Elrid Pasbrig (SPD):

Danke schön. - Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Unser Koalitionspartner CDU möchte mit dieser Aktuellen Debatte am heutigen Weltbauerntag die Situation der Landwirtschaft in Europa, Deutschland und Sachsen-Anhalt erörtern und die Arbeit von Bäuerinnen und Bauern würdigen, die jeden Tag dafür sorgen, dass wir etwas zu essen haben.

(Zustimmung bei der SPD und von Guido Heuer, CDU)

Wir können nicht oft genug auf die wertvolle Arbeit der Landwirte hinweisen, insbesondere in einer Zeit, in der die Entkoppelung der Nahrungsmittel von ihrer Herkunft zuzunehmen scheint. Aber es ist genauso wichtig darauf zu schauen, wer überhaupt wie viel und in welcher Qualität zu essen hat.

Aber lassen Sie mich zunächst den Blick auf die Landwirtschaft in Europa werfen. Ursprünglich war die gemeinsame europäische Landwirtschaftspolitik in den 1950er-Jahren formuliert worden, um nach den Jahren des Hungers für ausreichend Lebensmittel zu sorgen. Deshalb wurden Direktzahlungen eingeführt, die die Bauern vom Marktrisiko befreien sollten, und darüber hinaus wurden ihnen ihre Überproduktionen mit öffentlichen Geldern abgekauft.

Was in den 1950er-Jahren die Knappheit von Lebensmitteln war, sind heute die Herausforderungen Klimawandel, Strukturwandel, Umwelt-, Natur- und Artenschutz sowie die Sicherstellung einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion, die maßgeblich für die Ausgestaltung der aktuellen gemeinsamen europäischen Agrarpolitik sind.

Für die gemeinsame europäische Agrarpolitik gibt die EU das meiste Geld aus; ca. ein Drittel ihres Gesamthaushalts wird hierfür veranschlagt. Dabei war Deutschland in den vergangenen Jahren nach Frankreich und Spanien auf dem dritten Rang, was die Höhe der Zahlungen zur Unterstützung der deutschen Landwirtschaft anbelangt.

Im Jahr 2021 haben in Deutschland ca. 318 000 Landwirte und darüber hinaus öffentliche Einrichtungen Zahlungen daraus erhalten. Bei manchen Landwirten machen die Zahlungen der EU bis zu 50 % ihrer Einkünfte aus. Es wäre also schier unmöglich für Landwirte und unbezahlbar für uns Konsumenten, wenn das Wirtschaften mit Land allein Marktmechanismen überlassen werden würde.

(Zustimmung bei der SPD und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Was wir also heute feststellen können, ist, dass die gemeinsame europäische Agrarpolitik es vermag, unsere landwirtschaftlichen Betriebe zu schützen und zu unterstützen; ebenso wie sie positive politische Steuerungseffekte zeitigt.

Ja, der Green Deal ist richtig. Wie in allen Bereichen unserer Gesellschaft müssen auch in der Landwirtschaft Anstrengungen dafür unternommen werden, dass bis zum Jahr 2050 klimaneutral gewirtschaftet werden kann. Dazu soll die EU-Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ dienen, in der es darum geht, Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit sicherzustellen; die Versorgung mit ausreichenden, erschwinglichen und nahrhaften Lebensmitteln zu gewährleisten; die nachhaltige Lebensmittelerzeugung ebenfalls sicherzustellen und einen nachhaltigeren Lebensmittelkonsum sowie eine gesündere Ernährung anzuregen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das Ziel und die Strategie sind absolut richtig. Aber wofür wir den heutigen Weltbauerntag auch nutzen können, ist, einmal mehr darauf hinzuweisen, dass es bei allem gefühlten politischen Handlungsdruck nicht sein kann, dass europäische Fördersystematiken immer komplexer und die Beantragungsverfahren immer aufwendiger werden - von den Kontrollen ganz zu schweigen  , und die Landwirte darüber hinaus ihre Planungshorizonte verlieren,

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

an den Schreibtisch gefesselt werden, sie Beratungsangebote noch und nöcher in Anspruch nehmen müssen, statt ihre Felder zu beackern.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Oder nehmen wir die pauschalierten Vorgaben zur Minderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln - auch das haben wir heute bereits mehrfach gehört. Im Rahmen des Green Deals finden wir Zielvorgaben zur Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Weniger Pflanzenschutzmittel bedeuteten größere Biodiversität und außerdem weniger schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen.

Aber warum kommen die Regeln derart pauschal daher? - Dass Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt hat kürzlich festgestellt, dass in sachsen-anhaltischen Lebensmitteln im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt weniger Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachweisbar sind. Der bundesdeutsche Durchschnitt ist wiederum unterdurchschnittlich gegenüber dem europäischen Durchschnitt.

Das heißt, es gibt in Europa hergestellte Lebensmittel, in denen weit höhere Pflanzenschutzmittelrückstände nachgewiesen werden. Das Ziel der Minderung von Pflanzenschutzmitteln um 50 % gilt jedoch für alle gleichermaßen.

Auch das Verhältnis zum bundesdeutschen Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist für Landwirte sicherlich nicht immer spannungsfrei. Ich möchte hierzu nur die aktuelle Debatte zur Tierhaltungskennzeichnung erwähnen. Für Tierhalter in Deutschland fehlt derzeit jegliche Planungsperspektive zur weiteren Entwicklung ihrer Betriebe.

Es ist höchste Eile geboten, dass der Bund endlich die Regeln zur Haltungs- und Herkunftskennzeichnung festzurrt und die nötigen baurechtlichen Aspekte zum Stallumbau klärt. Die Arbeiten der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft müssen beschleunigt umgesetzt werden. Wir lehnen das angekündigte Warten auf EU-Vorschläge ebenso ab wie vorgeschlagene Öffnungsklauseln für einige Bundesländer.

(Zustimmung bei der SPD und von Anne-Marie Keding, CDU)

Der sicherlich notwendige Mehraufwand für Investitionen bei Stallumbauten für Betriebe muss finanziell ausgeglichen werden. Darüber hinaus haben sich die ostdeutschen SPD-Agrarsprecherinnen und -sprecher dafür ausgesprochen, dass es keine Kappungsgrenzen bei Stallgrößen geben darf.

(Zustimmung bei der SPD)

Das bringt mich dazu, an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass wir uns dringend um den Erhalt unserer Agrarstruktur kümmern müssen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Wir haben in Ostdeutschland besondere Gegebenheiten. Sie kennen sie alle. Im Vergleich zu den alten Bundesländern haben wir größere Betriebe, was mit den LPG-Vorläuferbetrieben zusammenhängt, die nach der Wende erfolgreich privatisiert wurden. Sachsen-Anhalt liegt dabei an zweiter Stelle hinter Mecklenburg-Vorpommern mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 269 ha Landfläche pro Betrieb.

Im Jahr 2020 gab es in Sachsen-Anhalt insgesamt 4 344 landwirtschaftliche Betriebe. 273 davon bewirtschafteten mindestens 1 000 ha Landfläche, 841 Betriebe bewirtschafteten weniger als 10 ha. Dazwischen ergibt sich ein ausgewogenes Bild der verschiedenen Bewirtschaftungsgrößen.

Von 4 300 waren 400 Betriebe im Jahr 2020 Teil einer Unternehmensgruppe. Auch die Zahl der Beschäftigten variiert leicht von Statistik zu Statistik. 20 000 bis 25 000 Arbeitskräfte sind auf diese 4 300 Betriebe verteilt.

Was die strukturellen Bedrohungen angeht, sind wir alle im Bilde. Sollten sich die Produktionskosten in der Landwirtschaft weiter erhöhen, sei es durch sich verändernde Märkte oder allzu viele politische Vorgaben, werden wir mehr denn je aufpassen müssen, dass unser landwirtschaftlicher Boden nicht ausverkauft oder zweckentfremdet wird. Außerdem müssen wir Lösungen finden, landwirtschaftliche Flächen aufstockungswilligen Landwirten oder gründungswilligen Junglandwirten zur Verfügung stellen zu können.

Das Bild, welches sich ergibt, sieht so aus: Landwirte müssen heute unter anderem aufgrund ihrer Abhängigkeit von öffentlichen Geldern zahlreichen politischen Anforderungen gerecht werden. Sie sind nicht nur verantwortlich für unser aller Ernährungssicherheit; wir erwarten von ihnen darüber hinaus einen positiven Beitrag zum Umwelt-, Klima- und Artenschutz. Wir nehmen diesen Berufsstand also ganz schön in die Pflicht und fragen selten, wie das alles zu schaffen ist, oder sagen einfach einmal Danke.

Ich darf heute im Namen meiner Fraktion bei allen sachsen-anhaltischen Bäuerinnen und Bauern Danke sagen für die Sieben-Tage-Arbeitswoche, die sie leisten,

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

für die vollen Supermarktregale, für den Erhalt unserer Kulturlandschaft,

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

für den Erhalt unserer heimischen Hofkultur, für ihr Engagement bei der Züchtung alter und neuer Tierrassen oder Gemüse- und Obstsorten sowie für die wertvolle Bildungsarbeit mit Kindergarten- und Schulkindern. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ich danke auch. - Nutzen Sie jetzt die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Johann Friedrich Danneil“ in Kalbe/Milde auf unserer Tribüne zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Eisenreich.