Eva von Angern (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident! - Gleich vorweg: Ich will mich bedanken für die bis auf eine Ausnahme sehr sachliche Debatte in der Angelegenheit. Sogar die Ampelkoalitionäre konnten sich fast zusammenreißen. Aber ich finde, es wäre ein Vorbild für die Bundesebene, genauso offen auch über die Inhalte zu sprechen.

Zu Ihrer Aussage, Herr Pott: Irgendwie nehmen wir das alle alles anders wahr. Sie wissen vielleicht mehr, aber es liegt momentan an der Ansage des Bundesfinanzministers   Klammer auf   FDP   Klammer zu  , dass das Geld dafür nicht zur Verfügung gestellt werden soll. Es sind Scheindebatten. Es geht nicht um Inhalte.

(Konstantin Pott, FDP: Doch!)


Denn bei den Inhalten   ich habe Ihnen sehr gut zugehört   sind wir ganz schnell beieinander. Sie sagen, dass die Leistungen gebündelt werden sollen. - Sogar wir würden dem zustimmen. Es geht um die Zielgenauigkeit, die durch die Bündelung erreicht werden soll, und die Entbürokratisierung.

Genauso wie wir kennen auch Sie die internen Debatten auf Bundesebene. Die Idee, die Auszahlung über die Bundesagentur für Arbeit vorzunehmen, ist total vernünftig. Sie ist aus dem Hause Paus und aus dem Hause Heil. Das ist eine total vernünftige Idee. Das heißt, es spricht nichts dagegen. Am Ende des Tages wird nur noch über die Summe gesprochen.

Der Referentenentwurf lag frühzeitig vor. Dass dieser nicht zu einer Koalitionsvereinbarung da ist - mal ganz ehrlich: Ich kann sie gerne mal fragen, wie viel von dem, was Sie da hineingeschrieben haben, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Koalitionsvertrages wirklich substantiell untersetzt war. Aber das möchte ich nicht wirklich wissen, das ist eine rhetorische Frage.

Das heißt, wenn wir uns dem Grunde nach so einig sind, wie Sie das hier beschrieben haben, könnte vielleicht sogar die CDU im Bundestag zustimmen. Denn auch das habe ich mir heute sehr genau angehört: Auch deren Ziel ist es, Kinder aus der Armut herauszuholen; und nicht nur das, auch darin sind wir uns alle einig, sondern auch auf die Erwerbssituation von Eltern zu schauen. Wir sind uns uneins über den Weg. Das halte ich aber für aushaltbar, wenn wir es vorher schaffen, die Kindergrundsicherung einzuführen.

Ich sage Ihnen auch, natürlich geht es nicht um ein Entweder Oder. Natürlich müssen wir auf Bildungsangebote schauen. Natürlich müssen wir schauen, was wir im außerschulischen Bereich noch verbessern können. Auch das steht dem nicht entgegen.

Eines will ich noch sagen: Wenn Sie hier darauf verweisen, dass alles, was wir vorgetragen haben, Richtung Bund geht, dann verweise ich auf die gestrige Debatte zu Ihrer Beschlussempfehlung    

(Zuruf von Konstantin Pott, FDP)

- Ja, ich habe Ihnen zugehört. - Dabei verweise ich auf die Debatte zur gestrigen Beschlussempfehlung zu unserem Ursprungsantrag „Armut bekämpfen“. Das waren bis auf wenige Punkte alles Vorschläge für Landesinitiativen, die Sie alle abgelehnt haben. Die waren sämtlich enthalten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Insofern läuft das ins Leere.

Was mir auch noch wichtig ist   dabei nehme ich kurz Bezug auf die Frage von Herrn Kosmehl an Frau Kleemann  : Selbstverständlich gibt es keine höheren oder niedrigeren Grundrechte. Natürlich muss sich das einordnen. Es geht aber um eigene Rechte innerhalb des Grundgesetzes. Sie wissen auch, dass das Auswirkungen hat.

Natürlich hat sich etwas verändert, seit die UN-Kinderrechtskonvention in deutschen Familiengerichten angekommen ist. Die Situation der Verfahrensbeistände, die Diskussion über die Kinderanwälte, die noch nicht abgeschlossen ist, die aber berechtigterweise weitergeführt wird - das hat doch Folgen.

Und zu der Aussage, von der ich glaube, dass ich Sie vielleicht doch falsch verstanden habe, dass Grundrechte keine Auswirkungen haben und nur plakativ sind. Ganz ehrlich, ich vermute, ich habe Sie dazu falsch verstanden. Das würde mich doch sehr irritieren.

Mir ist aber ein Punkt noch sehr wichtig   dankenswerterweise aufgrund eines Hinweises meines Kollegen Lange zu der Frage, die ich vorhin bekommen habe  : Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass man hier den Ansatz haben könnte, dass man politische Forderungen nur aufstellen darf, wenn man vorher versucht hat, die Dinge selbst im Privaten zu klären.

(Andreas Silbersack, FDP: Das hat doch keiner behauptet!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich schaffe es nicht, Armut zu bekämpfen. Ich werbe aber für Folgendes und die demokratischen Fraktionen können sich dem gern anschließen: Wir haben seit 1996 einen Solidarfonds.

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Daraus spenden wir jeden Monat viel Geld insbesondere an Kinder- und Jugendinitiativen. Davon geben wir viel Geld aus z. B. für Familien mit Kindern mit Behinderungen, die keine volle Finanzierung erhalten für ihre Fahrzeuge, die umgebaut werden müssen. Von dem Geld finanzieren wir Ferienfreizeiten, die nicht finanziert werden. Das sind nur Trostpflaster, das muss man einfach mal sagen. Die sind notwendig, weil der Staat versagt, weil das Geld dafür nicht ausgegeben wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht noch ein ganz persönlicher Ansatz und auch eine kleine Werbung: Das Frauenschutzhaus Magdeburg wirbt dafür, dass der Eigenanteil, den Mütter, die im häuslichen Bereich von Gewalt betroffen sind, für sich und ihre Kinder bezahlen müssen in unserem reichen Land, durch Patinnen und Paten übernommen wird.

Ich habe mich dazu entschlossen, so etwas zu machen. Ich werbe gern dafür, dass Sie es mir gleichtun, oder aber   das wäre auch ein guter Ansatz   wir schaffen es, die Frauenhausfinanzierungsrichtlinie so zu verbessern, dass dieser Eigenanteil gar nicht notwendig ist. Das wäre mir am liebsten.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. Frau von Angern, es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl. Wollen Sie die beantworten?


Eva von Angern (DIE LINKE):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Kosmehl, dann können Sie sie stellen.


Guido Kosmehl (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Kollegin von Angern, dass Sie meine Frage beantworten wollen. Ich habe zwei kleine zusammengefasste Fragen. Die erste Frage lautet: Ist Ihnen ein Konzept der Familienministerin bekannt, wie die 12 Milliarden €, die sie als Gesamtkosten angesetzt hat, untersetzt sind?

Die zweite Frage ist: Würden Sie zumindest heute in dieser Debatte zugeben oder zugestehen, dass die Ampelregierung in Berlin in den vergangenen fast zwei Jahren bereits fast 7 Milliarden € mehr für Kinder, z. B. mit der Erhöhung des Grundfreibetrages bei der Steuer oder mit dem Kindergeld, ausgegeben und die Zuwendungen für Kinder, wenn auch in Einzelmaßnahmen, die wir bündeln könnten, also erhöht hat? Würden Sie der Ampel zugestehen, dass durch diese schon etwas auf den Weg gebracht wurde?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Ich finde es grundsätzlich gut, wenn durch den Staat mehr für Kinder und Jugendliche ausgegeben wird. Selbstverständlich profitiere ich davon, aber genau das ist der Haken. Auch ich habe die Kindergelderhöhung erhalten. Ich wünsche mir aber, dass das Geld nicht für eine Kindergelderhöhung, die bei mir und meinen Kindern ankommt, sondern für die Bekämpfung von Kinderarmut ausgegeben wird.

Ich kann nur sagen: Das Geld, das im Rahmen von „Aufholen nach Corona“ ausgegeben worden ist, war in den Kommunen sinnvoll ausgegebenes Geld. Ich wiederhole mich - einige haben es schon ein paar Mal gehört  : Dort konnten Kinder das erste Mal Urlaub machen. Das sind Kinder, die nach „Aufholung nach Corona“ in ihrer Kindheit wahrscheinlich nie wieder einen Urlaub erleben werden.

Kinderfreizeiten wurden einmal durch das Land Sachsen-Anhalt finanziert, bis es 2002 zu einer schwarz-gelben Landesregierung unter einem liberalen Sozialminister kam, der das gesamte Geld auf null zusammengestrichen hat.

Ich werbe doch tatsächlich für Geld. Ich würde Sie auch loben. Ich habe Sie als Ampelkoalition doch auch gelobt. Ich finde es richtig, dass das Ziel einer Kindergrundsicherung verfolgt wird. Ich will Sie nur darin bestärken, es auch tatsächlich umzusetzen. Das ist mein Wunsch.

Jetzt habe ich Ihre erste Frage vergessen.


Guido Kosmehl (FDP):

Ob Sie das Konzept von Frau Paus zur Umsetzung kennen.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Ich kenne es wie Sie. Ich kenne das Eckpunktepapier. Ich kenne auch die anderen Konzepte. Ich finde, Sie müssen sich entscheiden, welches Sie nehmen. Ich habe leider keine Stimme im Bundestag. Ich kann Ihnen sagen, welches Konzept mir das liebste wäre: Das wäre das vom Bündnis für Kindergrundsicherung. Ich vermute aber, dass das keine Mehrheit in der Ampelkoalition findet.

Ich bin froh, wenn ich aus den internen Diskussionen solche Sachen höre, dass man sich schon fast darauf geeinigt hat, dass die Gelder über die Bundesagentur für Arbeit ausgegeben werden. Diese wird sicherlich auch nicht sofort „juhu“ schreien. Aber es wäre eine sinnvolle Sache.

Insofern: Ich glaub schon noch daran, dass sie das schaffen könnten. Ich bin mir aber sicher - damit sind wir wieder bei dem Punkt: was kann das Land Sachsen-Anhalt tun?  , dass sie noch einen Anstupser aus den Bundesländern brauchen. Insofern: Sehen Sie unseren Antrag damit als beschlussreif an.

(Beifall bei der LINKEN)