Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Gestern war der Presse zu entnehmen, wie die aktuellen Verfahrensstände beim geplanten Ausbau des Flughafens Leipzig-Halle sind. Nun ist es so, dass Sachsen seit längerer Zeit einen Fluglärmbeauftragten eingesetzt hat. Inzwischen werden auch mobile Messungen von Fluglärm in Sachsen vorgenommen. Das Problem ist, dass die Landesregierung hierzulande bisher immer abgewimmelt und gesagt hat, der größte Teil liegt in Sachsen. Außerdem haben die mehr Anteile als Sachsen-Anhalt.
(Guido Kosmehl, FDP: Das stimmt!)
Aber 50 % Fluglärm liegen in Sachsen-Anhalt, und es werden immer mehr Menschen betroffen sein.
Daher die Frage: Was wird die Landesregierung nun endlich unternehmen, um die Menschen vor Ort besser vor Fluglärm zu schützen, und wird sie Maßnahmen ergreifen, damit Betroffene wissen, wohin sie sich wenden können, statt die Kommunen vor Ort allein vor sich hindümpeln zu lassen?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Herr Ministerpräsident.
Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):
Frau Abgeordnete, der einzige Ministerpräsident, der sich bisher mit der kommunalen Familie im Umfeld des Flughafens getroffen hat, bin ich. Ich bin vor einigen Wochen dort gewesen und habe dort mit der Flughafenspitze und den kommunalen Vertretern, sowohl auf sächsischer Seite als auch und vor allen Dingen mit unseren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern dort, gesprochen. Wir haben dort bestimmte Dinge, die Sie gerade angesprochen haben, nicht nur erläutert, sondern haben auch bestimmte Dinge vereinbart.
Ja, es ist richtig, der Flughafen gehört - ich nenne einmal runde Zahlen - zu 80 % nach Sachsen. Wir wissen, wo die Gewerbesteuer von DHL usw. im Wesentlichen aufläuft, nämlich in Schkeuditz, und kennen die normalen Verteilmechanismen, wie das bei uns am Beispiel Leuna ebenfalls der Fall ist, im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes. Darauf will ich jetzt nicht eingehen. Zumindest die Erträge sind erst einmal aufgrund dessen, dass es irgendwo ein Sitzland geben muss und das Steuerrecht den Rest vorschreibt, in Sachsen.
Wir sind aber bezüglich der Nutzung und der festgelegten Flugrouten, je nach, sagen wir einmal, Saison bzw. entsprechender wirtschaftlicher Phase - während Corona war das anders, als es aktuell wieder ist , von 50 % bis 70 %, teilweise sogar 80 % des Fluglärms betroffen. Das ist so.
Ich bin oft genug dort. Ich übernachte dort ab und zu, z. B. wenn wir beim „Festspiel der deutschen Sprache“ in Bad Lauchstädt sind. Ich weiß, dass dort ab 3 Uhr nichts mehr geht bzw. dass bestimmte Dinge dort wirklich eine Zumutung sind. Es hat bis zum Jahr 2010 ein Förderprogramm seitens des Flughafens gegeben - ich glaube, da sind damals auch Bundesmittel hineingeflossen , um entsprechende Lärmschutzmaßnahmen zu realisieren, d. h. die Fenster so zu verglasen, dass man den Dauerschallpegel entsprechend senken kann, bzw. Ventilatoren einzubauen, um in heißen Sommernächten noch irgendwie ein vernünftiges Leben zu gewährleisten. Das Problem ist bekannt, das ist richtig.
Der Fluglärmbeauftragte ist übrigens für das Gesamtsystem des Flughafens, sozusagen als innere Struktur, gesetzt. Ja, der Vorsitzende kommt aus Sachsen. Der Stellvertreter kommt aber von uns. Mit dieser Gruppe steht inzwischen ein Termin. Ich kannte Ihre Anfrage vorher nicht, sonst hätte ich Ihnen den Termin schon nennen können, zu dem ich mich mit den Fluglärmbeauftragten, mit der Gruppe, in der Staatskanzlei zusammensetze, um weitere Maßnahmen zu besprechen und zu klären, wie bestimmte Dinge auch mit dem Flughafen selbst zu organisieren und, was die Weiterentwicklung anbelangt, zu kanalisieren sind. Denn, wie gesagt, es ist eine Grenze erreicht, die auf jeden Fall dahin gehend gedeckelt werden muss, dass es dort nicht zu weiteren unbilligen Belästigungen und Härtefällen kommt.
Eine andere Sache ist: Was ist der wirtschaftliche Ertrag? Es muss weiterhin darüber geredet werden, wie wir mit unseren Gesellschaftsanteilen dort steuernd Einfluss nehmen, in welcher Form wir neben dem Steuerrecht etwas für die Kommunen, die dort in der Schneise liegen, beibringen können. Dazu müssen wir Überlegungen anstellen. Es ist nicht damit getan, dass man - wie man sich das in Sachsen so denkt - mal einer Kommune ein Schwimmbad spendiert. Es geht um die Lebensqualität der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger; darum müssen wir uns kümmern.
Wie gesagt: Ich habe mir dieses Thema selbst auf den Tisch gezogen - nicht weil es eine Sache ist, die nicht auch bei uns in der Landesregierung von den einzelnen Ministerien - einschließlich der Aufsichtsratsbesetzung - klar strukturiert wahrgenommen wird, sondern weil es sich auch um ein psychologisches und politisches Thema handelt, das mit Blick auf die aktuelle Situation in Deutschland von uns ernsthaft behandelt werden muss. Demzufolge muss alles, was dort an Entwicklungen in Aussicht gestellt worden ist, vor dem Hintergrund der Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger vor Ort betrachtet werden.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Frau Eisenreich, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte.
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Eine ganz kleine Korrektur - darauf bezog sich meine eigentliche Frage : Die Gespräche, die Sie führen wollen, betreffen die Fluglärmkommission. Da gibt es den Vorsitzenden aus Sachsen und einen Stellvertreter aus Sachsen-Anhalt. Aber die Landesregierung in Sachsen hat einen eigenen Fluglärmbeauftragten, der sitzt im Wirtschaftsministerium. Das ist für mich eine Ansprechstelle, an die sich alle wenden können. Ich habe ganz viel Kritik an seiner Arbeit, aber ich glaube, das ist das, was hier im Land fehlt.
Ich habe jetzt leider in Ihren Ausführungen keinerlei konkrete Vorschläge oder Maßnahmen gefunden, die den Menschen ein bisschen Hoffnung geben, dass ihr Leiden - so nenne ich es tatsächlich; denn das, was die Menschen dort erleben, geht wirklich auf die Gesundheit - ein bisschen gemildert wird, dass ihnen zumindest ein bisschen mehr Verständnis dafür bei der Landesregierung zuteilwird.
Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):
Was Sie aus meinen Worten herauslesen, sei Ihnen überlassen. Ich sage nur eines: Unabhängig davon, ob man dort eine weitere Position besetzt oder nicht oder ob eine Landesregierung das insgesamt auf der Ebene des Ministerpräsidenten koordiniert, wahrnimmt und versucht, dort Hilfen zu leisten - all das ist ein nach Bundesrecht und nach Europarecht, vor allen Dingen aber nach Bundesrecht, genehmigtes System Flughafen Leipzig/Halle oder Halle/Leipzig, wie wir es selbstbewusst und auch von der historischen Seite her nennen. Daran hängen viele Zehntausende direkte und indirekte Arbeitsplätze. Das ist ein Wirtschaftsfaktor, der bezüglich aller Investitionen, die in Sachsen, in Thüringen und in Sachsen-Anhalt laufen, eine wesentliche Relevanz hat, sodass man diese Dinge nicht auf der Landesebene mit einem Schalter in diese oder jene Richtung drehen kann.
Es geht vielmehr darum, dass wir diesen Prozess in der Entwicklung vernünftig begleiten. Wenn ich als Ministerpräsident sage, das werde ich mit meinem Kabinett, mit meiner Landesregierung vernünftig und verantwortungsbewusst tun, dann ist - das können wir gleich vereinbaren - der Lärmschutzbeauftragte in Person der Ministerpräsident plus die beiden zuständigen Minister, die dabei vielleicht eine Rolle spielen könnten. Höher kann man es nicht anbinden.
Wir wollen das auf unserer Ebene klären und wollen es nicht nur im Apparat oder sozusagen in irgendeiner Art und Weise im Organigramm wiederfinden. Denn in Sachsen passiert nichts anderes als bei uns. Wir können das im Prinzip steuernd beobachten in den Aufsichtsräten. Meine Ministerin und mein Minister, die beide darin sitzen, können das dort über die Investitionen, die Flugpläne und all die Expansionsaktivitäten vor dem Hintergrund des geltenden Rechts und der Grenzwerte, die existieren, im Blick behalten und kontrollieren, vor allen Dingen - und darum geht es , weil das geltende Recht umgesetzt wird.
Trotzdem muss geltendes Recht nicht immer heißen, dass es für jeden eine akzeptable Situation im persönlichen Umfeld darstellt. Das ist Politik. Um diese politische Komponente und diese Auswirkung wollen wir uns gezielt weiterhin kümmern. Deswegen können Sie gern in späteren Landtagssitzungen nachfragen, was wir gemacht haben. Zumindest der Termin mit den Verantwortlichen, wie ich ihn in Schkeuditz vereinbart habe, steht.
(Beifall bei der CDU und bei der SPD)