Tagesordnungspunkt 27
Beratung
Soziale Lage der Studierenden nicht aus den Augen verlieren - Hochschulsozialpakt und elternunabhängiges BAföG jetzt auf den Weg bringen!
Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2516
Die Einbringung wird Herr Lange vornehmen. - Sie haben das Wort.
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im Jahr 2017 hat meine Fraktion die Idee eines Hochschulsozialpaktes in den Landtag eingebracht. Damals waren es die Studentenwerke, die den Hochschulsozialpakt neben dem Hochschulpakt als soziale Komponente gefordert hatten. Alle Analysen, die sich aus der Sozialerhebung 2016 ergeben, sind heute noch gültig. Und: Wir wissen aus Befragungen, dass Corona die soziale Lage der Studierenden weiter verschlechtert hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn in der Diskussion bei „ArbeiterKind.de“ eine junge Frau ihre Situation so beschreibt, dass sie sich entscheiden muss, ob sie sich ein Buch für ihr Studium oder etwas zum Essen kauft, sind das die skandalösen Lebensbedingungen, die für viele Studierende Realität sind. Das ist eine Situation, die wir uns angesichts des Fachkräftemangels überhaupt nicht leisten können.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Gerade die Studierenden mit geringen Einkünften sind diejenigen, die am meisten auf die Leistungen der Studentenwerke angewiesen sind. Das gilt sowohl für die Essensversorgung in den Mensen als auch für die Versorgung mit Wohnraum in den Wohnheimen.
Es ist ein Fakt, dass Studierende mit geringen Einkünften bis zu 46 % für das Wohnen ausgeben. Bei Studierenden mit hohen Einnahmen sind es nur 28 %. Sie sehen die Bedeutung, die die Studentenwerke als soziales Unterstützungssystem haben.
Damit der Wohnheimbau voranschreiten kann, sind ja nun 13,5 Millionen € Bundesmittel aus dem sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Für das Land gerechnet, wird diese Summe jedoch nicht ausreichen. Wir fordern daher erneut einen Hochschulsozialpakt, an dem sich Bund und Länder beteiligen. Mit diesem Geld soll neuer Wohnraum geschaffen werden, wo er gebraucht wird. Eine weitere Komponente muss die Sanierung der Wohnheime sein; denn sie sind in die Jahre gekommen. Nicht zuletzt gibt es nur ein sehr geringes Angebot an barrierefreiem Wohnraum, was Menschen mit Behinderungen ausgrenzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ernst die soziale Situation der Studierenden mit geringen Einkünften ist, habe ich beschrieben. Um so erschreckender ist es, dass bei unseren Studentenwerken die Wohnheimpreise massiv gestiegen sind. Ja, die Erhöhung der Betriebskosten wegen der Energiepreise ist nachvollziehbar. Ich hoffe, dass die Unterstützungen durch das Land hier kostendämpfend wirken.
Warum man aber in dieser angespannten Situation gleichzeitig die Mieten und die Möbelierungspauschale erhöhen muss, erschließt sich mir nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Erhöhungen zwischen 50 € und 70 €, in einem kleinen Apartment für Familien mit Kind sogar mehr Als 100 €, ist für Studierende ein Schlag ins Kontor, auch wenn der Staatssekretär diese Mieterhöhungen als moderat ansieht.
Auch wenn die Studentenwerke nun Sozialberatungen anbieten, fordern wir einen Notfallfonds; denn, meine Damen und Herren, niemand darf seinen Wohnheimplatz bei einem Studentenwerk verlieren, weil er sich die Miete nicht mehr leisten kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Die soziale Lage der Studierenden ist schon schlimm genug. Die Angst davor, ob man sich ein Studium leisten kann, ob man überhaupt Bafög und günstigen Wohnraum bekommt, ist besonders bei Nichtakademikerkindern groß. Allein aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit ist das schon ein Skandal.
Aber, meine Damen und Herren, wir können es uns auch und gerade in akademischen Berufen nicht leisten, auch nur ein Talent zu verlieren, weil sich ein junger Mensch das Studium nicht leisten kann. Über viele Jahre hinweg gibt es bei der Anzahl der BAföG-Berechtigten einen dramatischen Abwärtstrend. Keine der BAföG-Reformen und erhöhungen hat diesen Trend gestoppt. Insbesondere Familien, die so knapp über die Bemessungsgrenzen kommen, trifft es am härtesten. Das sogenannte Mittelstandsloch ist in diesem Zusammenhang ein geflügeltes Wort geworden.
Meine Damen und Herren! Es ist schon bittere Ironie, wenn jetzt die Löhne steigen und deswegen die Anspruchsberechtigungen erlöschen. Bei galoppierender Inflation und Reallohnverlusten ist das kaum zu ertragen.
Fast 70 % der Studierenden jobben nebenbei, um über die Runden zu kommen. Meine Damen und Herren! Was tun wir den jungen Menschen eigentlich an?
(Beifall bei der LINKEN)
Statt sich aufs Studium konzentrieren zu können, müssen sie nebenher arbeiten. Ich finde das fatal.
(Beifall bei der LINKEN)
Um dem etwas entgegenzusetzen, gibt es das Konzept des elternunabhängigen Bafög. Wir wären nicht die DIE LINKE, wenn wir nicht dieses als Vollzuschuss ohne Rückzahlung fordern würden.
(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)
Ein elternunabhängiges BAföG würde sofort einen großen bürokratischen Prüfaufwand reduzieren. Und es gäbe jungen Menschen die Sicherheit, studieren zu können, ohne dass man Angst vor der Frage haben muss, wie man über die Runden kommt.
Um die Freiheit wirklich zu haben, muss sich die Berechnung mindestens an der Grundsicherung orientieren. Und, meine Damen und Herren, wir reden ja hier nicht von „linker Spinnerei“.
(Zurufe)
- Hören Sie zu, Sie haben Zeit dafür! - Schon im Koalitionsvertrag heißt es:
„Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Erstorientierung in Form des Schnupperstudiums künftig nicht auf die BAföG-Förderdauer angerechnet wird. Zur grundlegenden Reform des BAföG werden wir eine Bundesratsinitiative einbringen. Ziel dieser Reform sind eine elternunabhängige Förderung und der Verzicht auf die Rückzahlung empfangener Leistungen.“
Also: Wie auf Rückzahlung verzichten? - Sie haben ja hier aufgeschrieben, dass Sie das auch wollen. Von daher freue ich mich schon auf das lobende Aufgreifen unserer Initiative durch die Regierung, meine Damen und Herren! Dann höre ich schon die Stimmen, dass der Arztsohn oder die Tochter der gut verdienenden Apothekenbesitzerin auch Anspruch auf eine staatliche Unterstützung haben.
Ja, darüber kann man streiten.
Aber wenn ein junger Mensch wirklich frei in der Entscheidung sein soll, was er studieren möchte, dann muss das elternunabhängige Bafög als ein Recht des Studierenden angesehen werden.
(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)
Denn viel zu oft wird von den Eltern festgelegt, was studiert werden muss, wenn ein junger Mensch von den Finanzen der Eltern abhängig ist. Darum hoffe ich sehr, dass die Worte im Koalitionsvertrag keine Worthülsen sind und unsere Initiative aufgegriffen wird. Lassen wir die Studierenden nicht im Regen stehen. Sie sollen unser aller Zukunft nämlich gut gestalten. Geben wir ihnen bestmögliche Startchancen. - Danke.
(Zustimmung bei der LINKEN und von Dorothea Frederking, GRÜNE)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Lange, würden Sie noch einen Moment hierbleiben? Herr Kosmehl hat eine Frage. Wollen Sie die beantworten?
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Na, dann schauen wir mal. Ich bin gespannt.
Guido Kosmehl (FDP):
Sehr geehrter, Herr Lange, ich weiß nicht, ob Ihre Einstellung zum Bafög das Idealbild sein sollte. Ich möchte zwei kurze Fragen stellen.
Erstens. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass sich nach der Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt auf der Bundesebene eine neue Regierung gebildet hat, die bereits erste Schritte zu den Fragen der Bafög-Erhöhung, des elternunabhängigen Bafögs sowie der Erhöhung der Zuverdienstgrenzen unternommen hat und damit den Studierenden durchaus schon Perspektiven aufgezeigt hat? - Das war die erste Frage.
Zur zweiten Frage. Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass die Frage, ob das Bafög zurückzuzahlen ist, auch von der Leistung, also von der Regelstudienzeit oder der vorderen Leistungsdichte als Kriterium abhängen soll, um Teile der Rückzahlung erlassen zu bekommen und damit auch einen Anreiz für junge Menschen zu geben,
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
ihr Studium zügig, aber eben auch erfolgreich abzuschließen?
(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP)
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Ich verstehe Ihren Satz, auf die Rückzahlung empfangener Leistungen zu verzichten, anders. Ich habe davon eine andere Vorstellung. Ich glaube, wenn jemand studiert, dann erbringt er eine Leistung für die Gesellschaft und lernt etwas.
(Zurufe von der CDU, von der AfD und von der FDP)
- Leute, natürlich erbringt er eine Leistung für die Gesellschaft. Denn er erlernt einen akademischen Beruf und wird damit natürlich zukünftig etwas für die Gesellschaft bringen. Natürlich ist das eine Leistung für die Gesellschaft, die damit erbracht wird.
(Unruhe - Zurufe)
- Ach, Leute! Dreht doch die Sachen nicht um. Wie dem auch sei. Das ist Ihr Weltbild; wir haben dazu ein anderes.
Das Zweite ist Folgendes: Bei der Grundsicherung fordern Sie doch auch nicht, dass die Leute das zurückzahlen.
(Zurufe von der AfD und von der FDP)
Warum sollen denn Studierende, die sich aufmachen, die lernen, die studieren das denn zurückzahlen? Es ist doch ohnehin schon ein ziemlicher Nonsens, der dort stattfindet.
(Unruhe - Zurufe)
Vielmehr müsste man doch dafür sorgen, dass die Studierenden Einkünfte so wie in anderen Ländern bekommen, nämlich für die Zeit, in der sie studieren, also entsprechend ein elternunabhängiges Bafög. Wie Sie das dann nennen, ist Ihre Sache.
Wenn Sie meinen, dass das dazu führen kann, dass jemand 50 Jahre studiert... - Ja, du meine Güte.
(Zurufe)
Erstens gibt es Möglichkeiten, das noch zu begrenzen, wenn man das möchte, wobei ich bei einem Zweitstudium auch schon meine Zweifel daran habe. Zweitens gibt es noch ganz andere Möglichkeiten, das zu betrachten. Das möchte ich jetzt aber nicht weiter ausführen.
Was war die andere Frage? - Ach so, Sie wollten das mit den Rückzahlungen und Leistungen wissen. Das halte ich nicht für das geeignete System.
(Unruhe)