Rüdiger Erben (SPD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! - Frau Ministerin hat schon festgestellt, dass Sie, Herr Siegmund, zwar viel über Flüchtlinge und Asyl gesprochen haben, aber wenig über Ihren Antrag

(Tobias Rausch, AfD: Das ist eine Debatte und kein Antrag!)

zum sogenannten Flüchtlingsgipfel. Nehmen Sie es mir deswegen nicht übel, dass ich heute zu Ihrem eigenen Antrag rede.

(Ulrich Siegmund, AfD: Wir haben keinen Antrag!)

- Sie brauchen jetzt nicht zu brüllen. Sie werden es sich erst einmal anhören müssen.

(Ulrich Siegmund, AfD: Wir haben keinen Antrag! - Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Der Ministerpräsident hat nach dem Treffen der Länderregierungschefs mit dem Bundeskanzler von einem Teilerfolg gesprochen. Ich will mir das ausdrücklich zu eigen machen und füge hinzu: 1 Milliarde € und auch unser Anteil davon sind ein recht guter Teilerfolg.

(Ulrich Siegmund, AfD: Es ist trotzdem kein Antrag!)

Ich unterstütze natürlich auch die Forderung nach mehr Planungssicherheit für die Kommunen. Frau Ministerin hat es bereits erwähnt. Ich sage aber auch: Man muss bei Planungssicherheit realistisch bleiben.

Was die Welt erschüttert, kann in Deutschland nicht durch Planung abgefangen werden. Ich habe seit mehr als 30 Jahren mit diesem Thema zu tun und kenne noch die Ereignisse, als die ersten Flüchtlingsströme aus dem zerfallenden Jugoslawien nach Deutschland kamen. Das konnten wir nicht planen. Ich erinnere mich an 2015 und 2016, den Bürgerkrieg in Syrien. Die entsprechenden Auswirkungen konnten wir nicht planen.

(Zuruf von der AfD: Aber Grenzen kann man planen!)

Wir konnten auch nicht planen, dass es nach dem russischen Angriff auf die Ukraine eine massenhafte Flucht in die Nachbarländer und nach Deutschland gegeben hat. Nein, der Umgang mit Fluchtbewegungen wird in erster Linie auch zukünftig Reaktion bleibt. Ganz anders ist das allerdings bei der regulären Zuwanderung.

Was die AfD zur Flüchtlingspolitik fordert, heißt letztendlich: Sie kocht ihr politisches Süppchen darauf.

(Oh! bei der AfD)

Wir wollen, dass andere europäische Staaten mehr Verantwortung bei der Aufnahme von Flüchtlingen übernehmen.

(Zurufe von der AfD: Wollen die doch nicht! - Die machen das nicht! - Ach!)

Aber dafür opfern wir nicht die Bewegungsfreiheit und die offenen Grenzen innerhalb der Europäischen Union.

(Zuruf von der AfD: Ja! - Ulrich Siegmund, AfD: Genau! Sie hebeln das Recht einfach aus!)

Wir wollen die Kosten für die Kommunen senken. Aber deswegen missachten wir nicht die Menschenwürde und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum.

(Beifall bei der SPD - Ulrich Siegmund, AfD: Doch, machen Sie!)

Wir wollen, dass rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückgehen. Aber - das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich auch an die Adresse des sächsischen Ministerpräsidenten -: Dafür legen wir nicht die „Axt“ an das individuelle Grundrecht auf Asyl, das im Grundgesetz verankert ist;

(Beifall bei der SPD)

denn an dem Problem, das die Kommunen bewältigen müssen, nämlich die Erstaufnahme, egal wie die Aufnahmechancen für die Ankommenden jeweils sind, ändert ein Herumfummeln am Grundgesetz nichts.

(Zuruf von der AfD: Weil da gar kein Asylantragsrecht ist!)

Deswegen sind die Ansätze, die auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser und ihr Beauftragter Joachim Stamp vertreten,

(Zuruf von der AfD)

richtig, nämlich dass wir Asylverfahren vor allem an den EU-Außengrenzen durchführen,

(Zurufe von der AfD)

dass wir die Verteilung der Schutzbedürftigen in Europa solidarisch hinbekommen und dass Rücknahmeabkommen geschlossen und auch umgesetzt werden.

(Unruhe bei der AfD)

Was mich an der Debatte stört:

(Anhaltende Unruhe und Oh! bei der AfD)

Bund, Länder und Kommunen zeigen jeweils auf die andere Ebene.

In dem Zusammenhang fällt mir eine chinesische Weisheit ein.

(Oh! bei der AfD)

Sie lautet: Bevor du ausziehst, die Welt zu verbessern, gehe dreimal durch dein eigenes Haus.

Ich fürchte, bei dem Rundgang durch das Haus würde man in Sachsen-Anhalt über die ZASt-Baustelle in Stendal stolpern. Ich könnte das weiter ziehen, nämlich: Bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht gibt es zwischen den Bundesländern eklatant unterschiedlich erfolgreiches Vorgehen, um es höflich zu beschreiben.

Wir merken das auch zwischen den Landkreisen in Sachsen-Anhalt. Dass liberale Flüchtlingspolitik und menschenwürdiger Umgang mit Flüchtlingen einerseits und die Durchsetzung der Ausreisepflicht andererseits kein Widerspruch ist, zeigt mein eigener Heimatlandpreis, der Burgenlandkreis. Auf der einen Seite weist er eine Flüchtlingspolitik auf, die sicherlich vorbildlich ist, auf der anderen Seite hat er aber die mit Abstand meisten Durchsetzungen der Ausreisepflicht in den letzten Jahren aufzuweisen. Das ist kein Widerspruch. Ich glaube, auch im Konzert der Landkreise und kreisfreien Städte sollte man das berücksichtigen.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Entscheidend ist, wir müssen unsere Zuwanderungspolitik so organisieren, dass sich der Weg in ein aussichtsloses Asylverfahren nicht lohnt.

(Unruhe bei der AfD)

Das muss nach Möglichkeit schon in den Herkunftsländern vermittelt werden, damit sich die Menschen gar nicht erst auf gefährliche Fluchtwege begeben.

(Zuruf von der AfD)

Daher müssen aber die Wege für die legale Zuwanderung in den Arbeitsmarkt klar definiert sein, wie es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf den Weg gebracht hat.

(Zuruf von der AfD)

Diese Zuwanderung haben fast alle Branchen in Deutschland bitter nötig.

(Zuruf von der AfD)

Daneben müssen politisches Asyl und humanitäre Flüchtlingsaufnahme weiterhin für die offenstehen, die unseren Schutz benötigen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Intervention von Herrn Lizureck. - Herr Lizureck, Sie haben das Wort.


Frank Otto Lizureck (AfD):

Herr Erben, Sie sprechen hier von Menschenwürde. Ich frage mich ernsthaft, wo die Menschenwürde der Frauen und Kinder bleibt, die z. B. am Stadtsee in Stendal oder hier in Magdeburg-Neustadt wohnen. Die Frauen trauen sich abends nach 18 Uhr nicht mehr vor die Tür. Warum? Weil sie dort sexuell belästigt werden. Es sind keine Rechtsextremen, die da irgendwo an jeder Ecke stehen.

Ich muss Ihnen sagen: Wir waren im Rahmen unserer Arbeitsgruppe „Recht und Verfassung“ in Stendal in der ZASt. Dort hat man uns anhand eines Lageplans die Funktionalität dieses Objektes erklärt. Mir ist da eine dicke blaue Linie um das Gästehaus aufgefallen. Meine Frage nach der Funktionalität dieser Linie wurde mir folgendermaßen beantwortet: Dieses Objekt wird durch einen Zaun gesichert. Die Insassen, die vulnerabel sind, Frauen und Kinder, müssen vor den weiteren Insassen dieser ZASt geschützt werden.

(Zurufe: Ach! - Oh! - Zuruf von der AfD: Wie machen sie denn das?)

Meine Frage daraufhin, wo denn die dicke blaue Linie für die Frauen am Stadtsee bleibt,

(Zuruf von der AfD)

wurde mit Nein beantwortet.

Eine weitere Auswirkung. Sie wissen also ganz genau, dass sich dort über die Maßen Kriminelle verbergen, die einfach aufgrund ihrer Herkunft eine andere Einstellung zur Frau haben - viele, nicht alle; das möchte ich hier noch einmal betonen -, dass diese Menschen eine Gefahr darstellen.

(Unruhe bei der AfD)

Noch eine Meldung des BKA. Jeden Tag gibt es fast zwei Vorfälle von Gruppenvergewaltigungen. Die sind momentan auf einem Rekordhoch. Ich frage mich in dem Zusammenhang: Jeder tritt hier für eine Frauenquote ein. Warum wird dann nicht an der Grenze eine Frauenquote eingeführt, dass die einfach mal ihre Frauen mitbringen? Wo sind wir denn da mit dem Frauenrecht? - Danke.

(Beifall bei der AfD - Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Erben, wenn Sie wollen, können Sie antworten.


Rüdiger Erben (SPD):

Herr Lizureck - so war es, glaube ich -, Sie haben mehrmals betont, ich wüsste ganz genau. Im Unterschied zur AfD - was Sie immer behaupten - behaupte ich nicht von mir, dass ich alles ganz genau weiß.

(Zuruf von der AfD: Ach!)

Das ist ein riesen Unterschied.

(Unruhe bei der AfD)

Es ist Aufgabe des Staates, vulnerable Gruppen unter Flüchtlingen zu schützen.

(Zuruf von der AfD: Was?)

Es ist aber auch Aufgabe des Staates, auch alle anderen, die eines Schutzes bedürfen, Sicherheit zu gewähren.

(Zurufe von der AfD)

Dann ist - um bei Ihrer platten Argumentation zu bleiben - keinesfalls ein Zaun das richtige Mittel, um den Schutz zu gewährleisten.

(Zurufe von der AfD)

Wenn Straftaten begangen werden, dann sind die zu verfolgen oder vorher zu verhüten, völlig egal, woher der potenzielle Straftäter kommt.

Was Sie daraus machen wollen: Sie wollen natürlich Ihre ganze Mischung aus Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Flüchtlingsfeindlichkeit

(Unruhe bei der AfD)

darum garnieren.

(Zuruf von der AfD: Warum? - Weitere Zurufe von der AfD)

- Na gut. Ich meine, Sie können mir zuhören, weil er mir eine Frage stellt. Sie können aber auch dazwischenbrüllen. - Vielen Dank.

(Unruhe bei der AfD)


Frank Otto Lizureck (AfD):

Um auf Ihre platte Argumentation zu antworten:


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Lizureck.


Frank Otto Lizureck (AfD):

Der Zaun muss um die Leute, die kriminell sind.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Lizureck, Sie haben nicht noch einmal das Wort. Sie haben bereits zwei Minuten geredet. Deshalb sind wir jetzt durch. - Wir kommen zur nächsten Rednerin. Das ist Frau Quade für die Fraktion DIE LINKE. - Frau Quade, Sie haben das Wort. Bitte sehr.