Tagesordnungspunkt 7

Beratung

Einsetzen von Hauswirtschafterinnen in den Frauenhäusern

Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/2810

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2825


Einbringen wird den Antrag Abg. Herr Pott. - Herr Pott, bitte.


Konstantin Pott (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir werden unter diesem Tagesordnungspunkt über ein Thema sprechen, dass in der jüngeren Vergangenheit durchaus ein bisschen mehr an Aufmerksamkeit bekommen hat, nämlich die Arbeit der Frauenhäuser.

Bevor ich inhaltlich zum Antrag und generell zur Situation spreche, möchte ich mich zunächst einmal bei allen Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern in Sachsen-Anhalt für ihre Arbeit bedanken, die leider immer mehr benötigt wird und in den Fokus rückt. Trotzdem muss das an dieser Stelle erwähnt werden.

(Zustimmung bei der FDP, von Sandra Hietel-Heuer, CDU, und von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

Frauenhäuser sind der Schutzort für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder.

(Unruhe)

Sie leisten Beratungsangebote und helfen den Betroffenen, einen Weg zurück ins alltägliche Leben zu finden. Teilweise gerät dabei aber die sozialpädagogische Arbeit etwas in den Hintergrund. Denn die Sozialarbeiterinnen und Pädagogen sind von einer Doppelbelastung betroffen. Gerade die Unterstützung bei hauswirtschaftlichen Aufgaben wird dabei immer wieder erwähnt.

Bevor ich näher auf den Inhalt unseres Antrags eingehe, müssen wir jedoch einen traurigen und besorgniserregenden Fakt ansprechen: die steigende Anzahl an von häuslicher Gewalt betroffener Frauen. Gewalt ist immer schlimm, liebe Kolleginnen und Kollegen, egal an welcher Stelle und gegen wen sie gerichtet ist. Besonders dramatisch ist sie allerdings, wenn sie in den eigenen vier Wänden erlebt wird - an dem Ort, welcher ein eigentlich ein sicherer Rückzugsort sein sollte.

Häusliche Gewalt meint dabei sexuelle, emotionale, soziale, physische und psychische Gewalt im familiären oder partnerschaftlichen Setting.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Pott, einen Augenblick bitte. - Auch wenn die Parlamentarischen Geschäftsführer etwas zu klären haben, wäre es nett, wenn sie sich dann bitte nach draußen begeben würden.

(Zuruf von Markus Kurze, CDU - Zuruf: Und Frau Frederking!)

- Wie bitte?

(Zuruf: Und Frau Frederking!)

- Und Frau Frederking. - Wenn es an mehreren Stellen zu Einzelgesprächen kommt - selbst wenn der Einzelne sehr leise redet oder glaubt, sehr leise zu reden; das gibt es ja auch - doppelt es sich so weit, dass es für den Redner und für die Zuhörer dann wirklich schwierig wird. - Bitte, Herr Pott.


Konstantin Pott (FDP):

Vielen Dank. - Die Daten zeigen ein klares Bild. Im ganzen Bundesgebiet ist die Anzahl an Delikten in diesem Bereich im Jahr 2022 gestiegen; einzig Bremen verzeichnete einen Rückgang. In Sachsen-Anhalt ist ein Steigerungswert in Höhe von 9,6 % im Vergleich zum Jahr 2021 verzeichnet worden. Für das Jahr 2022 ergeben sich somit 7 329 Delikte im Bereich der häuslichen Gewalt. Die Dunkelziffer dürfte deutlich über diesem Wert liegen.

Jeder Fall ist ein Fall zu viel. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass das Auftreten häuslicher Gewalt als größtes Gesundheitsrisiko für Frauen einzustufen ist. Es betrifft alle Frauen; abseits ihres Alters, ihrer Nationalität und ihres sozialen Status‘. Wir müssen betroffene Frauen vor Gewalt schützen. Das geht auch aus der Istanbul-Konvention hervor, zu der sich Deutschland verpflichtet hat. 

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Bevor ich vertiefend auf die Arbeit von Frauenhäuser eingehe, möchte ich mich kurz der Istanbul-Konvention zuwenden. Am 1. Februar 2018 trat das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, für Deutschland in Kraft und somit auch die Verpflichtung, auf allen Ebenen Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, den Betroffenen Schutz und Unterstützung zu gewährleisten und das Auftreten von Gewalt zu verhindern.

Ziel der Konvention ist, schlussfolgernd, der Schutz für Frauen vor Gewalt, aber gleichzeitig auch die Stärkung der Gleichstellung der Geschlechter und das Recht der Frauen auf ein Leben ohne Gewalt. 

Auch wir Freie Demokraten verfolgen das Ziel, die Istanbul-Konvention flächendeckend umzusetzen und Frauen umfangreich vor auftretender Gewalt zu schützen. Dies meint eine vertiefende Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern. Innerhalb der Istanbul-Konvention und auch im allgemeinen Verständnis ist es wichtig, dass häusliche Gewalt verhindert wird. Es ist wichtig, sich dieser Thematik bewusst zu sein und zu realisieren, wie traurig es eigentlich ist, dass wir immer noch in diesem Land Frauenhäuser benötigen und diese an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

(Zustimmung bei der LINKEN, von Elrid Pasbrig, SPD, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Leider ist häusliche Gewalt etwas, was wir vermutlich nie zu 100 % vermeiden können. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass es künftig keine häusliche Gewalt mehr geben wird. Das lässt sich bereits aus den stets vermuteten Dunkelziffern ableiten. 

Es muss uns aber bewusst werden, dass Frauenhäuser in der Vergangenheit wichtig waren, aktuell wichtig sind und auch in Zukunft wichtig sein werden.

(Zustimmung bei der FDP und von Dr. Falko Grube, SPD)

Daher müssen wir sie auch unterstützen und uns für eine Stärkung der Frauenhäuser und solchen Einrichtungen einsetzen.

Es ist selbsterklärend, dass die Frauenhäuser die wohl wichtigsten Anlaufpunkte zur Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder darstellen. Sie sind Anlaufpunkte für Betroffene, sie leisten wichtige Beratungsangebote, unterstützen die Frauen im Alltag oder helfen ihnen dabei, einen geordneten Alltag wieder zu erlernen.

Frauenhäuser bieten gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern eine geschützte Unterkunft, Beratung und Begleitung, und das 24 h am Tag an sieben Tagen in der Woche und an 365 Tagen im Jahr. 

Sie sind Einrichtungen für akut von Gewalt betroffene oder von Gewalt bedrohte Frauen. Demografische Faktoren wie Alter, Einkommen, Aufenthaltsstatus, sexuelle Orientierung oder Herkunft spielen dort keine Rolle. Die genauen Standortadressen sind in der Regel anonymisiert, um die betroffenen Frauen bestmöglich zu schützen.

Doch wie gestaltet sich die Situation der Frauenhäuser in Sachen-Anhalt? - Es gibt insgesamt 19 Frauenhäuser sowie 18 Frauenberatungsstellen. Es ist jedoch eine deutliche Konzentration auf die Städte ersichtlich; das ist nicht nur in Sachsen-Anhalt der Fall, sondern im gesamten Bundesgebiet, das ist in anderen Bundesländern zu beobachten. Die Angebote im Land sind zentrumsbasiert. Der ländliche Raume ist von großen Distanzen zu den jeweiligen Einrichtungen geprägt.

Wird die Finanzierung der Frauenhäuser genauer betrachtet, zeigt sich in Sachsen-Anhalt, dass seit dem Jahr 2014 ein Aufwuchs der finanziellen Mittel zu beobachten ist. Das zeigt das gestiegene und gewachsene Problembewusstsein, aber leider auch den Anstieg bei der Anzahl der Fälle.

Generell ist die Finanzierung der Frauenhäuser komplex. Sie basiert auf der Landesförderung und auf kommunalen Mitteln. Eine weitere Finanzierungsquelle sind die Eigenanteile der Frauen, die einen Platz in einem Frauenhaus aufsuchen, aber auch Spenden.

Wie stellt sich momentan die Auslastung in den Frauenhäusern Sachsen-Anhalts dar? - Es zeigt sich, dass die Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt ausgelastet sind, in den meisten Fällen zu 100 %. Es ist nicht verwunderlich, dass damit auch die dort arbeitenden Fachkräfte entsprechend ausgelastet, wenn nicht sogar teilweise überlastet sind. 

Wie ich eingangs erwähnte, ist es nicht selten der Fall, dass sich die Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen in den Frauenhäusern durch die fachliche Arbeit auf der einen Seite und die anfallenden hauswirtschaftlichen Aufgaben auf der anderen Seite mit einer Doppelbelastung konfrontiert sehen. Auch das bindet natürlich zeitliche Ressourcen und Kapazität. Es stellen sich z. B. Arbeiten innerhalb des Hauses, möglicherweise im Gartenbereich oder sonstige kleinere Reparaturen. Aber auch Kochen oder Einkaufen zählen zum Aufgabenbereich sowie die Kontrolle der Zimmer bei Neubezug oder Auszug der Frauen. Insofern ist klar, dass die fachbezogene Unterstützung unter dieser doppelten Belastung leidet. 

Einige Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt verfügen bereits über Hauswirtschafterinnen, deren Stellen aber nicht vollfinanziert sind. Die Träger müssen somit einen finanziellen Eigenanteil leisten. Ich möchte noch einmal erwähnen, dass die Möglichkeit, Drittanbieter zu beauftragen, nicht gegeben ist. Aufgrund der teils traumatischen Erlebnisse der Frauen sollten in Frauenhäusern auch nur Frauen arbeiten. 

Mithilfe dieses Antrages möchten wir dieser Doppelbelastung entgegenwirken. Ebenso wollen wir die Frage der Finanzierung für die Stellen der Hauswirtschafterinnen klären. Um die pädagogische Arbeit bestmöglich zu gewährleisten und die Fachkräfte zu entlasten, brauchen wir Hauswirtschafterinnen. Für deren Einsatz soll es eine Staffelung geben: Frauenhäusern ab vier Plätzen sollen 0,5 Vollzeitäquivalente zur Verfügung gestellt werden, Frauenhäusern mit sechs Plätzen sollen 0,75 Vollzeitäquivalente zur Verfügung stehen. Frauenhäusern mit acht und mehr Plätzen sollen über mindestens eine Vollzeitzeitäquivalent im hauswirtschaftlichen Bereich verfügen können. Zudem setzen wir uns für die Vollfinanzierung dieser Stellen ein. 

(Zustimmung)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit orientieren wir uns auch an dem Bedarf, den die Frauenhäuser selbst angemeldet haben. Wir haben im Vorfeld die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenhäuser einbezogen; diese hat uns den Bedarf noch einmal bestätigt. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den Koalitionspartnern für die gute Zusammenarbeit bei der Erstellung dieses Antrages bedanken.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Frauenhäuser leisten einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention, zum Gewaltschutz und zur Unterstützung für betroffene Frauen und ihre Kinder. Eine Doppelbelastung aufgrund der fehlenden Hauswirtschafterinnen ist jedoch leider Alltag in den Einrichtungen. Um dem entgegenzuwirken, bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem vorliegenden Antrag, damit die Fachkräfte bestmöglich entlastet werden und sich entsprechend auf ihre Aufgabenbereiche konzentrieren können.

Die Frauenhäuser benötigen Hauswirtschafterinnen für verschiedene Arbeiten aller Art, z. B. im elektronischen Bereich, für die Wartung der Zimmer, für das Einkaufen, für die Lebensmittelkontrolle oder die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des jeweiligen Hauses. Somit können die betroffenen Frauen in den Einrichtungen bestmöglich begleitet, unterstützt und beraten werden, und zwar im Bereich der fachlichen Arbeit, aber auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Aufgaben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Pott. - Es gibt eine Frage von Herrn Heuer. - Herr Heuer.


Guido Heuer (CDU):

Sehr geehrter Kollege Pott, der Antrag, den wir als Koalition gestellt haben, ist richtig und wichtig. Frauenhäuser sind sehr wichtige Einrichtungen. Im Rahmen des Haushaltsplans 2023 haben wir die Tarifsteigerungen beschlossen. Wie stehen Sie zu investiven Maßnahmen in Frauenhäusern je nach Trägerschaft? Ist es sinnvoll, dass wir uns in der Koalition auch darauf einigen, dass wir an der Stelle etwas tun sollten? Wir als CDU-Fraktion halten das für sehr wichtig. 

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Pott, bitte. 


Konstantin Pott (FDP): 

Grundlegend kann ich für meine Fraktion sagen, dass wir uns an dieser Stelle sicherlich einig werden können. Natürlich stellt sich die Situation in den Frauenhäusern unterschiedlich dar. Man muss schauen, welche Investitionen wo am besten angebracht sind und auch am besten ankommen. Aber grundlegend, so glaube ich, gibt es dazu überhaupt keine Streitigkeiten. Darauf können wir uns mit Sicherheit einigen. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)