Tagesordnungspunkt 19

Beratung

Recht auf Zukunft - generationengerechter Klimaschutz

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2642

Alternativantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/2707


Einbringen wird den Antrag der Abg. Herr Lange.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns über Gerechtigkeit reden. Sie merken sicherlich, dass wir rund um den internationalen Kindertag viele Aspekte, die für Kinder und Jugendliche relevant sind, hier zur Debatte stellen, so auch die Frage: Wie hinterlassen wir den jungen und den noch nicht geborenen Generationen unseren Planeten?

Wer nicht völlig apokalyptisch inspiriert ist, wird sagen: Natürlich so, dass unsere Kinder und Enkel und all die, die danach kommen, noch ein gutes Leben haben. Nach mir die Sintflut - das denken doch nur sehr wenige, hoffe ich.

Das Problem ist an dieser Frage jedoch, dass man viele Annahmen für die Zukunft treffen muss und diese Fragen für den Einzelnen oftmals sehr abstrakt sind. Mit Blick auf das Klima hilft uns die Wissenschaft. Da haben wir eindrückliche Vorträge im letzten Wissenschafts- und Umweltausschuss gehört.

Meine Damen und Herren! Seit den 1970er-Jahren warnen Wissenschaftler*innen davor, dass der Ausstoß von CO2 zur Erderwärmung führen wird. Die Gesetze der Physik lassen sich nicht diskutieren.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD: Genau!)

Der Klimawandel ist also menschengemacht.

(Zurufe von der AfD)

Die Klarheit und Präzision, mit der Herr Prof. M. im Ausschuss das menschliche Handeln mit den Folgen der Klimakatastrophe verbunden hat, brachte einen AfD-Mann zu der Aussage, das wäre eine Anklage an die Menschheit. Nun: Eine solche Sensibilität wäre durchaus angemessen. Er meinte es leider nur nicht so.

Meine Damen und Herren! Der Klimawandel aufgrund der Erderwärmung ist da. Und wir, unser Wirtschaftssystem, das auf dem Verbrennen fossiler Energie aufgebaut ist, sind schuld. Das muss man eingestehen, damit man zukünftig sein Handeln verbessert.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Am 4. Mai dieses Jahres war der Erdüberlastungstag. Würde die Menschheit so leben wie wir in Deutschland, dann wären alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht. Das entspricht dem Verbrauch von drei Erden im Jahr.

Das Prinzip der Nachhaltigkeit - übrigens ein forstwirtschaftlicher Begriff - besagt: Nutze nur so viel, wie sich wieder erneuert. Die Menschheit, besonders die industrialisierten Länder, machen das aber nicht. Im Gegenteil: Die Erde wird ausgebeutet.

Meine Damen und Herren! Ich bin gespannt, wann die Rednerinnen und Redner aus den anderen Fraktionen heute sagen: Was kommen Sie schon wieder mit den CO2-Budgets? Nun: Das werden wir jetzt öfter tun. Man kann nämlich sehr gut berechnen, wie viel CO2 noch imitiert werden kann, damit wir die Erderwärmung auf das 1,5-Grad-Ziel, zu dem sich Deutschland verpflichtet hat, begrenzen.

(Unruhe bei der AfD)

Da hat der GRÜNEN-Antrag recht. Dieses Budget ist in sechs Jahren aufgebraucht. Wer es sich übrigens ansehen will, wie sich diese Budgets entwickeln und wie sozusagen die Uhr tickt, bis wann wir ausgestiegen sein müssen, der kann gern einmal auf meiner Homepage nachgucken. Ich habe dort so eine CO2-Uhr verlinkt. Das gibt es auch auf anderen Webseiten. Da kann man mal sehen, wie viel Zeit man eigentlich noch hat, wenn man das 1,2-Grad-Ziel oder das 2-Grad-Ziel erreichen möchte.

(Zurufe von der AfD)

Meine Damen und Herren! Jedes zehntel Grad zählt. Auch darin, liebe GRÜNEN, stimmen wir überein.

(Zurufe von der AfD)

Denn erreichte Kipppunkte machen Veränderungen nicht nur unwiderruflich, sie ziehen auch Kaskaden anderer Veränderungen nach sich.

(Unruhe bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Ich habe hier schon öfter darauf hingewiesen, dass die Industrienationen bereits eine historische CO2-Schuld haben. Das wird auch international immer wieder ins Feld geführt, wenn es um den Ausgleich geht. Wir häufen diese Schulden noch weiter an. Das, meine Damen und Herren, muss aufhören.

(Unruhe bei der AfD - Zuruf von der AfD: So ist es!)

Darum brauchen wir endlich die Festsetzung der CO2-Budgets. Darauf sollte dann das Klimaschutzgesetz folgen, wie es die GRÜNEN jetzt im Alternativantrag fordern. Ich finde ja, unser Alternativantrag ist gar nicht so sehr alternativ, sondern sie hätten sich auch sehr gut ergänzt.

Meine Damen und Herren! Wir müssen auch die Bildung zur nachhaltigen Entwicklung stärken. Teil davon sind unsere Jugendwaldheime, die wir viel stärker unterstützen müssen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Möglichst viele junge Menschen sollten die Angebote wahrnehmen können. Dazu können Vereine und Verbände beitragen, wenn man sie mit einbezieht. Jeder sollte auch wissen, wo man selbst CO2 einsparen kann. Natürlich!

(Zurufe)

Das ist jedoch auf jeden Fall richtig. Aber: Gesamtgesellschaftlich gesehen finde ich es völlig falsch, diese Verantwortung allein bei jedem Einzelnen abzuladen. Wir brauchen staatliche Regulierungen, an die sich alle halten müssen, auch die Reichen und auch die Wirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren!

(Zuruf von der FDP: Furchtbar!)

- Naja, es ist doch so.

(Zurufe von der AfD und von der FDP)

- Ja, da müssen Sie durch. Sie können sich angucken, wie die CO2-Bilanzen anhand des Wohlstands sind

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist zwiegespalten! - Weitere Zurufe von der FDP - Zurufe von der AfD)

und wie sich so ein Privatjetflug auswirkt. Das können Sie sich einfach mal angucken. Darüber werden Sie sich sicherlich auch schon mal Gedanken gemacht haben,

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Außerdem, meine Damen und Herren, wollte ich noch über eines reden: Gestern kam abends eine Sendung, die heißt „Reschke Fernsehen“. Die finde ich immer gut. Die Frau recherchiert sehr genau, wie sich das entwickelt hat.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

- Sie von der FDP kommen jetzt gleich noch dran.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Und zwar haben die recherchiert, wie die Ölmultis seit den 1970er-Jahren dafür gesorgt haben, dass die Leute möglichst nicht glauben, dass es einen menschengemachten Klimawandel geben soll.

(Jan Scharfenort, AfD: Den gibt es ja auch nicht!)

- Sehen Sie!

(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)

So wirkt das, wenn die Ölindustrie noch tief im Kopf drinsteckt.

(Zurufe von der AfD - Zurufe von der FDP)

Jedenfalls haben sie schon in den 1970er-Jahren Studien gemacht, die zeigen, was passiert, wenn es eine CO2-freie Energieproduktion gibt,

(Unruhe bei der AfD und bei der FDP)

wenn wir weitermachen wie bisher und was sich daraus entwickeln wird.

(Zurufe von Guido Kosmehl, FDP, und von Jan Scharfenort, AfD)

Aber Sie haben nicht das erste Szenario genommen, sondern Sie haben ein drittes Szenario entwickelt, nämlich möglichst viel Geld dafür in die Hand zu nehmen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Geld vollzupumpen, die dann mit völlig falschen Fakten den menschengemachten Klimawandel leugnen.

(Zurufe von der AfD, von der CDU und von der FDP)

Das ist eine Tatsache!

(Zurufe von der AfD)

Und dass die Klimaleugner immer noch in den Parlamenten sitzen,

(Zurufe von der AfD - Zuruf von Jan Scharfenort, AfD: Das ist Unsinn!)

das merkt man hier gerade bei dem Gebrüll auf der rechten Seite.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der AfD)

Übrigens: Auch das Zauberwort „Technologieoffenheit“ ist eine Erfindung dieser Thinktanks,

(Guido Kosmehl, FDP: Was? - Sandra Hietel, CDU: Das ist unglaublich! - Guido Kosmehl, FDP: Sollen wir alle etwa wieder mit der Pferdekutsche fahren? - Zurufe von der AfD)

die vorgaukeln wollen, dass das alles so schön weitergehen kann, wie bisher, meine Damen und Herren von der FDP.

(Unruhe und Zurufe)

Aber es wird nicht so weiter gehen, meine Damen und Herren. Damit es an der Stelle, wenn wir umsteuern müssen

(Jan Scharfenort, AfD: Gut, dass Deutschland als Negativland gilt! - Anhaltende Unruhe und Zurufe)

- Atmen Sie doch mal tief durch da drüben! Meine Güte!

(Unruhe bei der AfD und bei der FDP - Guido Kosmehl, FDP: Nee!)

- Ist doch gut!

(Zurufe von der AfD - Guido Kosmehl, FDP: Also, in Nordkorea machen sie es! - Lachen bei der AfD)

Damit wir den Wandel hier hinkriegen,

(Zuruf von Andreas Silbersack, FDP)

brauchen wir auf jeden Fall einen Klima- und Sozialcheck für all das, was wir hier beschließen und was die Landesregierung hier an Maßnahmen in die Wege leitet.

(Zurufe von der AfD)

Es müssen vor allem diejenigen entlastet werden, die wenig haben, damit sie eben nicht dafür bezahlen, was insgesamt in der Gesellschaft passieren muss. Und: Wir müssen die Klimagerechtigkeit immer und immer wieder mit der sozialen Gerechtigkeit zusammendenken.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Und ob der grüne Kapitalismus wirklich die Lösung bringen kann, daran zweifeln mittlerweile viele.

(Oh! bei der AfD - Zurufe von der AfD)

Meine Damen und Herren! Wir lassen uns nicht verwirren. Der menschengemachte Klimawandel ist da und er wird zur Katastrophe, wenn wir nicht beherzt handeln.

(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD: Ja, morgen sterben wir alle! - Weitere Zurufe von der AfD)

Wir haben heute erneut Vorschläge unterbreitet, wie man dem etwas entgegensetzen kann.

(Unruhe bei der AfD)

Vielleicht haben Sie von der Koalition diesmal Lust, im Ausschuss darüber zu diskutieren. Dann würde ich mich freuen, dann müssten Sie es überweisen. Wenn es klappt, klappt es. Wenn nicht, danke ich Ihnen erstmal dafür, dass Sie mir zugehört haben oder nicht zugehört haben.

(Beifall bei der LINKEN - Guido Kosmehl, FDP: Wir haben doch zugehört! Wir hätten sonst nicht reagieren können! - Zurufe von der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Lange, einen Augenblick. Es gibt eine Zwischenintervention von Herrn Lizureck. Darüber hinaus gibt es noch eine Nachfrage von Herrn Köhler, falls Sie die zulassen wollen.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Zunächst spricht Herr Lizureck.


Frank Otto Lizureck (AfD):

Danke. - Herr Lange, ich war im Mai im Klimahaus in Bremerhaven und habe mir dort ein paar Dinge angesehen, unter anderem eine Dokumentation über die Entwicklung der Sahara. Es war einst ein grüner Fleck, ein Paradies, dann hat es sich zur Steppe gewandelt und nunmehr ist es seit vielen, vielen Jahre eine Wüste. Das ist die eine Geschichte.

Die andere: Man hat vor Kurzem einen 2000 Jahre alten Römerweg in den Alpen entdeckt, der unter einem Gletscher lag. Wer hat denn dabei für die Klimaveränderung gesorgt? - Klimaveränderungen gehören einfach zur Erde. Das zieht sich durch die gesamte Geschichte der Erde. Jetzt auf einmal ist der Mensch an der Klimaveränderung von einem Grad schuld?

Ich sage Ihnen eines: Krisen werden gemacht, damit die breite Masse der Menschheit bezahlt und ein paar wenige Menschen sehr, sehr viel Geld verdienen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Eu, eu, eu!)

Jetzt überlegen Sie einmal, wer die Studien zu diesen Klimaveränderungen gemacht hat und wer die bezahlt hat. Das waren nämlich die Leute, die schon Geld haben und noch viel mehr Geld verdienen wollen. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Lange, Sie können gern reagieren.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Da das eine Intervention war, konnte ich das natürlich nicht unterbinden. Noch einmal: Nein, ich werde nicht versuchen, Sie zu bekehren, weil das nicht funktionieren wird. Wenn Sie aber zugehört hätten, was der Professor im Umweltausschuss gesagt hat, dann wären Sie vielleicht ein ganz kleines bisschen skeptisch geworden, ob Ihre Gewissheiten wirklich stimmen.

Ich habe es hier schon einmal gesagt. Wenn über viele, viele Hunderte von Millionen Jahren angesammeltes CO2 im Karbon etc. innerhalb von 200 Jahren sprunghaft von uns Menschen freigesetzt wird, dann kann das nur Folgen haben.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei den GRÜNEN und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Es waren Warmzeiten, in denen die Pflanzen eingelagert wurden. In der Kaltzeit werden die Pflanzen verbrannt und das CO2 kommt in die Atmosphäre. Es ist einfache Physik zu wissen, was dann passiert. Deswegen gilt: Wer das heute noch leugnet, der muss sich fragen lassen, welchen Lobbyisten er auf den Leim gegangen ist

(Zustimmung bei der LINKEN, von Olaf Meister, GRÜNE, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

oder welchen Lobbyisten er an der Stelle das Wort gibt, nämlich der fossilen Industrie, die einfach nur so weitermachen möchte wie bisher. Das geht nicht mehr.


Frank Otto Lizureck (AfD):

Herr Lange, anhand von Bohrkernen


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Lange. Herr Köhler noch?


Frank Otto Lizureck (AfD):

lässt sich feststellen, dass es in der Geschichte der Erde schon viel höhere CO2-Konzentrationen


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Lizureck! Herr Lizureck!


Frank Otto Lizureck (AfD):

bei niedrigeren Temperaturen gegeben hat.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das war eine Intervention, keine Frage mit Nachfrage.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Eine Frage beantworte ich nicht.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Nein, okay. Herr Lange möchte die Frage nicht zulassen. Deswegen kommen wir jetzt zur Stellungnahme der Landesregierung. Ich bitte Herrn Minister Willingmann an das Rednerpult.