Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Abg. Tarricone, schönen Dank für das freundliche Lob. Wir sind an dieser Stelle einer Meinung, dass hier in der Tat ein unglaublicher Schatz liegt, den wir heben müssen.

(Guido Kosmehl, FDP: In vielen Bereichen!)

Das tun wir in der Tat auch erfahrungsgemäß, jedenfalls in der Wissenschaftslandschaft Sachsen-Anhalt.

Meine Damen und Herren! Für manche mag der Sommer recht nass gewesen sein. In Spanien, Griechenland und der Türkei haben wir katastrophale Starkregenfälle erlebt. Zugleich gelten die Sommermonate Juni bis August weltweit als die heißesten seit dem Beginn der Aufzeichnungen. Es gibt also Extremwetterereignisse.

In dieser Situation steht die Menschheit vor einem Paradigmenwechsel im Umgang mit der Natur. Dazu zählen auch innovative Verfahren, die nachhaltiger als bisher genutzt werden sollen, insbesondere in Bezug auf unsere biologischen Ressourcen. Die Bioökonomie und die Biotechnologie können dazu einen maßgeblichen Beitrag leisten. Das gilt insbesondere für biotechnologische Forschung, auch und gerade im Bereich der Agrarwissenschaften oder im Bereich übriger biologischer Ressourcen.

Die Bedeutung von Pflanzen wurde gerade schon herausgestellt. Ich darf das an dieser Stelle abkürzen, will aber darauf hinweisen, dass es die sich rasch ändernden Witterungs- und Klimaverhältnisse einfach erfordern, Kulturpflanzen schnell und gezielt an künftige Bedingungen anzupassen, um Erträge und damit eine umfassende Versorgung der Bevölkerung zu sichern.

Deshalb möchte ich für einen verantwortungsbewussten Umgang, aber auch für die Potenziale der Bioökonomie werden. Eine immense Chance liegt in den Ressourcen neuer genomischer Verfahren, mit welchen sich Pflanzen auf sehr präzise und effiziente Weise züchten lassen. Sie werden widerstandsfähiger gegen Dürren und andere extreme Klimaereignisse. Sie brauchen weniger Düngemittel und Pestizide. Sie sind resistenter gegen Krankheiten und ermöglichen höhere Erträge. Das alles dient dem Ziel der Nachhaltigkeit.

Nun haben wir eine ganz besondere Situation zu verzeichnen. Frau Abg. Tarricone hat soeben darauf hingewiesen, welche besondere Bedeutung vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung ausgeht, das wir liebevoll IPK nennen und das gestern übrigens seinen 80. Geburtstag gefeiert hat. Es hat ihn verbunden mit dem Wechsel im Direktorenamt. Herr Prof. Graner, der das IPK über viele Jahre hinweg geprägt hat, ist ausgeschieden. Herr Prof. Wirén, sein Nachfolger, wurde in das Amt eingeführt. Ihn darf ich an dieser Stelle ganz herzlich willkommen heißen in diesem neuen Leitungsamt.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Ich freue mich, dass wir jemanden gewinnen konnten, der schon über übergroße Erfahrungen mit der Arbeit im IPK verfügt.

Aber es gibt noch mehr. In Halle gibt es das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie, ebenfalls eine Einrichtung, die sich maßgeblich auf dem Gebiet der neuen Züchtungsmethoden engagiert. Gemeinsam mit diesen exzellenten Forschungseinrichtungen kann es selbstverständlich gelingen, in Sachsen-Anhalt verantwortungsbewusste und innovative Lösungen für die Nahrungsmittelproduktion, also auch für unsere Ernährungswirtschaft - immerhin einer der wichtigen Wirtschaftszweige hier im Lande - zu entwickeln.

Das IPK in Gatersleben etwa betreibt mit Blick auf Kulturpflanzen entsprechende Grundlagenforschung. Aktuelle Forschungsprojekte widmen sich intensiv den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und die Steigerung der Widerstandsfähigkeit z. B. bei Gerste, Weizen, Mais und Raps oder bei den sogenannten vergessenen Kulturpflanzen Bohne, Linse und Kichererbse. Ganz zentral sind dabei eine verbesserte Trocken- und Hitzeresistenz sowie die Anpassung an Extremwetterereignisse.

Die Züchtungen, auf die Frau Abg. Tarricone schon hingewiesen hat, sind beim IPK legendär. Sie sind weltweit anerkannt. Ertragreichere Gerstensorten spielen hierbei eine besondere Rolle. Aber auch eine alte ostasiatische Wildgerste gehört zum Portfolio. Sie besitzt eine Resilienz gegen das Gelbmosaikvirus, einem bedeutenden Krankheitserreger in der Landwirtschaft.

Das IPK legt insoweit bereits heute die genetischen Grundlagen für neue Züchtungen und übergibt die Ergebnisse dann an Einrichtungen wie das Julius Kühn-Institut. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung werden in Anwendung gebracht.

Sachsen-Anhalt fördert das Leibniz-IPK mit rund 11 Millionen €, der Bund mit fast 19 Millionen €. 3,7 Millionen € kommen aus anderen Bundesländern. 15,3 Millionen € sind aus Drittmitteln. Selbstverständlich müssen diese Züchtungsmethoden konsequent überwacht werden. Sie dürfen aber nicht verhindert werden. Das ist genau das Anliegen des Antrages.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU)

Bei dieser Überwachung gilt selbstverständlich, wirtschaftliche, ökologische und soziale Auswirkungen stets in ein Verhältnis zum angestrebten Nutzen zu setzen. Mit diesen Herausforderungen hat sich auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina im Lande befasst, und zwar im Jahr 2019. Warum eigentlich? - Weil es im Jahr 2018 eine besonders restriktive Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gab in Bezug auf die Anwendung neuer genomtechnischer Verfahren und diese im Grunde die Wissenschaft in Deutschland auf den Plan gerufen hat, sie brauche einfach mehr Freiheit.

Deshalb gibt es eine Stellungnahme der Leopoldina unter dem Titel „Wege zu einer wissenschaftlich begründeten, differenzierten Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU“. Diese Stellungnahme wurde von der Leopoldina, der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gemeinsam herausgegeben. Sie hat maßgeblich eingewirkt auf das, was sich jetzt geändert hat: Im Jahr 2023 gab es die neue Einschätzung der Europäischen Kommission, dazu an dieser Stelle mehr zuzulassen und mehr zu erlauben. Frau Abg. Tarricone hat das erwähnt.

Ein wichtiger Bestandteil dabei ist die sogenannte Genschere, die CRISPR/Cas-Methode, auf die in der EU nicht mehr Gentechnikregeln angewandt werden, wenn dadurch entstandene Sorten auch ohne Gentechnik auf natürliche Weise hätten entstehen können, z. B. durch Kreuzung und Auslese. Es ist einfach unsinnig, ein solches Produkt nur wegen der Methode nicht zuzulassen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Fortschritt. Er ist jedenfalls im Dienste der Wissenschaft und im Dienste der Landwirtschaft sowie unserer Ernährungswirtschaft.

(Zustimmung bei der SPP, bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es geht um einen zeitgemäßen Rechtsrahmen für Gentechnik. Diesen Prozess sollten wir konstruktiv begleiten. Wir können das mit der exzellenten Expertise, die im Lande in unseren Forschungseinrichtungen besteht, auch dank des Sitzes der Leopoldina in Halle an der Saale. Und wir können es, weil es erstklassige Erkenntnis in diesem Zusammenhang aus dem Lande gibt.

Ich glaube, es ist an der Zeit, einen entspannteren Umgang mit Gentechnik zu erhalten. Wir werden uns dem jedenfalls nicht verschließen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Prof. Willingmann. - Frau Frederking? Das war ganz knapp.

(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)


Dorothea Frederking (GRÜNE): 

Es sollen nur die gentechnisch veränderten Pflanzen nicht mehr unter die Gentechnikrichtlinie fallen, bei denen bis zu 20 Eingriffe in das Erbgut stattfinden. Wie bewerten Sie diese aus meiner Sicht willkürliche Einteilung? Bei bis zu 20 Eingriffen ist es eine Züchtung, ab 21 Eingriffen nicht. Wieso soll das zu einer Beschleunigung beitragen?


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Zu einer Beschleunigung trägt das Verfahren an sich bei. Man kann tatsächlich - darin haben Sie völlig recht - darüber streiten, ob der 21. Eingriff nicht mehr zulässig sein soll. Aber entscheidend ist im Moment die Dynamik im Prozess.

Ich will Ihnen ehrlich sagen: Wir haben im Jahr 2018 nicht damit gerechnet, dass der EuGH so derart restriktiv entscheidet und damit die deutsche Wissenschaft auf den Plan ruft. Jetzt, fünf Jahre später, haben wir eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung darüber geführt. Nun versucht die Politik, versucht die Europäische Kommission, sich mit langsamen Schritten einem liberaleren Weg zu öffnen.

Deshalb will ich an dieser Stelle nicht richten über die Einschränkung, die in diesem liberaleren Weg liegt, sondern zunächst begrüßen, dass wir uns in diese Richtung bewegen.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der CDU und bei der FDP)