlichen Strompreis von 55 ct/kWh hatten im Moment legen wir etwa bei 25 ct/kWh bis 28 ct/kWh; vor dem Krieg lagen wir bei 15 ct/kWh bis 18 ct/kWh , für einen Überbrückungszeitraum etwa bis 2030 mittels eines Industriestrompreises gedeckelt werden, der insbesondere verhindert, dass Unternehmen aus diesem Grunde, nämlich der hohen Energiebepreisung im Lande, das Land verlassen. Der Druck ist groß. Die Marktbedingungen sind anderenorts besser, was insbesondere die Strompreise betrifft. Deshalb ist es klug, jetzt einzugreifen.
Aus diesem Grunde - ich antworte Ihnen, weil Sie mich gefragt haben: Wie stehen Sie zum Industriestrompreis? - halte ich es als Übergangsregelung für sinnvoll und teile daher die Auffassung eines wesentlichen Teils in der Wissenschaft.
Ich will aber auch nicht leugnen, dass es andere Vertreter gibt. Man sollte das auch durchaus ventilieren. Die Idee, in einen Subventionswettbewerb bspw. mit den Vereinigten Staaten einzutreten, ist wenig sinnvoll. Wir werden ihn nicht gewinnen.
(Zustimmung bei der FDP)
Deshalb muss klar sein, dass diese Transformationsbepreisung, also die Reduktion auf einen Kilowattstundenpreis von etwa 4 ct bis 5 ct nur eine vorübergehende Maßnahme ist. Sie sollte flankierend
(Zuruf: Das wird niemals funktionieren!)
- Ja, das funktioniert in Frankreich auch schon.
(Guido Kosmehl, FDP: Ja, mit Atomstrom! - Jan Scharfenort, AfD: Mit Kernkraft!)
- Genau, vor allen Dingen im letzten Jahr so wenig, dass wir ihnen das halbe Jahr aushelfen mussten,
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)
aber man kann natürlich Illusionen anhängen. Man kann doch
(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)
- Herr Scharfenort, schauen Sie, nächste Woche unterhalten wir uns in Lissabon einmal in Ruhe darüber, dann müssen Sie nicht dazwischenrufen. Vielleicht kann ich Sie doch dazu bewegen, eine nüchterne, eine realistische Einschätzung zum Thema Atomstrom zu bekommen. Aber wenn das nicht gelingt, ist das im Moment für unsere aktuelle Diskussion über den Brückenstrompreis auch völlig unerheblich.
Wir haben in Deutschland übrigens seit vielen Jahren mehrfach die Gelegenheit dazu gehabt, etwas zu tun. Insoweit darf man auch immer wieder einmal in den Raum werfen: Warum haben wir nicht eigentlich nicht schon in letzten Jahren, als unser Strompreis immer schon oberhalb des anderer Länder war, darüber nachgedacht, dass man die staatlich induzierten Bestandteile des Preises reguliert? Das eindrucksvollste Moment - das wird zugegebenermaßen von Finanzminister Lindner vertreten , ist die Reduktion der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß.
(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Anne Marie Keding, CDU)
Die Stromsteuer beträgt im Moment in Deutschland 2,05 ct/kWh. Man könnte auf 0,05 ct/kWh hinunter. Das ist eine deutliche Reduktion. Wie gesagt, das hätte man längst machen können. Peter Altmaier war, glaube ich, vier Jahre lang im Amt, er hätte das mit angreifen können. Das ist nicht geschehen. Noch einmal: Wir waren damals
(Zurufe von Daniel Roi, AfD, von Michael Scheffler, CDU, und von Alexander Räuscher, CDU)
- Ja, Sie müssen doch aber ein bisschen nach Zuständigkeiten gehen, nicht nur allgemein salbadern.
Jetzt wollen wir noch einmal festhalten: Das ist ein Modell, das man verändern kann. Es wurde bereits durch die Ampel verändert. Die EEG-Umlage ist jetzt, im Jahr 2023, abgeschafft worden. Wir haben einen normalen Umsatzsteuersatz auf Strom. Das kann man regeln. Das ist immer ein Problempunkt für die Länder. Das trifft uns. Das könnte man aber machen. Denken Sie an die Konzessionsabgabe. Auch sie ist zu leisten von den einzelnen Verbraucherrinnen und Verbrauchern und von Unternehmen. Und last, not least: die berühmten Netzentgelte in Höhe von 9,5 ct/kWh. Das ist eine ganze Menge. Man könnte also auch staatlich etwas tun. Deshalb möchte ich Ihnen mein Bekenntnis vortragen: Der Industriestrompreis ist das eine. Um ihn zu erreichen, müssen wir aber auch an die staatlich induzierten Preisbestandteile heran. Deshalb ist der Vorschlag,
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)
das eine zu tun, ohne das andere zu lassen und deshalb in Richtung Transformation zu gehen. - Vielen Dank.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Minister. - Herr Hövelmann, eine Nachfrage? - Keine.
(Zuruf: Kollege Thomas hat sich gemeldet!)
- Nein, das geht so nicht. Das geht nach der Geschäftsordnung nicht. - Herr Thomas, wir haben es aber registriert.
(Ulrich Thomas, CDU: Ich habe es versucht!)
- Der Versuch war es wert. Danke.