Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Freitag der letzten Sitzungsperiode hatte sich der Ministerpräsident Herr Haseloff entschuldigt, weil er beim ZDF-Verwaltungsrat anwesend war, nachdem wir im Landtag einen Tag vorher den Dritten Medienänderungsstaatsvertrag beschlossen hatten.

Während der Sitzung des ZDF-Verwaltungsrats wurden interessante Beschlüsse gefasst, die auch unsere Entscheidungen im Landtag von Sachsen-Anhalt direkt tangieren werden. So ist unter anderem der Vertrag der ZDF-Verwaltungsdirektorin verlängert worden mit einem jährlichen Verdienst von 271 560 €. Das macht einen monatlichen Verdienst von etwa - man kann es sich ausrechnen - 22 600 € aus.

Dazu wurde der Vertrag des Produktionsdirektors beim ZDF bis zum Jahr 2028 verlängert. Er bekommt eine jährliche Vergütung von 258 720 €, was monatlich einen Betrag von etwa 21 600 € ausmacht. Beides sind Beträge, die über jedem Verdienst eines jeden Ministerpräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Ich erinnere daran, dass es im Landtag von Sachsen-Anhalt einen Konsens gab, dass diese Grenze nicht überschritten werden sollte.

Der Verwaltungsrat hat zusätzlich zu diesen exorbitanten Beträgen Zusatzleistungen beschlossen, nämlich eine Aufwandsentschädigung für beide Personen in Höhe von monatlich 520 €, was 6 240 € im Jahr ausmacht. Zusätzlich gibt es eine üppige Altersversorgung, Beihilfen, Familienzuschlag und Sterbegeld nach den für das ZDF jeweils geltenden Bestimmungen. Hinzu kommen Reisekosten, Tage- und Übernachtungsgelder, Trennungsentschädigungen, Umzugskosten und ähnliche Leistungen nach den beim ZDF geltenden Bestimmungen. Schließlich erhält der Verwaltungsdirektor noch einen Dienstwagen, der selbstverständlich auch für private Zwecke genutzt werden kann.

Meine Frage ist: Wie hat der Ministerpräsident sich im ZDF-Verwaltungsrat verhalten? Und: Ist er etwa aufgrund seiner Position, dass man die Gehälter doch begrenzen sollte und das alles unverschämt sei, im Verwaltungsrat überstimmt worden?

(Ulrich Siegmund, AfD: Das passt zu den LINKEN!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Minister Präsident.


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):

Herr Gebhardt, die Aufgabe des Verwaltungsrates ist Ihnen bekannt, was die Mitwirkung an den Entscheidungen, aber letztendlich auch an der Sicherstellung des verfassungsgemäßen Auftrages betrifft. Und es ist klar zu unterscheiden zwischen dem, was in existente Verträge hinein an zugrunde liegenden Verlängerungen zu diskutieren und zu entscheiden ist bzw. entsprechend zu begleiten ist, und dem, wo es neue Entscheidungen zu treffen gilt. Da muss man formalrechtlich ganz sauber unterscheiden.

Wenn Sie sich die Protokolle, die Sie sich über ganz originäre und legale Wege beschaffen können, ansehen, dann werden Sie dort, weil mein Kollege Woidke nicht anwesend sein konnte, wir aber zumindest bei Neuanmeldungen, die eine Steigerung vorsehen, eine entsprechende Protokollnotiz vorsehen, in der wir uns - dazu sage ich gleich noch etwas - entsprechend positioniert haben, zu allen Entscheidungen, die getroffen worden sind, eine Stimme vorfinden, die diese Entscheidung nicht mitgetragen hat. Diese Stimme ist meine.

Ausgenommen sind die Verträge, die da waren und die letztendlich prolongiert wurden. Wir hatten das aber mit der klaren Kommentierung verbunden, dass im Gesamtkontext der jetzt aktuellen Reformdebatten und auch des Inkrafttretens des neuen Staatsvertrages, der Stärkung der Gremien und der Gremienvertreter dieser Prozess genutzt werden muss, um dort genau das, was auch politisch in diesem Hohen Hause geeint ist, entsprechend umzusetzen.

Das heißt, so wie das jetzt, auch mitgetragen von meinem Kollegen Woidke aus Brandenburg, bei der Neugestaltung von Verträgen entsprechend beim RBB erfolgt, wofür entsprechende Voten des Landesrechnungshofs zur Argumentation herangezogen werden können, muss es auch in den vorhandenen Bereichen für die Zukunft Entscheidungen geben, nach denen das Gesamtsystem, nicht einzelne Positionen, die dort zeitlich angesetzt waren, sondern das Gesamtsystem, das in sich auch entsprechend dem Organigramm, der Hierarchie und der leistungsbezogenen Vergütung stimmig zu sein hat, insgesamt neu zu justieren ist. Darüber sind wir uns einig. Dafür müssen wir auch juristische Wege finden. Das geht noch viel, viel weiter.

Ich könnte Ihnen z. B. auch, wenn es die Zeit erlaubt, Herr Präsident, die Diskussionen kurz aufzeigen, die die Tarifverhandlungen beim ZDF betreffen. Sie wissen, dass es dort einen Streik gab und dass ich gefragt habe, wie im Prinzip die Ersparnisse aus den Streikergebnissen für den Haushalt des ZDF gewesen sind, da diese Kosten von der Streikkasse zu übernehmen sind. Dort habe ich ebenfalls festgestellt: Das ist keine Entscheidungsprozedur des Verwaltungsrates, der hier mitwirken kann, sondern schlicht und einfach auch der Tarifpartner. Hierbei haben letztendlich Intendanz und Hausspitze des ZDF auf der einen Seite und die Gewerkschaftsvertreter und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertreter auf der anderen Seite entsprechend zu handeln. Dieser Passus ist im Tarifvertrag glatt gestrichen worden, sodass die Streikkasse nicht in Anspruch genommen wurde,

(Zuruf: Oh!)

was ich für höchst problematisch halte, weil das zulasten auch der Beitragszahler geht.

Sie sehen, das ist ein gesamtes Paket von Dingen, die völlig neu im Rahmen der Reformdiskussionen auf den Tisch kommen müssen, auch bezüglich der von den 16 Ländern eingesetzten Reformkommission, und dass das System insgesamt neu justiert werden muss. Aber da, wo es um neue Entscheidungen ging, finden Sie im Protokoll immer eine Neinstimme.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es gibt eine Nachfrage.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Herr Ministerpräsident, d. h. übersetzt, dass Sie, weil es sich in den beiden Fällen um Vertragsverlängerungen und nicht um neue Verträge gehandelt hat, auch diesen Beträgen zugestimmt haben. Habe ich das richtig verstanden?


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):

Das ist ein gewisser Automatismus gewesen, weil diese Verträge letztendlich im System waren. Die sind sozusagen von der zeitlichen Abfolge her zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgerufen worden. Sie wissen, ich bin erst frisch in diesem Gremium. Damit war übrigens verbunden, dass erstmals überhaupt Zahlen genannt wurden, die wir eingefordert haben; das war dort bisher nicht üblich.

Wir haben also schon einen qualitativen Sprung erreicht, dass wenigstens in diesem Gremium Zahlen offeriert wurden, die der Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben sind und die letztendlich nur durch bestimmte Informationskanäle nach außen gedrungen sind. Darüber muss auch noch geredet werden. Deswegen erfolgte ja auch die Stärkung der Gremienvertretung über den neuen Staatsvertrag.

Aber diese Dinge müssen dann innerhalb der Hierarchie - man kann dort nicht in einzelne Positionen herausbrechen  , innerhalb der gesamten hierarchischen Struktur, auch hinsichtlich der Gehaltspositionierung über die Ebenen hinweg völlig neu justiert werden, weil man ansonsten eine Unwucht hinein bekommt.

Es kann nicht sein, dass bspw. am Ende die dritte Ebene mehr verdient als die zweite Ebene, weil vielleicht die zweite Ebene zum Zeitpunkt einer Entscheidung herausgebrochen wurde. Auf diese Weise wäre eine systematische und generelle Finanzierungsstruktur der Führungsebene und des gesamten Tarifsystems nicht mehr gegeben. Dabei geht es ja um AT-Verträge, die dann sowieso gesondert zu betrachten sind, neben den Tarifverhandlungen für die Belegschaft.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Eine zweite Nachfrage?


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Eine letzte Frage, Herr Ministerpräsident. Sie haben jetzt erklärt, dass die Gesamtsumme deshalb akzeptabel sei, weil auch diese Ebene entsprechend den anderen Ebenen finanziell bedient werden muss. Ich habe ja noch mal die Sonderleistungen aufgezählt, die in den Verträgen beschlossen wurden, die öffentlich geworden sind.

Halten Sie die tatsächlich auch in den heutigen Zeiten den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern für vermittelbar oder hätten Sie es nicht im Nachhinein besser gefunden, dass man bei der einen oder anderen Stelle zumindest auch mal symbolisch mittlerweile andere Wege geht? Denn jede Vertragsverlängerung bietet natürlich erstmal eine Chance auf eine, wenn auch noch so kleine Vertragsveränderung.


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):

Herr Gebhardt, Sie hatten in Ihrer Frage schon etwas unterstellt, von dem Sie genau wissen, dass ich Ihrer Meinung bin, nämlich dass ich es nicht in Ordnung finde, wie das gesamte System ausgestattet ist. Es ist aber trotzdem die Frage, ob ich bei existenten Verträgen versuche, mein Votum hineinzubringen, einmal abgesehen davon, dass ich derzeit sowieso von einer Mehrheit überstimmt werde. Wie eisig die Atmosphäre gewesen ist, das kann ich Ihnen vielleicht einmal am Rande der Sitzung bei einer Tasse Kaffee erzählen. Man muss schon sozusagen ganz gut verpackt dort hineingehen. Das halte ich aber locker aus.

(Zurufe)

Ich will aber nur Folgendes sagen: Beim MDR ist es genauso. Da, wo es um neue Ansätze geht, haben wir juristisch auch andere Spielräume und können das andere sukzessive nachziehen, als bei existenten Dingen.

Ich bin zwar kein Jurist, aber so viel ist auch mir klar: Man kann nicht einseitig oder punktuell Dinge aus einer Gesamthierarchie, in der auch Leistungsvermögen mit entsprechenden Einkünften, egal ob sie zu hoch sind oder nicht, verbunden sind, herausbrechen. Aber überall dort, wo ich es konnte, habe ich mein Veto eingelegt.

Im Übrigen habe ich es als Zumutung empfunden, dass ich schon auf der Hinfahrt über eine Presseerklärung des ZDF die Mehranmeldung für den neuen Zyklus mitgeteilt bekam, obwohl wir erst ab Mittag getagt haben. Sie wissen, wie lang die Anfahrt ist. Diejenigen, die sich da mehr oder weniger ganz eigenartig behandelt gefühlt haben, konnten sich dann schon über ihre Frustration austauschen. Auch das muss der Vergangenheit angehören.

Aber Fakt ist doch eines: Das Gesamtsystem ist doch so nicht mehr vermittelbar. Das sage ich jetzt mal in aller Deutlichkeit.

(Zustimmung bei der AfD - Zurufe)

Wir haben hier im Landtag in der letzten Legislaturperiode eine ganz schwierige Situation gehabt; das wissen Sie. In der damaligen Koalition hat der Koalitionsvertrag dem Ministerpräsidenten eigentlich eine klare Handlungsrichtlinie für die Ministerpräsidentenkonferenz auferlegt, an der ich versucht habe, mich zu orientieren.

Wie gesagt, wir haben ganz klar mit Kollegen Woidke im Verwaltungsrat diskutiert und auch schriftlich im Protokoll hinterlegt, dass wir diese Anmeldung zum derzeitigen Zeitpunkt nicht für vermittelbar halten, dass wir warten sollten, bis die Reformkommission etwas als Gesamtpaket vorlegt. Dann kann man sozusagen auch über den Auftrag, einzelne Positionierungen usw. usf. die gesamte Kostenstruktur vor dem Hintergrund der Inflation und von anderen Dingen entsprechend bewerten. Das gilt auch für Tarifverhandlungen, die nicht im politischen Geschäft, sondern zwischen Sozialpartnern ausgehandelt werden.

Aber ich hoffe, dass ich dann, wenn ein Papier - egal wie es dann aussieht - auf dem Tisch der MPK liegt, auch den gemeinsamen Rückhalt dieses Landtages habe, wenn ich dort die Entscheidung nicht mittrage, zum jetzigen Zeitpunkt eine Gebührenerhöhung vorzunehmen. Dass dafür ein Abstimmungsergebnis von 16 : 0 notwendig ist, weiß man um die entsprechende Position, die ein einzelnes Land in diesem Zusammenhang hat.

Ich bitte an der Stelle dann um genau die gleiche Argumentation und um Unterstützung. Denn letztendlich ist jede Veränderung auch im Tarifsystem, im Bezahlsystem, bei der Frage, ob ein Dienstwagen notwendig ist, bei der ganzen Vergütung bis hin zur Altersversorgung, den Pensionsansprüchen und dem Sterbegeld Bestandteil eines Pakets, das der Gebührenzahler aufzubringen hat.

Ich habe mir vorgenommen, einer Erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlich nicht zuzustimmen, bis ein Gesamtreformpaket auf dem Tisch liegt. Ich bitte darum, dass Sie dann genauso wie heute ans Mikrofon gehen und dem Ministerpräsidenten dafür danken, dass er die Hand nicht gehoben bzw. den Stift nicht gezückt hat, um eine Unterschrift zu leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf: Das machen die! - Weitere Zurufe von der FDP)

Eines noch: Ich denke, wir sind uns da einig. Das können wir jetzt schon mal ausmachen. Dann weiß ich wenigstens, wie die Opposition reagiert.

(Zurufe von Guido Kosmehl, FDP, und von Stefan Gebhardt, DIE LINKE - Guido Kosmehl, FDP: Mund zu! - Weitere Zurufe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Ministerpräsident. - Wir setzen die Fragestunde fort. Für die SPD spricht Frau Kleemann.