Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir leben tatsächlich in herausfordernden Zeiten. Die Zusammenhänge werden immer komplexer, die Lösungen immer dringender. Globalisierung, Digitalisierung und nicht zuletzt die Notwendigkeit, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern - die Suche nach richtigen Antworten und Strategien ist nicht leicht, das gebe ich sofort zu.

Aber die Unterstellung der AfD - das ist das Einzige, was Sie mit dieser Debatte erreichen wollten  , dass die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker nicht darum ringen würden, die besten Lösungen zu finden, dass es ihnen egal wäre, dass sie leichtfertig Belastungen für die Menschen in diesem Land beschließen würden,

(Ulrich Siegmund, AfD: Richtig! - Zuruf von der AfD: Nein, das machen die nicht! - Zuruf von der CDU: Das machen nur die GRÜNEN!)

ist schlicht falsch.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Das ist populistisches Geschimpfe auf „Die da oben“ und das weise ich hier klar von mir. Das ist eine Diffamierung.

(Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)

Wir brauchen Wahrheit, Transparenz und Respekt in der politischen Debatte;

(Markus Kurze, CDU: Ja, klar!)

denn wir müssen tatsächlich nach den besten Lösungen suchen.

(Markus Kurze, CDU: Ja!)

Wenn die AfD nicht einmal davor zurückscheut, dem Ministerpräsidenten eine Lüge in den Mund zu legen - denn er hat sich gestern ganz klar für stärkere Sanktionen in Richtung Russland ausgesprochen  ,

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

dann ist das Populismus.

Es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir jetzt vor den Anforderungen stehen, sehr viele Krisen parallel zu lösen: eine über fast 20 Jahre verschlafene und negierte Umstellung des Energiesektors,

(Markus Kurze, CDU: O nein!)

gekoppelt mit den Auswirkungen der Coronapandemie, die noch immer nicht vorbei sind, und den Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine. Ich kann Ihnen versichern - und als aktuelle Vorsitzende der GRÜNEN-Fraktionsvorsitzendenkonferenz bin ich da ziemlich dicht dran  , dass die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker in Berlin immer um die besten Lösungen ringen.

Die durch den Überfall Russlands ausgelöste Energiepreiskrise verteuert das Wirtschaften und Leben, das ist von den Kolleginnen und Kollegen bereits ausgeführt worden. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist seit Februar 2022 eine völlig andere, als vorher planbar war. Der Überfall unterbrach die Erholung der Konjunktur nach der Pandemie. Die Politik kann höhere Preise für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel nicht aus der Welt schaffen. Wir sind eben keine Planwirtschaft. Wir können umverteilen und abfedern.

Auch die Geldpolitik und damit der Kapitalmarkt, die Zinsen und Inflationsraten haben sich fundamental gedreht. Und als wäre das alles nicht genug, schreitet die Klimakrise in atemberaubender Geschwindigkeit voran.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE - Oh! bei der AfD und bei der CDU - Zurufe von der AfD)

Jeder, der in Griechenland im Urlaub war oder vom Frankfurter Flughafen nicht abfliegen konnte - es gibt noch andere Beispiele  ,

(Zurufe von der AfD: Weil sich da welche festgeklebt haben! - Weil die sich da hingeklebt haben!)

weiß, wovon ich spreche. Die Erderwärmung zu bremsen, um den Klimawandel vielleicht noch beherrschbar zu machen und die Anpassung an die bereits real existierenden verheerenden Auswirkungen zu bewältigen, ist eine Menschheitsaufgabe,

(Kathrin Tarricone, FDP: CRISPR/Cas!)

ist eine Jahrhundertaufgabe.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in eine kohlenstoffarme Realität ist der einzig mögliche Lösungsweg. Eine höhere Maut ist eben auch dafür gedacht - und so ist es auf der Bundesebene vereinbart  , eine Veränderung des Modal Splits herbeizuführen, um die Bahn - darüber haben wir auch in diesem Hohen Hause mehrfach gesprochen - besser ausfinanzieren zu können.

Man kann natürlich vor all dem die Augen verschließen; man kann die Herausforderungen kleinreden, man kann sie ausblenden. Aber dann kommt man nur zur Panikmache. Dann kommt man dazu, dass man die Menschen verunsichert. Man muss die Realitäten annehmen und versuchen, sie mit verantwortungsvoller Politik zu managen. Dazu sage ich für uns GRÜNE hier ganz klar: Es gibt mit uns kein Zurück zur Abhängigkeit von fossiler Energie, weder von Russland, noch von anderen Ländern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es darf keinen Wiedereinstieg in die unbeherrschbare Atomenergie geben.

(Zustimmung von Juliane Kleemann, SPD)

Wir werden die Transformation zu kohlenstoffarmem Wirtschaften vorantreiben und an der CO2-Bepreisung als Steuerungsmittel festhalten. Wir werden die nötigen Klimaziele als Maßstab nehmen. Daran, ob wir diese erreichen, wird sich verantwortungsvolle Politik messen lassen müssen.

Es ist unredlich, hier immer wieder so zu tun, als würden Politikerinnen und Politiker Steuern oder Abgaben erhöhen, um das irgendwo in ihrem Keller zu bunkern.

(Alexander Räuscher, CDU: Wie war das mit den 3 000 €, die sich Ihre Leute genehmigt haben?)

Nein, wir brauchen in einer sozialen Marktwirtschaft Einnahmen,

(Andreas Schumann, CDU: Marktwirtschaft! Genau!)

um tatsächlich die Dinge, die negativ laufen, zu beheben, um die Dinge - da bin ich bei Ihnen  , bei denen die Menschen abgefedert werden müssen in ihrem Sozialleben,

(Ulrich Siegmund, AfD: Alle bei uns!)

bezahlen zu können. Deswegen erheben wir Steuern, nicht um die Menschen zu gängeln.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Markus Kurze, CDU: Und was machen Sie für die, die arbeiten?)

Die Klimakrise schreitet voran; das habe ich mehrfach erwähnt. Aber ich plädiere dafür, an dieser Stelle sehr klar hier auch die Chancen zu sehen. Wir müssen Zukunftstechnologien nutzen.

(Kathrin Tarricone, FDP: CRISPR/Cas!)

Das erleben wir hier in Magdeburg mit den Zukunftsmärkten Digitalisierung und Halbleiter. Wir müssen die Zukunftsenergien und die Zukunftstechnologien für uns nutzen.

(Kathrin Tarricone, FDP: Ja!)

Anlagen zur Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energien über Wärmepumpen, Elektromobilität und vieles andere mehr bergen Chancen für die Menschen in diesem Land. Wir sehen es gerade auf der IAA: Elektromobilität. Ich glaube, weder China noch Tesla, auch wenn es vielleicht wünschenswert wäre, haben grüne Wahlprogramme gelesen. Aber die sind auf dem Markt unterwegs, wo wir als Deutschland jetzt erst noch hinterherfahren müssen.

(Ulrich Siegmund, AfD: Sie selbst fahren doch einen Verbrenner!)

Wer nämlich lange Zeit zukunftsabgewandt beim Verbrenner verharrt, der steht zukünftig außen vor.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber zentral ist mir und auch uns GRÜNEN - das sage ich sehr deutlich - ein wichtiges Anliegen, dass all diese Auswirkungen tatsächlich für die Menschen sozial abgefedert werden müssen. Deswegen, Kollege Silbersack - das sage ich hier noch einmal  , ist uns die Einführung des Klimageldes, die im Koalitionsvertrag auf der Ebene des Bundes verabredet worden ist, ein wichtiges Anliegen. Denn das ist der soziale Kompensationsmechanismus. Denn klar ist, die Transformation ist teuer.

(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)

Klar, es kostet Geld.

(Markus Kurze, CDU: Wer soll das bezahlen, Frau Lüddemann! - Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)

An dieser Stelle wollen wir eben, dass die sogenannten Geringverdiener; diejenigen, die wenig Einkommen haben, eine Kompensation bekommen.

Wir machen hierbei Druck. Wir fordern einen Auszahlmechanismus bis zum Jahresende. Das Bundesfinanzministerium ist hierfür verantwortlich. Ich glaube, wenn man sieht, wie die Auszahlung des BAfög gemanagt wurde, dann kann man durchaus Herrn Lindner zutrauen, dass er auch hierfür eine Möglichkeit findet, das gemeinsam Verabredete umzusetzen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die sogenannten Kleinverdienerinnen und die Familien sowie Alleinerziehende sollen nicht für die Verfehlungen der Vergangenheit zahlen. Klimafreundliches Verhalten muss sich lohnen. Diejenigen, die weniger haben, dürfen nicht noch mehr belastet werden. Wer das Klima schont, soll am Ende mehr im Portemonnaie haben.

Sozialpolitik ist für uns aber nicht nur eine Begleitung des Klimaschutzes; es ist uns GRÜNE ein grundsätzliches Anliegen, gleiche Chancen zu ermöglichen und Armut zu bekämpfen. Aktuellste Beispiel dafür ist die Kindergrundsicherung.

(Zuruf von der CDU)

Mit der Kindergrundsicherung werden wir eine für die Menschen unbürokratische, unkomplizierte Lösung herbeiführen, die viele bisherige Einzelleistungen bündelt, und aus der bisherigen Holschuld der Eltern - genauso ist es ja bisher - werden wir einen Service des Staates machen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE - Eva von Angern, DIE LINKE: Das kann man nicht vergleichen!)

Das allein, Kollegin Frau von Angern, ist schon eine Leistung, dass alle diese Leistungen automatisch den Kindern zugutekommen.

(Markus Kurze, CDU: Das sind wir ganz gespannt, ob das bei den Kindern ankommt! - Weitere Zurufe)

Ich gebe zu, dass noch weitere Verbesserungen nötig sind. Ich gebe zu, dass insbesondere die Alleinerziehenden noch anders beachtet werden müssen. Aber wir arbeiten ja auch stetig an der Verbesserung. Aber hierbei den Systemwechsel hinbekommen zu haben, führt zu einer tatsächlichen Unterstützung für diejenigen, die wenig haben, und vor allen Dingen zu einer klaren Unterstützung für diejenigen, die immer als unsere Zukunft betrachtet und benannt werden, für unsere Kinder.

Ich glaube fest daran, dass eine Politik zum Wohle der Menschen beinhalten muss, gleichermaßen Schwerpunkte im Sozialen, im Wirtschaftlichen und im Bereich Klimaschutz zu setzen. Daran kann man mit Ruhe und im sachlichen Austausch     Nur im sachlichen Austausch werden wir die besten Lösungen erreichen, wodurch alle gemeinsam gewinnen werden. Vielleicht muss es nicht immer so öffentlich und transparent sein, wie es aus der Bundesregierung heraus geschieht - auch das gebe ich gerne zu  , aber dieser sachliche Austausch ist wichtig, nicht der Populismus von rechts. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wie es zu erwarten war, hat Herr Scharfenort eine Intervention angezeigt. - Sie haben das Wort.


Jan Scharfenort (AfD):

Nur zwei Punkte. Dann hat der Kollege noch die Gelegenheit zu einer Erwiderung. Zum einen: Sie haben behauptet, wir diskreditieren die grünen Politiker. - Ja, das tun wir; das müssen wir auch tun. Was sollen wir denn von Ministern wie Herrn Habeck halten, der einmal gesagt hat - ich zitiere  : Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.

Was sollen wir von einem solchen Minister halten?

(Ulrich Siegmund, AfD: Richtig!)

Dem sollen wir unterstellen, dass er angesichts solcher Aussagen zum Wohle Deutschlands handelt?

Wenn ich mich mit dieser Einstellung zu unserem Land auf Habecks Seite stelle, dann hat er sehr viel erreicht; dann hat er in kürzester Zeit sehr hohe Wohlstandsverluste produziert und vielleicht in seinem Sinne auch alles richtiggemacht, aber nicht im Sinne von Deutschland.

(Zustimmung bei der AfD - Ulrich Siegmund, AfD: Bravo!)

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, kehrt zurück ans Rednerpult - Ulrich Siegmund, AfD: Jetzt auf einmal doch!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können ohnehin auch gleich noch einmal überlegen, ob Sie die Frage von Herrn Silbersack beantworten wollen, die er stellen wollte.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ein Satz zu dem Kollegen. Also, wenn Sie sagen, wenn Vertreter Ihrer Fraktion sagen: Bier gehört zu Deutschland, Bier ist deutsche Identität, dann habe ich auch ein Problem mit Deutschland, ganz ehrlich.

(Ulrich Siegmund, AfD: Oh! Das ist schwach! - Oh! bei der AfD und bei der CDU - Markus Kurze, CDU: Oh man, das ist traurig! - Zuruf von Thomas Korell, AfD - Weitere Zurufe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wir haben jetzt noch die Möglichkeit, dass Herr Silbersack eine Frage stellt. - Bitte sehr.

(Unruhe)


Andreas Silbersack (FDP):

Thema dieser Aktuellen Debatte ist die Inflation und wie wir ihrer Herr werden können. Sie haben darüber gesprochen, wie Sie die Verknappung des Energieangebots realisieren möchten, indem Sie bestimmte Energien nicht zulassen. Sie haben darüber gesprochen, wie Sie mehr Geld ausgeben wollen.

Mich interessiert, was Sie den Menschen im Land Sachsen-Anhalt sagen, was Sie gegen die Teuerungsraten, was wir im Land Sachsen-Anhalt und im Bund dagegen tun können. Denn ich habe leider in Ihrer Rede nicht gehört, was hierfür Ihre konkreten Ansätze sind.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Verknappung der Energie - also, das sehe ich überhaupt nicht. Wir kommen seit einigen Monaten sehr gut ohne Atomenergie aus. Im Gegenteil, der Minister hatte gestern    

(Lachen bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von Markus Kurze, CDU, und von Sebastian Striegel, GRÜNE - Weitere Zurufe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Warten Sie einmal!

(Unruhe)

Stopp! - Auch Herr Kurze. - Noch einmal, wenn jemand der Rednerin eine Frage gestellt hat, dann muss sie die Chance haben, darauf zu antworten, ansonsten macht das Verfahren keinen Sinn. - Ich würde Ihnen jetzt noch einmal das Wort erteilen, Frau Lüddemann, und versuchen, dafür zu sorgen, dass Sie überhaupt die Chance haben zu antworten. Bitte sehr.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Das ist interessant, dass Sie sich gerade darüber aufregen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)

Ich habe es in meiner Rede gesagt: Wir haben fast 20 Jahre verschlafen. Das haben wir Ihnen, Ihrer Kanzlerin und Ihnen als Bundesregierung zu verdanken.

(Markus Kurze, CDU: Oh, nee, also, das kann man nicht ertragen!)

Wir könnten ganz anders dastehen.

(Markus Kurze, CDU: Ohne Ihre Politik könnten wir ganz anders dastehen!)

Wir könnten Energiepreise haben wie andere Länder in der Welt auch, wenn wir den Ausbau an erneuerbaren Energien nicht verschlafen hätten.

(Markus Kurze, CDU: 2 %! - Sandra Hietel-Heuer, CDU: Verschlafen? Wir sind Vorreiter!)

- Wenn Sie meinen, dass dieses Herumgeschreie hier irgendetwas ändert, dass dieses Herumgeschreie dem Ansehen dieses Hohen Hauses nach außen zuträglich ist, dann können Sie gerne weitermachen.

(Zuruf von Markus Kurze, CDU - Ulrich Siegmund, AfD: Das könnte man einmal Herrn Striegel sagen!)

Ich bin an einer sachlichen Debatte interessiert; dazu gehören Fakten.

(Unruhe)

Das können Sie sich gerne anschauen.