Monika Hohmann (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ich heute so vernehmen konnte, ist, dass alle demokratischen Parteien
(Zuruf von der AfD: Oh!)
bzw. Fraktionen hier im Landtag die Notwendigkeit, die Wichtigkeit und die Bedeutsamkeit der Schulsozialarbeit erkannt haben - bis auf eine Fraktion, aber das sei dahingestellt.
(Christian Hecht, AfD: Bis auf eine demokratische Fraktion!)
Ich bin mittlerweile seit 2011 Mitglied des Landtages.
(Christian Hecht, AfD: Viel zu lange!)
Seitdem ich hier im Landtag bin,
(Zuruf von Christian Hecht, AfD - Lachen bei der AfD)
diskutieren wir wirklich in jeder Wahlperiode über die Notwendigkeit der Schulsozialarbeit. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und gezählt, wie oft wir hier im Hohen Hause über die Schulsozialarbeit diskutiert haben. Ich könnte jetzt sagen: Schätzen Sie einmal! Ich mache es einfach: Wir haben das Thema 23 Mal hier im Plenum diskutiert.
(Zuruf von der AfD: Zu viel!)
Zwar sind die meisten Anträge von meiner Fraktion eingereicht worden, aber ich habe einen wirklich entscheidenden Antrag von der damaligen Koalition aus der siebenten Wahlperiode gefunden. Er stammt aus dem Jahr 2018 und feiert demnächst seinen fünften Jahrestag. Es ist der Antrag der Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Drs. 7/3724 - falls jemand einmal nachschauen will - vom 13. Dezember 2018. Die Überschrift lautete: Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt durch ein Landesprogramm verstetigen.
Wir haben unter dem Punkt 2 folgendes beschlossen - ich zitiere :
„Der Landtag bittet die Landesregierung, ein langfristiges Landesprogramm zur Fortführung der Schulsozialarbeit ab dem Schuljahr 2020/2021 zu entwickeln, das eine nachhaltige Finanzierung ermöglicht. Darin sollen Leitlinien zur Definition von Grundsätzen, Zielen und Methoden von Schulsozialarbeit entwickelt werden. Bei der Erarbeitung des Konzepts sind sowohl die freien und kommunalen Träger, die landesweite Koordinierungsstelle, die 14 regionalen Netzwerkstellen, als auch die Kommunen und kreisfreien Städte zu beteiligen.“
Nach fünf Jahren können wir feststellen, dass wir in Bezug auf ein Landesprogramm nicht einen Schritt weitergekommen sind. Das haben auch die Fachkräfte der Schulsozialarbeit in unserem Bundesland zur Kenntnis genommen. Viele von ihnen haben das Vertrauen verloren, doch noch irgendwie einen unbefristeten Vertrag auf der Grundlage eines Landesprogramms zu erhalten. Sie haben sich bereits schon jetzt von der Schulsozialarbeit verabschiedet
(Matthias Redlich, CDU: Das ist doch Quatsch!)
und sind in andere, unbefristete Stellen gewechselt.
Vielleicht noch eine Zahl für die Ungläubigen: Zum 1. September 2023 - also mit Stichtag letzte Woche - konnten von den derzeit 380 ESF-geförderten Stellen 25 nicht besetzt werden. Was ich Ihnen sagen möchte: Wenn wir jetzt nicht den Schulsozialarbeiterinnen eine Perspektive nach dem zweiten Förderzyklus anbieten, dann verlieren wir weitere Fachkräfte, ähnlich wie damals bei den Lehrerinnen, wo wir viel zu spät reagiert haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrte Damen und Herren! Warum scheitern wir an einem Landesprogramm? Aus unserer Sicht liegt es daran - das kam heute auch schon zur Sprache -, dass nicht geklärt ist, wo die Schulsozialarbeit verortet werden soll.
In der Petitionsausschusssitzung in der letzten Woche haben wir mehrere Petitionen zum Erhalt der Schulsozialarbeit auf der Tagesordnung gehabt. In der Stellungnahme aus dem Bildungsministerium hieß es, dass die Schulsozialarbeit im SGB VIII geregelt und demzufolge eine Leistung der Jugendhilfe ist. Weiter ging aus dem Papier hervor, dass das Land den Kommunen jährlich 8 Millionen € zur Förderung der Kinder und Jugendarbeit gewährt. Diese Mittel sind im KJHG, § 31, geregelt.
Wenn Sie diesen Paragrafen kennen, wissen Sie auch, dass die 8 Millionen € gerade einmal 70 % der Finanzierung der Maßnahmen gemäß den §§ 11 bis 14 SGB VIII ausmachen. Nimmt man jetzt noch die Kofinanzierung der Kommunen dazu, kommt man auf ca. 11,4 Millionen € für die Jugendarbeit. Sollte der kommunale Eigenanteil von 20 % für die Schulsozialarbeit aus diesem Topf verwendet werden, würde dies eine Halbierung der Kinder und Jugendarbeit bedeuten. Und das, meine Damen und Herren, kann ja wohl nicht gewollt sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrte Damen und Herren! Solange wir das Problem der Zugehörigkeit, also die Frage, welches Ministerium zuständig ist, hier nicht geklärt haben, kehren uns die wertvollen Fachkräfte den Rücken. Meine Kollegin Nicole Anger hat vor geraumer Zeit den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zu genau diesem Thema der Verortung befragt. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat aus meiner Sicht wirklich klug geantwortet. Ich möchte Ihnen das auch nicht vorenthalten. Ich zitiere aus diesem entscheidenden Passus:
„Darüber hinaus wird den Ländern die Entscheidung überlassen, wo diese Regelungen getroffen werden. Ob also eine Verortung im Regelungsbereich zur Kinder- und Jugendhilfe oder im Regelungsbereich der Schule vorgenommen wird, das ergibt sich aus dem § 13a Satz 4 SGB VIII, wonach durch Landesrecht auch bestimmt werden kann, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.“
(Zustimmung bei der LINKEN)
Das heißt also für uns hier im Plenum, dass wir alle eine Entscheidung herbeiführen sollten und müssen, wo wir Schulsozialarbeit zukünftig verortet haben wollen. Wollen wir es im KJHG oder im Schulgesetz? Diese Antwort müssen wir erbringen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Beim ersten Förderzyklus für das ESF-Plus-Programm „Schulerfolg sichern“ konnten wir 14 landesgeförderte Stellen auf die Landkreise verteilen, bei denen aufgrund zurückgegangener Schülerzahlen weniger ESF-Stellen zur Verfügung standen. Das war eine sehr gute Entscheidung des Parlaments. Leider habe ich diese Stellen im Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2024 nicht gefunden, und zwar weder im Bildungshaushalt noch im Sozialhaushalt. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir in den Haushaltsberatungen eine Lösung finden werden, damit die Arbeit vor Ort mit diesen 14 Stellen fortgesetzt werden kann.
(Zustimmung bei der LINKEN und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)
Am 30. September - das wurde vorhin schon einmal gesagt - endet die Antragsfrist für das Einreichen der Konzepte für den zweiten Förderzyklus. Danach werden wir wissen, welche Kommunen eine verbindliche Zusage für die Finanzierung ihres Eigenanteils in Höhe von 20 % abgegeben haben. Sollten mehrere Landkreise oder kreisfreie Städte aufgrund ihrer Haushalte Probleme haben, diesen Anteil zu erbringen, müssen wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir dabei unterstützen können. Vielleicht ist, wie in der Förderrichtlinie beschrieben, eine Anrechnung eigener kommunal finanzierter Stellen möglich. Die Richtlinie gibt es her. Ich bin sehr dankbar dafür, dass auch bei Herrn Bernstein eine Wende, ein Lernprozess eingesetzt hat. Wir hatten schon einmal in einem Antrag vor der Sommerpause gefordert, dass man die eigenfinanzierten Stellen anrechnen lassen kann. Leider gab es aus der Koalition dafür eine Absage. Aber wir sind, wie gesagt, alle in einem Lernprozess. Vielleicht kann man diesbezüglich etwas machen.
Wir dürfen auf keinen Fall den Wegfall der Sozialarbeit in den Regionen zulassen. Dazu - das haben bis auf die eine Fraktion hier bereits alle Fraktionen gesagt - ist sie zu wichtig. Auch wenn wir heute keine Beschlüsse fassen, da es eine Aktuelle Debatte ist, kann ich Ihnen jetzt schon verraten, dass wir das Thema Schulsozialarbeit zeitnah in zwei Ausschüssen beraten werden,
(Zustimmung bei der LINKEN und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
nämlich im Sozialausschuss und im Bildungsausschuss. Denn die Petitionen aus den kreisfreien Städte Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau und aus der Stadt Hettstedt im Landkreis Mansfeld-Südharz haben wir in die entsprechenden Fachausschüsse überwiesen.
Bevor ich aber zum Schluss komme, möchte ich noch eine Bitte an die Landesregierung richten. Das wurde vorhin auch schon einmal kurz angesprochen. Vielleicht besteht die Möglichkeit, dass die Schulträger, die die Prioritätenlisten erstellt haben, bei der Jury-Entscheidung zu den von ihnen eingereichten Prioritätenlisten als beratendes, aber nicht als stimmberechtigtes, Mitglied teilnehmen, um zu erläutern, warum welche Prioritäten getroffen worden sind. Das stellt Transparenz und Vertrauen her. Ich denke, das dürfte zu machen sein. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. Warten Sie einen Augenblick bitte, wenn Sie die Frage beantworten wollen. Herr Stehli möchte gern eine Frage stellen.
Stephen Gerhard Stehli (CDU):
Werte Kollegin Hohmann, ich habe eine kurze Frage, ob ich etwas richtig verstanden habe. Wir beschäftigen uns im Bildungsausschuss viel mit der Schulsozialarbeit. Das kann man sagen, wenn man die letzten zwei Jahre anschaut. Versprechen Sie mir und uns allen, dass Sie Ihre Anträge in den Sozialausschuss bringen? Denn als Vorsitzender des Bildungsausschusses fände ich es gerade wegen des Konglomerats, das wir hier haben, sehr wichtig, dass sich der Sozialausschuss auch weiterhin und in extenso damit auseinandersetzen kann. Das fände ich schon sehr in Ordnung. Machen Sie das?
Monika Hohmann (DIE LINKE):
Herr Stehli, ich habe es schon gesagt: Ich habe es gemacht.
Stephen Gerhard Stehli (CDU):
Alles klar.
Monika Hohmann (DIE LINKE):
Die Petitionen sind in beiden Ausschüssen, einmal im Sozialausschuss und einmal im Bildungsausschuss. Im Sozialausschuss sind sie aufgrund des Bezugs zum SGB VIII. Wir beraten in beiden Ausschüssen darüber. Das haben wir als Ausschuss gemacht.
Stephen Gerhard Stehli (CDU):
Herzlichen Dank.
(Zustimmung bei der LINKEN)