Juliane Kleemann (SPD):
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine Binse, dass Regierungen an der Zukunft des entsprechenden Landes arbeiten. Aber wenn wir in diesen Tagen von der „Zukunftsaufgabe“ reden, die uns wahrscheinlich am stärksten beschäftigen wird, dann ist das die des Umbaus im Energiebereich. Das in diesem Zusammenhang schon jetzt am häufigsten zu hörende Wort lautet „Transformation“. Klima und Wirtschaft werden profitieren, wenn wir den Umbau des Energiebereichs zu einem großflächigen Gewinn für die meisten Bürgerinnen und Bürger machen, also Strompreise, die nicht durch die Decke gehen, nachhaltige Arbeitsplätze vor Ort und in den Regionen, Gewinnabschöpfung für die Regionen und Kommunen, Klimaneutralität und schwindende Abhängigkeit von externen Energieerzeugern. Das alles und wahrscheinlich noch einiges dazu bedeutet „Transformation“.
Also: „Transformation“ in diesem existenziellen Bereich „Energiegewinnung“ heißt konkret, dass das gesamte Land, also alle Bürgerinnen und Bürger, sich daran gewöhnen werden müssen, sich mit Fotovoltaikanlagen und mit größeren oder auch mit mehr Windrädern und auch mit Biogasanlagen zu leben.
(Beifall)
Die Zeiten sind vorbei, in denen eben nur einige wenige täglich sehen, woher der Strom kommt. Wir werden alle damit leben müssen, dass alle sehen, woher der Strom kommt.
Es sind zum Glück auch die Zeiten vorbei, dass nur einige wenige Regionen in unserem Land die Lasten wie Abbaufolgen und Braunkohledreck zu tragen hatten, aber auch den Nutzen im Bereich der Arbeitsplätze direkter und mittelbarer Art. Das wird sich flächig verteilen. Ich glaube, dass das gerecht und gut ist.
Wenn sich aber Windparkanlagen und Solaranlagen über das gesamte Land verteilen, dann muss es auch so sein, dass sich der Nutzen im gesamten Land verteilt und im Alltag aller erfahrbar wird.
(Zustimmung)
Ich glaube, dass wir nun dann eine Chance haben, die Energiewende zu einem erfolgreichen Projekt zu machen. Mit anderen Worten: Allein mit einer Bezifferung der Ausbauziele und mit einem einseitigen Druck durch Zielmargen wird es nicht getan sein.
Die Errichtung von Wind- und Solaranlagen bzw. die Erneuerung von Windanlagen kann zu einer zusätzlichen Wertschöpfung und zur Entstehung neuer Arbeitsplätze führen. Ob wir hier in Sachsen-Anhalt allerdings von dieser Zukunftsbranche wieder stärker profitieren, hängt neben günstigen Standortbedingungen vor allem von der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ab. Deswegen ist es gut, dass Wissenschaft und Energiewende jetzt zusammen in einem Zukunftsministerium gedacht werden. Denn genau in dieser Zukunftsbranche ist ein optimaler Wissenstransfer von Hochschulen in die Unternehmen wichtig und nötig. Darin haben wir Potenzial; das haben wir in Sachsen-Anhalt schon bewiesen. Das dürfen wir auch weiterentwickeln und uns sozusagen neu im Rücken gerademachen und nach vorne schauen.
(Beifall)
Nun liegt der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Ich will an dieser Stelle nur einige wenige Punkte daraus aufgreifen:
Zum einen den Ausbau der landesweiten Ausbauziele. Ich glaube, fast allen hier im Saal ist doch deutlich, dass wir bei der Menge der erneuerbaren Energien zulegen müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Ich glaube, das ist bei den meisten von uns unstrittig. Der Weg dahin geht neben dem inhaltlichen Vorhaben vor allem aber aus meiner Perspektive jedenfalls über das Instrument der Beteiligung.
Teilhabe am Nutzen der Energieanlagen ist die Form der Beteiligung, die in Zukunft viel stärker als bisher die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mitnehmen muss. Wir werden es schaffen müssen, dass sich Genehmigungsverfahren nicht in die Länge ziehen. Und wir werden es schaffen müssen, dass es eine qualifizierte Beteiligung am Nutzen geben muss.
Klar, ein Weg, eine Hürde, die wir wegarbeiten müssen, ist der Abbau von bürokratischen Hindernissen. Aber noch einmal: Mindestens genauso wichtig ist, dass die Kommunen, also Bürgerinnen und Bürger, etwas von diesem Mammutakt der Energietransformation haben. Deswegen müssen wir neben aller Planung auch in die Kommunikation und Werbung investieren und Kommunen und Initiativen helfen, Bürgerenergieanlagen zum kollektiven Nutzen vieler entstehen zu lassen. Ich unterstelle einmal, dass diese kommunikative Leistung vermutlich viel mehr Anstrengung kosten wird, als es ein Gesetz je leisten kann.
(Zustimmung)
Nur dann, wenn die Erträge von verkaufter Energie vor Ort bleiben bzw. wenn die Erträge dort nutzbar, erfahrbar werden, wenn also die Energiepreise vor Ort kostengünstiger sind und dort eine große Abnehmer- und Sympathiezahl finden, werden wir die Klimaziele erreichen. Ich glaube, dass uns das Erbe der letzten Jahre dort noch etwas im Weg ist.
Wir brauchen also eine ausgewogene Balance von Planung und Druck durch Notwendigkeit, wenn wir darin übereinstimmen,
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Kommen Sie bitte zum Ende.
Juliane Kleemann (SPD):
- ich komme gleich zum Ende - dass wir eine Klimakrise haben und dass die Energiewende uns dabei hilft, das zu bewerkstelligen, und Kommunikation und sichtbarer Nutzen in den ländlichen Regionen auf der anderen Seite.
Alles Weitere, was in dem Antrag der GRÜNEN steht, ist sicherlich zu diskutieren. Wir schlagen vor, dass wir den Antrag federführend in den Ausschuss für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt überweisen. Mitbefasst sein sollen der Ausschuss für Infrastruktur und Digitalisierung und der Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ich danke Ihnen. - Augenblick, Frau Kleemann, es gibt eine Nachfrage. Sie können sich bestimmt denken, von wem.
Juliane Kleemann (SPD):
Ja.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Genau. Wollen Sie die beantworten?
Juliane Kleemann (SPD):
Ich höre sie mir an.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Sie hören sie sich an; das ist auch gut. - Frau Frederking, Sie dürfen die Frage zumindest schon mal vortragen.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Ja, ich bin auch ganz zuversichtlich, dass Frau Kleemann in der Lage sein wird, diese zu beantworten; denn ich gehe auf das ein, was Sie gesagt haben. Sie haben ja gesagt: „Es braucht auch kollektive Leistungen, um diesen kollektiven Nutzen vorzustellen.“
Meine Frage ist: Welche Maßnahmen stellen Sie sich für diese kommunikativen Leistungen vor? Wie soll diese Kommunikation laufen? Auch die Zeitschiene interessiert mich. Ein Jahr, zwei Jahre? Oder wie soll das laufen? Denn ich rekuriere auf das, was ich vorhin gesagt habe: „Wir haben einen enormen Druck. Wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen, brauchen wir einen richtig massiven Ausbau.“ Es ist also höchste Zeit, dass wir das hinkriegen, dass wir ins Machen, in die Umsetzung kommen, nicht nur Ziele festschreiben. Klar, wir schlagen auch nicht nur Ziele vor, sondern wir haben die Ziele, von denen wir rückrechnen,
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ich glaube, Sie haben Ihre Frage gut formuliert. - Frau Kleemann entscheidet jetzt.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
um dann auch zum Beispiel im Landesentwicklungsgesetz eine klare Vorgabe für die regionalen Planungsgemeinschaften zu machen. Das ist meine zweite Frage: Wäre das nicht sinnvoll?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Okay, gut. - Frau Kleemann.
Juliane Kleemann (SPD):
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir einen Zukunfts- und Klimakongress machen wollen. Ich stelle mir diesen Kongress als einen Prozess vor, nicht nur als eine einmalige Tagung nach dem Moto „Gut, dass mal ein paar Leute im Raum sitzen und miteinander reden“, sondern Teil dieses Kongresses muss sein, dass wir ein Kommunikationsprofil auflegen. Das ist nicht eine Frage in dem Sinne, dass gesagt wird: „Das machen wir innerhalb des nächsten halben Jahres. Dann ist es fertig und abgeschlossen.“ Ich glaube, dass wir die Kommunikationsleistung im Grunde stetig erbringen müssen. Wir brauchen dazu gute Instrumente und vor allen Dingen eine Idee, wie wir da einsteigen, aber auch wie wir es streuen. Von daher die Antwort: Die Eröffnung dieses Kommunikationsprozesses ist spätestens der Zukunfts- und Klimakongress. Die Dauer des Kommunikationsprozesses ist unendlich.