Olaf Meister (GRÜNE):

Das würdest du dir wünschen, ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Meister, Sie haben das Wort, egal, was sonst so erzählt wird.


Olaf Meister (GRÜNE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das erste Mal, zumindest in der jüngeren Geschichte des Landes, stehen wir vor der Situation, dass die Landesregierung dem Landtag einen nicht ausgeglichenen Haushalt vorlegt. Ich weiß, formal steht der Ausgleich auf dem Papier. Der Finanzminister hat auch ausgeführt, dass er ausgeglichen ist. Das Ganze funktioniert aber eben nur über den magischen Trick einer globalen Minderausgabe in Höhe von 3 %. Mit diesem Mittel kann ich jeden beliebigen Haushalt immer ausgleichen. Es ist nur eine Frage, welche Zahl ich wähle.

(Guido Heuer, CDU: Das habt ihr auch gemacht!)

Bisher galt in Sachsen-Anhalt zu Recht - vom Finanzministerium mit Zähnen und Klauen verteidigt  , dass es jenseits der 2 % rechtswidrig ist. Wir hatten in der Kenia-Koalition durchaus solche Diskussionen. Dahin geht kein Weg. Darüber kommen wir nicht hinaus. Wenn es 2,01 % sind, dann könnten wir noch dieses Projekt ... - Nein! Bei 2 % ist Schluss.

Nun gibt es Achselzucken und es sind halt 3 %. Das klingt harmlos, ist es aber nicht. Es könnte jetzt ein Änderungsantrag kommen mit folgender Argumentation: Wenn es 3 % sind, warum dann nicht auch 4 %?

(Guido Kosmehl, FDP: Jetzt wird es unglaubwürdig!)

Dann hätten wir richtig Geld zum Ausgeben, ohne einen Euro mehr zu haben. - Gibt es noch irgendeine Grenze?

Ich war überrascht, dass bei der FDP gesagt wurde, wir schauen uns das an. - Nein. Wenn das beschlossen wurde, dann wurde das beschlossen. Dann schaut sich das Parlament nichts mehr an. Dann ist es im Haushaltsvollzug. Die Landesregierung entscheidet dann, was passiert. Finanzpolitisch betrachtet ist das doppelte Verplanen der Mittel in beliebiger Höhe problematisch, da wir am Ende Mittel verplanen, die wir eben nicht haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aus demokratischer Sicht ist es ein Problem, da der Landtag wissentlichen einen irrationalen Haushalt beschließt und faktisch der Landesregierung sagt, sie solle entscheiden, was sie mache; das sind Vorschläge, such dir ein Projekt aus.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Selbstentmachtung!)

Die eigentliche Aufgabe, den Haushalt vorzugeben und die Prioritäten zu setzen, wird so vom Haushaltsgesetzgeber nicht mehr wahrgenommen.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Diese Prozentzahl in Höhe von 2 % oder 3 % wirkt in der Öffentlichkeit klein. Es muss uns klar sein, dass ein Großteil des Haushaltes tatsächlich gebunden ist durch Pflichtaufgaben, durch Gehälter und dergleichen. Der wirklich frei verfügbare Teil ist ohnehin sehr klein. Insofern sind diese Prozentsätze entsprechend zu bewerten. Wir haben, nachdem bekannt wurde, dass die Landesregierung mit 3 % um die Ecke gekommen ist, den GBD beauftragt, ein Gutachten zu erstellen

(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)

und zu prüfen, ob es rechtswidrig ist. Das Gutachten haben wir noch nicht. Insofern müssen wir sehen, was kommt. Es wird aber sicherlich in nächster Zeit kommen. Man muss sich darauf einstellen, dass das in den Haushaltsdebatten tatsächlich eine Rolle spielt.

Dass die Landesregierung den Haushalt nur mittels Voodoo schließen konnte, ist bedenklich; vor allem, wenn man bedenkt, dass auch noch große Schattenhaushalte bestehen. Teile der laufenden normalen Ausgaben werden über das rein schuldenfinanzierte Corona-Sondervermögen finanziert. Die Digitalisierung der Landesverwaltung z. B. ist offiziell ein andauernder Kampf gegen Corona. Ohne Pandemie gäbe es keine Digitalisierung der Landesverwaltung. Das ist ziemlich schräg.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Guido Kosmehl, FDP: Das ist so! Wo gab es denn die Digitalisierung vorher? Sie haben es jedenfalls nicht gemacht!)

- Herr Kosmehl, das müssen Sie dann einmal offiziell behaupten, dass wir ohne Pandemie keine Digitalisierung der Landesverwaltung hätten. Das ist eine interessante Aussage.

(Zustimmung - Lachen - Zurufe)

- Haben Sie gesagt. Sollte jetzt aber die Situation eintreten, Herr Kosmehl, dass wir nach dem Ende des Sondervermögens im Jahr 2028 - das ist der übernächste Haushalt - doch noch etwas mit der Digitalisierung zu tun haben - das ist eine verrückte Idee, könnte aber sein  , dann trottet diese Aufgabe zurück in den ganz normalen Landeshaushalt,

(Guido Kosmehl, FDP: In den 19er!)

der dann wohl so aussieht, wie er hier vorliegt. Wie wollen Sie das finanzieren?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ein weiterer Schatten wird neu installiert. Bisher ließen wir uns graue Haare wachsen, wie wir aus dem Haushalt heraus die nötigen baulichen Investitionen stemmen. Das war ein beliebtes Thema in den Debatten. Jetzt kommt die IPS GmbH und wir finanzieren diese Investitionen schlicht über Verschuldung. Das sind die 119 Millionen €, die der Finanzminister ansprach. Ich will das nicht in Bausch und Bogen verdammen. Je nach Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und mit einer Kontrolle des Landtages kann das ein sinnvoller Weg sein. Die so über Verschuldung generierte Entlastung des Haushaltes ist natürlich trotzdem eklatant. Trotzdem ist er nicht ausgeglichen.

Weitere Probleme sind offenkundig. Trotz ausgeurteilter Rechtslage - das ist wirklich unverständlich - sind Gelder für Ansprüche der freien Schulen nicht eingestellt worden. Das ist wirklich eine sehr alte Kamelle. Das wussten wir alle.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Das Entlastungspaket des Bundes wird nicht spurlos an uns vorbeigehen. Der Finanzminister hat etwas zur Einschätzung gesagt - es herrschte große Begeisterung im Haus, wie den Pressemitteilungen entnehmen war - zu der Frage der Verlängerung der Senkung der Mehrwertsteuer. Dazu gab es auch schon begeisterte Äußerungen der Landesregierung. Frau Hüskens habe ich dazu vernommen. Ich habe dafür viel Verständnis. Das kostet aber 38 Millionen €, und zwar jedes Jahr.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dann schreibt es bitte in den Haushalt, nicht in Pressemitteilungen. Das müsst ihr in den Haushalt schreiben, sonst hat es keinen Sinn.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Insgesamt macht mir die erhebliche und wachsende Differenz zwischen Ausgabenwünschen, Erfordernissen und der tatsächlichen Finanzlage Sorgen. Der Minister hat zu Recht hingewiesen auf die schwierige gesamtwirtschaftliche Lage und die gesamtgesellschaftliche Lage. Es gibt letztlich drei Möglichkeiten, mit denen man reagieren kann. Das eine sind Einnahmeerhöhungen, das andere ist eine Verschuldung und das Dritte sind Ausgabesenkungen.

Die Möglichkeiten zur Einnahmenerhöhung liegen für einen Landeshaushalt eher im kleinen und mittleren Bereich. Sie sind vorhanden, aber sehr unpopulär, weil man dann von den Leuten mehr Geld nimmt. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Koalition die Kraft dazu aufbringen will und kann. Die Verschuldung wird über die Schattenhaushalte - ich hatte es erwähnt - recht kreativ betrieben. Das reicht aber offensichtlich nicht aus.

Damit bleibt vor allem das mühsame Feld der Ausgabensenkungen. Dafür müsste man den beschwerlichen Weg von Aufgabenkritik in den einzelnen Bereichen gehen und sich fragen: Passt die Personalstruktur noch zu den Aufgaben? Sind Dinge verzichtbar oder einfacher zu erledigen und welche Folgen hat das?

Wir haben den Einstellungsstopp mit der Brechstange gesehen. Ich glaube, Kollegin von Angern hat geschildert, dass die Neueinstellungen dann vorgezogen werden. Das hat natürlich keinen Effekt. Tatsächlich brauchte man dafür einen langen Atem. Das ist sehr anstrengend und zeitaufwändig. Es gibt dafür auch keinerlei schöne Pressemitteilungen oder gar Applaus. Ich sehe dafür keinerlei auch nur im Ansatz ernsthaft betriebene Bemühungen. 

Von diesen drei Möglichkeiten wählt die Landesregierung die vierte: magische Geldvermehrung über die Erhöhung der globalen Minderausgaben. Das ist für die Menschen schwer zu durchschauen. Wenn es gegen den Baum geht, dann steht es erst in der Jahresrechnung, für die sich niemand so richtig interessiert. Die daraus folgenden Belastungen treffen die Zukunft, also die nächsten Haushalte über Zinslasten usw.

Mit diesem die finanzpolitische Realität nicht wiedergebenden Haushalt ist jetzt schwer umzugehen. Wie soll das Parlament jetzt die Arbeit der Landesregierung erledigen? Unser Haushaltsverfahren ist eigentlich nicht dafür ausgelegt, den Haushalt grundsätzlich neu zu erarbeiten, wenn man jetzt auf 2 % heruntergeht. Ich habe in der Presse gesehen, dass die CDU durchaus Bedenken hat bezüglich der 3 %. Es ist eine enorme Aufgabe, das jetzt im Rahmen der normalen Beratungen im Ausschuss in den Haushalt einzupreisen. Ich sage es nur. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Im Prinzip müsste die Landesregierung, wenn sie es schon nicht neu einbringt, zumindest eine Ergänzung vorlegen, mit der sie den Haushalt nun erst einmal rechtskonform darstellt. Die Koalition müsste bereit sein, aus dem Modus „höher, schneller, weiter - wir machen es allen recht“ herauszufinden. Das ist total schmerzhaft. Ich habe die Mehrwertsteuer erwähnt. Es wäre schön, sie zu senken. Es kostet aber.

Bei der FDP fallen mir immer die Sportgutscheine ein. Das ist eine total nette Maßnahme. Wenn man es über Verschuldung finanziert, ist es keine gute Maßnahme. Dann ist das nicht gut. Dann sollte man das nicht machen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Guido Kosmehl, FDP: Die sind nicht über Schulden finanziert!)

- Na ja, bei 3 % GMA wissen Sie das nicht. Das wissen Sie nicht!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Angesichts der diversen gleichzeitig zu lösenden Krisen brauchen wir durchaus eine leistungsfähige öffentliche Hand, die in der Lage ist, die Transformation so zu gestalten, dass die Gesellschaft zusammensteht, z. B. bei der Schulsozialarbeit. Die Ausgaben, die wir dafür tätigen, sind richtig. Wir brauchen dafür auch eine Option    


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Meister, kommen Sie bitte in die Einflugschneise zum letzten Satz.


Olaf Meister (GRÜNE):

Oh! Das ist aber wirklich gemein mit dem Gerät hier. Ich prangere das an.

(Lachen - Andreas Silbersack, FDP: Es ist aufgegessen!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es ist definitiv zu spät, Herr Meister, jetzt damit anzufangen.


Olaf Meister (GRÜNE):

Ein Haushalt muss also Prioritäten setzen. Ich hätte jetzt noch ein bisschen dazu ausgeführt, wohin wir die Prioritäten führen wollen. Das werden wir dann im weiteren Verfahren sehen.

Ich habe mich wirklich gefragt, ob man den Haushalt so einfach überweisen kann. Denn es wurde ein ziemlicher Kloß vorgelegt. Wir wollen uns aber natürlich der Diskussion nicht verweigern. Wir stimmen der Überweisung des Haushalts zu.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Guido Kosmehl, FDP: Oh!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt gibt es noch eine Chance, weil Herr Ruland Ihnen eine Frage stellen möchte. Wollen Sie diese beantworten?


Olaf Meister (GRÜNE):

Aber gern.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Offensichtlich gern. - Herr Ruland, Sie haben jetzt die Chance.


Stefan Ruland (CDU):

Vielen Dank, lieber Kollege Meister, dass Sie die Frage beantworten möchten. Die stelle ich Ihnen auch stellvertretend für alle Oppositionsparteien, die schon gesprochen haben. Denn ich hatte das Gefühl, Sie verkennen das Verfahren, obwohl Sie durchaus eine längere parlamentarische Historie als ich haben. Wir haben heute hier einen Regierungsentwurf erhalten. Es wurde mehrfach gesagt - auch Sie haben davon gesprochen  , dass die Koalition das nicht hinbekommt und dass deswegen die 3 % GMA darin stehen. Akzeptieren Sie Tatsache, dass wir heute mit dem parlamentarischen Verfahren beginnen, und es nicht zutreffend vorhersehbar ist, wie es am Ende ausgeht? - Meine Erfahrung in der kurzen Zeit, die ich bisher dabei sein durfte, ist die, dass kein Gesetz - gerade nicht das Haushaltsgesetz - in diesem Parlament so beschlossen wird, wie es eingebracht wurde.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Olaf Meister (GRÜNE):

Ja, ich hatte erwähnt, welcher Aufwand das ist. Wenn man jetzt sagt, man geht von 3 % auf 2 % herunter, streicht also 150 Millionen € einfach so, ohne dass wir als Parlament den direkten Zugang zur Exekutive haben, dann ist das schwierig. Tatsächlich sind es drei Fraktionen im Landtag, die die Koalition tragen, die die Regierung tragen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Man merkt es nicht immer!)

In der Vergangenheit war es so, dass man Minister hatte, mit denen man das besprechen konnte. Dieser Haushalt soll wohl so durchs Kabinett gegangen sein.

(Zustimmung - Lachen)

Also das ist das übliche Verfahren. Wenn es also massive Bedenken gibt, dann wäre es denkbar gewesen, dass man mit den eigenen Leuten, die man in der Regierung hat, spricht und sagt: Pass auf, so nicht.

(Guido Kosmehl, FDP: Oh! - Sebastian Striegel, GRÜNE: So haben wir es jedenfalls mit unserer Ministerin getan!)

- Na ja, es wäre die Aufgabe gewesen, das zumindest zu verdeutlichen. Die Frage ist, ob eine Landesregierung bereit ist, einen Haushalt einzubringen, von dem sie weiß, dass sie nicht einmal in der eigenen Koalition eine Möglichkeit hat, eine Mehrheit zu bekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine vernünftige Landesregierung würde das nicht wagen. So weit ging es nicht. Insofern kommt das herein. Die Sorge, dass sich das jetzt durchschleppt, ist naheliegend. Aber wir werden es sehen.