Eva von Angern (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Im Gegensatz zur AfD geht es uns bei dieser Debatte nicht um das Ausspielen der Ärmsten gegen die Armen.
(Zustimmung bei der LINKEN - Oh! bei der AfD)
Wir nehmen das Thema ernst. Wir nehmen das Thema sehr ernst. Wir benennen die Verantwortlichen und machen konkrete Lösungsvorschläge.
Eine kurze Einlassung zu dem Thema Russlandsanktionen. Vielleicht ist Ihnen die Kompetenz des verstehenden Lesens nicht gegeben oder Sie haben bewusst heute hier gelogen, indem Sie gesagt haben, dass der Ministerpräsident gegen eine Verschärfung der Russlandsanktion ist. Im Gegenteil: Er fordert ganz klar eine Verschärfung der Russlandsanktionen.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Die Inflation lag im August bei 6,1 %. 6,1 % klingen abstrakt. Machen wir es konkret: Wer in Sachsen-Anhalt in Vollzeit arbeitet und durchschnittlich verdient, derb verliert bei einer Inflation von 6 % 224 €. Sage und schreibe 224 €, und zwar nicht im Jahr, sondern Monat für Monat.
Und das nach einer Inflation von 8 % im vergangenen Jahr, die gerade die Menschen in Sachsen-Anhalt besonders hart trifft, weil sie schon damals ihre Rücklagen aufgebraucht haben. Die Inflation gefährdet den sozialen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Entwicklung. Die Inflation vernichtet Einkommen und Wohlstand. Sie ist die soziale Frage der Stunde.
Hinzu kommt: Die Inflation trifft den Osten, trifft die Menschen in Sachsen-Anhalt besonders hart. Denn je geringer Einkommen und Vermögen, desto schutzloser sind die Bürger der Teuerung ausgesetzt.
Menschen mit wenig Geld geben das Allermeiste für Lebensmittel und Energie aus, die besonders teuer geworden sind. An dieser Stelle liegt die Inflation weit über 10 %, teilweise haben sich die Preise verdoppelt oder verdreifacht, z. B. beim Gas.
Meine Damen und Herren! Ich frage: Haben wir eine Bundesregierung, die diese Inflation tatsächlich entschlossen bekämpft oder eher befeuert? - Ich muss feststellen: eindeutig Letzteres.
Und haben wir in Sachsen-Anhalt einen Ministerpräsidenten, der die Sorgen und Nöte der Bürger rund um die Inflation ernst nimmt und Druck auf Berlin macht?
(Zurufe von der CDU: Ja!)
Leider Fehlanzeige.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Ein Brief allein, ein Brief, der die Sorge um den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt enthält, reicht mir nicht aus.
(Guido Kosmehl, FDP: Was soll er denn machen?)
Der Bundesfinanzminister sagte am Wochenende im ARD-Sommerinterview, es werde keine weiteren Sozialausgaben und keine höheren Steuern geben. Stattdessen stehe der Kampf gegen die Inflation im Fokus.
Stimmt das? - Es wäre zu begrüßen, wenn der Kampf gegen die Inflation im Fokus stünde. Aber das Gegenteil ist der Fall. Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Ampelkoalition, treiben die Preise.
(Guido Kosmehl, FDP: Was?)
Schauen wir uns konkret an, was in den nächsten Wochen geplant ist. Zum 1. Januar soll die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme wieder von 7 % auf 19 % ansteigen. Begründung: Die Großhandelspreise für Gas hätten sich wieder normalisiert. Aber für die Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es diese Normalisierung nicht. Die Preise sind noch immer mindestens doppelt so hoch wie im Jahr 2021. Es ist sozialer und ökonomischer Wahnsinn, Energie für Bürgerinnen und Bürger und Betriebe durch eine Steuererhöhung künstlich noch teurer zu machen.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der AfD)
Auch wir schauen auf die Erhöhung der Lkw-Maut, die zum 1. Dezember 2023 und zur Mitte des kommenden Jahres deutlich ansteigen soll. Die Bundesregierung rechnet mit Mehreinnahmen in Höhe von ca. 30 Milliarden € bis zum Jahr 2027 - eine Unsumme.
Jedes Lebensmittel - wir erinnern uns daran, dass in Sachsen-Anhalt 700 km der Schienen abgebaut worden sind - kommt mit dem Lkw in den Supermarkt.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist falsch!)
Natürlich steigen dadurch die Lebensmittelpreise weiter an. Die 30 Milliarden € werden die Bürger am Ende an der Supermarktkasse aufbringen müssen. Das lehnen wir ab. Dies ist der klare Unterschied zur AfD. Sie sprechen zwar in der Begründung zu Ihrem Antrag von Alleinerziehenden, aber in Ihrem Redebeitrag habe ich davon nichts gehört. Deshalb hoffe ich - ich glaube nicht, dass gerade viele Alleinerziehende zuschauen können , dass sie es endlich kapieren: Die AfD macht keine Politik für Alleinerziehende in diesem Land.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Zum 1. Januar soll auch der CO2-Preis steigen, und zwar um sage und schreibe 33 %, also auf 40 €/t. Damit wird Heizen und Tanken noch einmal teurer.
(Daniel Roi, AfD: Das wollen sie doch!)
Von dem versprochenen Klimageld ist weiterhin keine Spur. Wir sollten den CO2-Preis angesichts dieser Rekordinflation aussetzen
(Oh! bei der AfD)
und über dieses Instrument, das das Leben der Bürger teurer macht, ohne einen spürbaren klimapolitischen Effekt zu haben, grundsätzlich nachdenken.
(Daniel Roi, AfD: Vor der Sommerpause wollten Sie noch ein rechtsverbindliches CO2-Budget!)
Meine Damen und Herren! Diese Maßnahmen führen uns in einen Teuer-Winter mit einer möglichen Inflationsexplosion. Was sagt eigentlich unser Ministerpräsident zu dem Anstieg der Mehrwertsteuer auf das Heizen, zu einer höheren Lkw-Maut oder auch zu einem höheren CO2-Preis? Ich habe von ihm bisher nichts gehört. Ich bin mir aber sicher, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land genau dies ablehnt.
Natürlich gehört in diese Debatte auch der Industriestrompreis. Wir sind nicht gegen einen Industriestrompreis - die letzte Debatte hat das deutlich gemacht , aber dies ist eben nur eine Symptombekämpfung und nicht die Ursachenbekämpfung. Wir brauchen niedrigere Strompreise für das gesamte Land, für alle, für Bürger wie für Unternehmen, auch und gerade für den Bäcker um die Ecke. Sie haben es mitbekommen, die Aderstedter Landbäckerei hat aufgegeben, und sie wird nicht die letzte sein.
Meine Damen und Herren! Die an sich billige Energie der Erneuerbaren muss endlich im Portemonnaie der Bürger ankommen. Immer mehr Windräder und trotzdem höhere Preise, das versteht niemand. Deshalb forderte ich den Ministerpräsidenten dazu auf, sich mit den anderen Ministerpräsidenten endlich dafür einzusetzen, dass die Benachteiligung des Ostens bei den Strompreisen endlich aufhört.
(Beifall bei der LINKEN)
Es kann nicht sein, dass über die Nutzungsentgelte Strom besonders dort teuer ist, wo viele Windräder und Solarflächen stehen. Der Osten und der Norden zahlen aktuell für den reichen Süden. Damit muss Schluss sein.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen eine konsequente Antiinflationspolitik in Deutschland. Kaum ein westeuropäisches Land hat eine höhere Inflation als Deutschland. Frankreich liegt laut Eurostat bei 5 %, Dänemark bei 3 %, Spanien bei 2 % und Belgien sogar bei lediglich 1,7 %. Warum können wir das nicht?
(Guido Kosmehl, FDP: Energie!)
Spanien - Sie wissen das - hat die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ausgesetzt. Das fordern wir auch für Deutschland. Das käme genau bei denen an, die es dringend brauchen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich erspare Ihnen nicht, dies auch hier im Landtag zu sagen: Was macht die Ampel? - Sie genehmigt sich eine Inflationsprämie von 3 000 € für Minister und Ministerinnen. Gleichzeitig gehen Rentnerinnen und Rentner leer aus. Das ist eine Unverschämtheit.
Meine Damen und Herren! Die Aussichten für die Wirtschaft sind düster. Wir haben es gestern auch vom Finanzminister gehört. Wir teilen diese Prognose ausdrücklich. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für Deutschland einen Wirtschaftsabschwung von 0,3 % in diesem Jahr - als einziges Industrieland in dieser Art und Weise überhaupt. Das muss man sich einmal vorstellen.
Ein wesentlicher Grund für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist die Inflation, die vor allem von den hohen Energiepreisen getrieben wird.
Lieber Herr Dr. Haseloff, in der Coronazeit haben Sie sich sehr häufig mit den anderen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie der Bundeskanzlerin getroffen. Die Rekordinflation hat eine ähnliche Tragweite für unser Land. Sie führt das Land nicht nur in eine Wirtschaftskrise, sondern in eine massive soziale Krise. Deshalb fordere ich ihn auf, Herrn Scholz genau zu einer solchen Runde wieder aufzufordern, zu einem Antiinflationsgipfel im Kanzleramt. Es reicht nicht, sich gemeinsam für einen Industriestrompreis einzusetzen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern für eine Politik, die den Kampf gegen die Inflation entschlossen aufnimmt, insbesondere bei den Preisen für Lebensmittel und Energie.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wie das Kind heißt, ob Deutschlandpakt oder anders, ist mir ziemlich schnuppe. Es kommt auf den Inhalt an. Der Inhalt muss den Menschen in unserem Land helfen, er muss sie vor Armut schützen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau von Angern, es gibt eine Intervention von Herrn Roi und eine Frage von Herrn Kosmehl. Herr Kosmehl hat sich zuerst gemeldet. Wenn Sie die Frage beantworten wollen, dann kann Herr Kosmehl sie stellen. - Bitte.
Guido Kosmehl (FDP):
Vielen Dank. - Frau Kollegin von Angern, Sie haben in Ihrer Rede versucht, sich sehr sachlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. An eins, zwei Stellen ist Ihnen das nicht gelungen. Deshalb sage ich ausdrücklich: Der Grund dafür, dass es für die Minister und Ministerinnen der Bundesregierung einen Inflationsausgleich gibt, liegt am Tarifvertrag. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich oder meine Fraktion jedenfalls bei einer Regelung für das Land sicherlich darauf achten wird, dass an der Stelle eine Ausnahme gemacht wird. Das ist auf der Bundesebene leider nicht geschehen. Deshalb ist der Vergleich mit den Rentnerinnen und Rentnern falsch.
Ich will Ihnen aber eine Frage stellen. In dem aktuellen Themenpapier der Bundestagsfraktion der LINKEN steht:
„Die Lkw-Maut soll in der EU verbindlich eingeführt und in Deutschland auf alle Straßen ausgeweitet werden“
(Lachen bei der AfD)
- das heißt also, auch auf Ortsdurchfahrten -
„sowie für alle Lkw ab 3,5 t (sowie Fernbusse) gelten.“
Eine Ausnahme für Handwerker haben Sie darin nicht. Das heißt, wenn ich es richtig verstehe, dass DIE LINKE sehr wohl für eine Lkw-Maut und auch für deren Ausweitung ist.
(Beifall bei der FDP)
Eva von Angern (DIE LINKE):
Ja, wir sind sehr wohl dafür, aber es gibt Zeiten, in denen es ausgesetzt werden muss, und das ist momentan so ein Zeitpunkt.
(Lachen bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP - Zurufe von der AfD, von der CDU und von der FDP)
Das ist nichts Neues, auch nicht für Sie.
Aber ich will noch etwas sagen, weil mir das wichtig ist: Wenn Kritik kommt, dann heißt es, dass es unsachlich ist. Natürlich tut es Ihnen weh, dass auch wir hier im Landtag darauf hinweisen, dass sich die Ministerinnen und Minister im Bund diese Inflationsprämie gegeben haben. Ich sage Ihnen aber deutlich: Der eigentliche Kritikpunkt ist doch, dass die Rentnerinnen und Rentner das nicht bekommen. Das sind übrigens die, die auch essen, die auch ihre Heizung anmachen und Strom haben wollen. Das ist das kritische Moment. Darüber müssen Sie reden. Das war die eigentliche Botschaft, die ich Ihnen sagen wollte.
(Guido Kosmehl, FDP: Aber wir alle zahlen in die Rentenversicherung ein!)
- Nein!
(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)
- Zwiesprache?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie können einfach antworten und Herrn Kosmehl ignorieren. Er hat seine Frage gestellt und Sie können jetzt antworten. Bitte.
Eva von Angern (DIE LINKE):
Ich war eigentlich schon fertig. Das Wichtigste war gesagt. Das ist tatsächlich der Punkt. Es ist die Frage der Perspektive und die unterscheidet uns. Wir schauen, wie es den Menschen in Sachsen-Anhalt geht.
(Guido Kosmehl, FDP: Wir auch!)
Die Menschen in Sachsen-Anhalt kommen überwiegend aus dem Bereich der kleinen und geringen Einkommen. Diese haben Sie nicht im Fokus.
(Guido Kosmehl, FDP: Doch!)
- Gerade die FDP? Herr Kosmehl, machen Sie sich doch nicht lächerlich! Natürlich schaut die FDP vor allem auf eines: Wie können wir Steuersenkungen bei Unternehmen realisieren?
(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP - Zuruf von der AfD: Es wird immer schlimmer! - Zurufe von der FDP und von der AfD: Oh! - Unruhe)
Das ist kein Märchen, sondern die Wahrheit. Wir schauen auf Familien, auf Alleinerziehende, auf Rentnerinnen und Rentner. Das ist der klare Unterschied.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich will noch einmal daran erinnern: Wer eine Frage stellt, der muss die Antwort aushalten. - Jetzt hat Herr Roi die Möglichkeit zu einer Intervention. - Bitte, Herr Roi.
Daniel Roi (AfD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Dass die Fraktionsvorsitzende der LINKEN nicht bereit ist, auf unsere Intervention zu reagieren, wundert mich nicht. Ich muss Sie aber an der Stelle loben, Sie haben Ihre Rede sachlich und sehr ruhig gehalten.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Außer Ihrer Rede waren alle ruhig!)
Mir bleibt nur festzustellen: Willkommen in der Realität! Denn Sie haben festgestellt, dass die Lebensmittelpreise steigen, und ausgemacht, dass Lkw unsere Supermärkte beliefern. Aber das Problem, das dahintersteckt, haben Sie nicht benannt. Die Lkw fahren mit dem Diesel, den Sie mit Ihrer Klimapolitik verteuern. Gerade haben wir von Herrn Kosmehl gehört, dass die Lkw-Maut nach der Vorstellung der LINKEN auf alle Bundesstraßen ausgedehnt werden soll. Das würde die Lebensmittel für den kleinen Mann noch teurer machen. Das heißt also, Ihre Politik schadet vor allen Dingen dem kleinen Mann, jedem Einzelnen, der im Supermarkt Lebensmittel kaufen muss. Das muss man einmal sagen.
(Beifall bei der AfD und bei der FDP)
Dann fordern Sie, die CO2-Bepreisung auszusetzen. Vor acht Wochen saß der Klimaschwurbler Nummer eins dort hinten, wo er jetzt auch sitzt: Herr Lange - er winkt schon.
(Lachen bei der AfD)
Und nach seiner Rede zum rechtsverbindlichen CO2-Budget für die Sachsen-Anhalter sagte er noch: Ja, das müssen wir irgendwann für jeden Einzelnen haben. Das war die Aussage - Herr Lange nickt. Das ist das, was Sie wollen. Sie wollen die Menschen mit Ihrem CO2-Wahnsinn noch mehr belasten.
(Hendrik Lange, DIE LINKE: Nein!)
Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, das muss ausgesetzt werden, weil alles so teuer wird. Das hat hinten und vorn überhaupt keinen Zusammenhang, was Sie hier machen.
(Beifall bei der AfD - Hendrik Lange, DIE LINKE: Sie haben es einfach nicht verstanden! Das ist das wahre Problem! Sie haben es einfach nicht verstanden!)
Das Letzte ist: Sie haben noch gesagt, immer mehr Windräder und trotzdem teurerer Strom. - Ja, willkommen in der Realität!
(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Das ist das, was wir seit 2016 hier im Landtag gesagt haben. Die Windräder haben den Strom in Sachsen-Anhalt massiv verteuert - 20 ct mehr als in Nordrhein-Westfalen. Das ist die Realität, Frau von Angern. Ihre Politik schadet den Menschen in Sachsen-Anhalt. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl! - Hendrik Lange, DIE LINKE: Sie wollen es einfach nicht verstehen!)