Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen sind wesentliche Voraussetzungen dafür, dass sich gut qualifizierte Fachkräfte entscheiden, ihre Zukunft in Sachsen-Anhalt aufzubauen.

Gemeinsames Ziel der Landesregierung ist deshalb die Schaffung von guten, fairen und gesunden Arbeitsplätzen. Zentral für unsere Arbeitsmarktpolitik ist die Einschätzung, dass wir bei der Fachkräftesicherung nur dann nachhaltigen Erfolg haben werden, wenn Unternehmen attraktive und mitarbeiterorientierte Beschäftigungsmöglichkeiten bieten.

Unser Land konkurriert mit der Qualität seiner Beschäftigungsbedingungen mit den Beschäftigungsmöglichkeiten anderer Regionen in Deutschland und Europa. Tarifvertragliche Einigungen - seien sie auch durch Streiks hart erkämpft - helfen, genau das sicherzustellen. Darum sollten wir diese begrüßen.

Auch tragen Streiks dazu bei, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf ein bestimmtes Thema zu lenken; zuletzt auf die Bedeutung fairer Arbeitsbedingungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Mit der jüngsten Tarifeinigung wird die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber gestärkt und das liegt in unserem Interesse, meine Damen und Herren Abgeordneten.

Darüber hinaus gibt es noch viel zu tun. Die Tarifbindung ist immer noch zu niedrig und liegt in Sachsen-Anhalt nach wie vor unter dem Bundesdurchschnitt. Aber die uns zuletzt vorgelegten Ergebnisse des IAB-Betriebspanels weisen auch auf eine stetige Verbesserung im Land hin. Danach waren 23 % der Unternehmen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2021 tarifgebunden. Damit ist die Tarifbindung bereits das zweite Jahr in Folge entgegen dem Trend in anderen Bundesländern um 1 % gestiegen; denn sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland ist der Anteil der Tarifbindung das zweite Jahr in Folge um 1 % gesunken.

Zudem waren 48 % der Beschäftigten in Sachsen-Anhalt 2021 tarifgebunden. Auch hierbei ist der Anteil bereits das zweite Jahr in Folge gestiegen. Betriebe, die der Tarifbindung unterliegen, zahlen dabei Löhne und Gehälter, die um ca. 14 % über dem Durchschnitt aller Betriebe liegen. Insgesamt gesehen erhalten tarifgebundene Beschäftigte also höhere Löhne und Gehälter als Beschäftigte ohne Tarifvertrag. Dabei sorgt Tarifbindung aber für mehr als nur einen guten Lohn: Arbeitszeitgestaltung, Berücksichtigung von Aspekten der Work-Life-Balance, Arbeitsschutz, Familienfreundlichkeit - all dies kann tariflich geregelt werden und wäre ansonsten schwer durchsetzbar. Daher gilt es, diese aktuell positiven Entwicklungen auch künftig beizubehalten.

Eng mit den Fragen der Lebens- und Einkommensentwicklung ist auch ein weiteres Betätigungsfeld der Arbeitsmarktpolitik des Landes verknüpft. Wenn wir qualifizierte Arbeit voranbringen wollen, dann müssen wir auch in die weichen Faktoren guter Arbeit investieren. Der Wirtschafts- und Lebensstandort in unserem Land ist so zu gestalten, dass sich Menschen entscheiden, hierher zu kommen und hier zu bleiben. Unser Land kann z. B. mit bezahlbarem Wohnraum und mit guten Kinderbetreuungs- und Bildungsmöglichkeiten punkten. Die Landesregierung, die Kommunen, die Sozialpartner sowie die Arbeitsmarkt- und Integrationsakteurinnen sind gefordert, die guten Perspektiven zu kommunizieren und überzeugend damit zu werben.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mehr Tarifbindung, eine gestärkte Sozialpartnerschaft sowie eine weitere Lohnangleichung zwischen Ost und West sind in meinen Augen Meilensteine im Wettbewerb um in- und ausländische Fachkräfte. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich sehe gerade noch eine Meldung in letzter Sekunde von Herrn Gallert. - Herr Gallert, bitte.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Meine Meldung kam in der vorletzten Sekunde.

(Vizepräsidentin Anne Marie Keding lacht)
Frau Grimm-Benne, Sie haben völlig berechtigt   dazu hatte ich nicht genug Zeit   über die Entwicklung der Tarifbindung in Sachsen-Anhalt geredet. Jetzt können wir uns einmal die Zeitlisten angucken. Es gibt auch von der Böckler-Stiftung diese Langzeitstudie. Wir haben einen ganz klaren Einbruch der Tarifbindung vor allen Dingen in den Nuller-Jahren, und zwar in Sachsen-Anhalt und bundesweit, der sich sehr deutlich abzeichnet und von dem wir uns bis heute nicht erholt haben - weder in Sachsen-Anhalt noch bundesweit.

Können Sie mir einmal sagen, welche politischen Rahmenbedingungen dazu geführt haben, dass es dieses radikale Absinken der Tarifbindung bei uns und in Deutschland gegeben hat?


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Sie wissen, wir haben lange Zeit in Sachsen-Anhalt damit geworben, dass wir ein Niedriglohnland sind und dass wir hier mit vielen Investitionsmitteln Unternehmen ansiedeln lassen, um zu sagen, dass hier die Beschäftigungsbedingungen und die Einkommensbedingungen besonders schlecht sind. Wir haben uns davon   das merkt man auch hinsichtlich der Sozialkosten   noch immer nicht erholt. Das müssen wir noch tun.

Ich bin nur sehr stolz darauf, dass wir im Grunde genommen seit 2016, als wir die Koalition gebildet haben, gesagt haben, dass das nicht so bleiben darf und dass wir eine viel bessere Fachkräftebindung hinbekommen haben, damit wir tatsächlich Menschen, gerade in den Bereichen, die von den Gewerkschaften sehr getragen waren, gewinnen konnten. An der Stelle war ich insbesondere den Gewerkschaften Ver.di und der IG Metall sehr dankbar, die dafür gesorgt haben, dass wir insbesondere in den Bereichen, wo es um Industriestandorte und deren Weiterentwicklung ging, viel für die Tarifbindung getan haben.

Wir als Landesregierung merken das auch. An der Stelle muss man auch dem Ministerpräsidenten danken. Wir haben im Land seit 2016 wieder Betriebsräte- und Personalrätekonferenzen. Dahin gehend merken wir, dass sich auch die Arbeitgeber als Unternehmen beteiligen, um darüber zu zeigen, wie gut es ist, dass man ein tarifgebundenes Unternehmen ist, weil man hinsichtlich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine hohe Zufriedenheit hat und weil man darüber auch die Abwanderung von Fachkräften in den Griff bekommt.