Dr. Falko Grube (SPD):

Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, wir haben im Bereich der Ausbildungsberufe eine enorme Herausforderung vor uns. Die Zahlen kennen Sie. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat sie erst jüngst veröffentlicht. 7,7 Millionen Arbeitskräfte werden bis 2035 in allen Bereichen fehlen. Meine Damen und Herren! Das ist nicht nur ein Problem der Demografie. Schon jetzt gibt es 1,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Daran werden wir heranmüssen.

Wir haben einige Aufgaben gesellschaftlicher Art vor uns. Die Energiewende ist ein Stichwort. Wenn wir diese erfolgreich meistern wollen, dann brauchen wir Handwerkerinnen und Handwerker.

(Zustimmung von Thomas Keindorf, CDU)

Wir brauchen Leute, die bspw. PV-Anlagen aufs Dach oder Wärmepumpen, Fernwärmewandler, Pelletheizungen und Wasserstoffheizungen ans Netz bringen. Ergo: Wir müssen bei dem Thema Ausbildungsberufe etwas tun.

Das tun wir auch als Koalition, nicht erst seit heute und übrigens auch nicht erst seit dieser Wahlperiode. Ich will einmal zwei Stichworte nennen. Zuerst das Thema Qualifikation und Weiterbildung. Ich habe es gerade schon gesagt: Viele junge Arbeitslose haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Daher ist es richtig, dass der Vermittlungsvorrang im neuen Bürgergeld abgeschafft wurde. Es wird erst Vorrang und Wert gelegt auf abschlussbezogene Qualifizierung und Weiterbildung. Das Land hat mit BRAFO dazu übrigens ein sehr gutes System der Berufsberatung, das übrigens auch an gymnasialen Oberstufen angeboten wird. Denn nicht für jeden Abiturienten oder jede Abiturientin ist das Studium die richtige Wahl.

Das zweite Thema ist die Steigerung der Attraktivität der Ausbildungsberufe. Ja, wir müssen attraktive Rahmenbedingungen schaffen. Das gilt vor allem für das Thema Wertschätzung der Ausbildungsberufe, insbesondere auch durch eine angemessene und gerechte Entlohnung. Die Mindestausbildungsvergütung ist seit dem 1. Januar 2020 in Kraft. Sie beträgt derzeit 620 €. Vorbei sind damit die Zeiten, als Azubis so wenig verdienten, dass es nicht einmal für das Nötigste reichte.

Ich bin übrigens deshalb auch sehr froh, dass das von Arbeitsminister Hubertus Heil erarbeitete und am Freitag vom Bundestag beschlossene Aus- und Weiterbildungsförderungsgesetz mit der Einführung einer Ausbildungsgarantie nun kommt. Nach diesem Gesetz wird es einen Rechtsanspruch auf außerbetriebliche Ausbildung geben. Junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb gefunden haben, haben ein Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung. Das scheint in einer Zeit des Überschusses an Ausbildungsplätzen sicherlich nicht ganz so relevant zu sein. Aber für viele ist es das eben doch. Am Ende müssen wir schauen, dass aus jeder Generation möglichst alle über eine Ausbildung verfügen. Das ist zumindest unser Anspruch. Das Gesetz sieht auch eine Unterstützung bei der Mobilität vor, bspw. bei Heimfahrten und Mobilitätskosten.

Bei dem Thema Mobilität möchte ich deshalb - weil es auch Thema des Antrages ist - ein bisschen genauer hinschauen. Das Problem fängt nämlich woanders an, z. B. wenn Berufsschulen nicht in der Nähe sind. Beispielsweise müssen Zweiradmechaniker bzw.  mechatroniker aus ganz Sachsen-Anhalt nach Leipzig fahren. Deswegen - das wurde im Antrag angesprochen - haben die Handwerkskammern acht Forderungen aufgestellt. Zwei davon betreffen das Thema Mobilität bzw. Entfernung zwischen Schule und Wohnort.

Die erste Forderung der Handwerkskammern war, dass der Besuch der nächstgelegenen berufsbildenden Schule mit dem entsprechenden Angebot möglich sein soll. Tatsächlich ist es so, dass es für ein Fünftel, also für 20 % der Auszubildenden möglich wäre, eine näher gelegene Berufsschule zu besuchen. Das muss tatsächlich möglich sein. Am Ende dürfen es keine bürokratischen Hürden sein, die Schülerinnen und Schülern sowie Azubis verwehren, ein paar Kilometer weniger zu der nächstgelegenen Schule zu fahren, und sie zwingen, einen weiteren Weg zurückzulegen.

Die zweite Forderung der Handwerkskammern bestand in dem Erhalt des Azubi-Tickets. Hierfür habe ich eine hohe Sympathie. Für Azubis hat es 50 € kostet. Jetzt haben wir ein 49-€-Ticket insgesamt. Das heißt, wenn man das nimmt, dann hat man schon sehr viel mehr als früher mit dem Azubi-Ticket. Es gilt dann nämlich nicht nur für Sachsen-Anhalt, sondern für ganz Deutschland. Aber ich habe auch eine hohe Sympathie dafür, dass wir das Geld, das wir für das Azubi-Ticket eingesetzt haben, für so etwas wie ein Jobticket verwenden und ein Azubi-Jobticket schaffen. Sie wissen das: Mit der entsprechenden Bezuschussung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für 35 € das Deutschlandticket erhalten. Ich denke, das wäre auch etwas Lohnendes für die Azubis.

Einen Führerscheinzuschuss haben die Kammern übrigens nicht gefordert. Ja, es ist keine Frage, dass Azubis es gut finden würden, wenn man ihnen den Führerschein bezahlt.

Aber die Frage ist: Wird jemand mit dem Moped von Salzwedel nach Leipzig fahren? Kann man sich mit einer normalen Ausbildungsvergütung ein Auto leisten? 

Meine Damen und Herren von der AfD, ein Stück weit ist das, was Sie hier vorlegen, eine Mogelpackung. Sie wollen den Azubis helfen, damit sie während ihrer Ausbildungszeit zu ihrer Ausbildungsstätte und ihrem Betrieb kommen. Aber die 1 500 € stehen unter Vorbehalt. Keiner von denen weiß, ob er sie am Ende behalten darf. Das ist tatsächlich eine Mogelpackung. Was machen Sie mit dem Azubi, der vielleicht ein halbes Jahr länger braucht?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Herr Grube, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Falko Grube (SPD): 

Jawohl. - Ich hätte jetzt noch ein bisschen was, aber das besprechen wir dann im Sozial- und Wirtschaftsausschuss. - Danke.

(Beifall bei der SPD)