Konstantin Pott (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ob medial oder in Gesprächen mit betroffenen Einrichtungen - die Sozialagentur ist häufig ein Thema, das besprochen und über das viel diskutiert wird.
Gerade im Bereich der Eingliederungshilfe wird häufig Handlungsbedarf gesehen, z. B. wenn es um die steigenden Energiepreise oder die Inflation geht. Meistens steht die Sozialagentur negativ da und wird von vielen Seiten kritisiert.
Doch bevor ich vertiefend auf die Problemlagen eingehe, möchte ich kurz einige grundlegende Vorbemerkungen machen. Die Sozialagentur stellt die zuständige Verwaltungsbehörde Sachsen-Anhalts dar, wenn es um die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe geht. Sie unterstützt die einzelnen Sozialämter der Landkreise und der kreisfreien Städte.
Wichtig ist klarzustellen, dass die Sozialagentur in zwei Bereiche unterteilt ist: die Pflege und die Eingliederungshilfe. Innerhalb des Wirkungskreises der Pflege zeigen sich meistens keine schwerwiegenden Probleme. Dies geht aus diversen Gesprächen mit Pflegeeinrichtungen hervor. Natürlich gibt es auch immer wieder einmal Diskussionen wegen kleinerer Unzufriedenheiten. Im Großen und Ganzen nehme ich dort allerdings deutlich weniger Unmut wahr als im Bereich der Eingliederungshilfe.
Demgegenüber muss ich in Bezug auf den Bereich der Eingliederungshilfe feststellen, dass eigentlich sämtliche Gesprächspartner Unzufriedenheit signalisieren und äußern. Dort ist eindeutig Handlungsbedarf zu finden, der im Bereich der Pflege bei der Sozialagentur so nicht zu finden ist.
Dass es die Probleme zwischen Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Sozialagentur gibt, das ist uns bewusst und ist auch schon in diversen Redebeiträgen heute deutlich geworden. Wir müssen aus meiner Sicht grundlegend an das Problem herangehen und verstehen, wie die Sozialagentur arbeitet. Nur so können wir am Ende die Probleme lösen und die Arbeitsweise im Sinne der Betroffenen verbessern. Deswegen stehen wir als Koalition auch im regelmäßigen Austausch mit der Sozialagentur und versuchen dort, lösungsorientiert an die Kritik heranzugehen und die Probleme zu lösen. Auch innerhalb des Ausschusses ist bereits das eine oder andere Mal über diesen Themenkomplex insgesamt diskutiert worden.
Anhand der Unterteilungen und der jeweiligen Einstellungen zur Sozialagentur zeigt sich, dass gerade innerhalb des Bereichs der Eingliederungshilfe ein hohes Maß an Problemaufkommen zu finden ist und inzwischen auch medial mehrfach aufgegriffen worden ist. Das zeigt eindeutig auch die Bedeutung.
Neben diesen Problemlagen muss jedoch ebenfalls hervorgehoben werden, dass ein gewisses Maß an Verständnis für die internen Abläufe der Sozialagentur vonnöten ist; ich habe es eben angesprochen. Mit einem reinen „Macht es besser!“-Appell werden wir die Probleme mit Sicherheit nicht lösen. Die Abläufe müssen verstanden und auf dieser Basis optimiert werden, um die Sozialagentur in ihrer Effizienz und Effektivität zu steigern.
Die Diskussion muss sich darum drehen, wie wir Prozesse verbessern, digitalisieren und beschleunigen können. Wir müssen wegkommen von der Idee, dass allein mehr Geld alle Probleme dort lösen würde. Es würde Sie, glaube ich, nur zeitweise verwischen.
(Beifall bei der FDP)
Gehen wir ein bisschen tiefer, zu den Ursachen und den Auswirkungen auf die Träger. Die Verhandlung zwischen den Beteiligungen stocken und es zeigen sich Probleme. Dies zeigt sich bspw. an der hohen Zahl der Schiedsstellenverfahren auch das haben wir gehört , die die in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich höher ist. Das möchte ich an dieser Stelle hervorheben.
Die Zahl der offenen Schiedsstellenverfahren beläuft sich so sind zumindest meine Kenntnisse auf ca. 700. Es ist selbstverständlich, dass diese hohe Zahl so nicht hinnehmbar ist, keine Frage. Aber wir müssen immer auch die Zahlen einordnen. Wir müssen wissen, dass diese Zahlen richtig interpretiert werden. Denn aufgrund der Vorgaben und Strukturen auch das haben wir gehört werden häufig Schiedsstellenverfahren angestoßen, um Fristwahrungen und Rechtsansprüche zu sichern. Teilweise laufen dann währenddessen die Verhandlungen mit den Trägern. Aber es geht, wie gesagt, ggf. um Rechtsansprüche, die ansonsten verfallen würden. An dieser Stelle haben wir ein klares strukturelles Problem, das wir angehen müssen und mit dem so habe ich das zumindest aus der Sozialagentur vernommen aktuell auch die Sozialagentur selbst unzufrieden ist.
Ein weiterer Punkt sind die finanziellen Probleme von Einrichtungen der Behindertenhilfe. Seitens der Sozialagentur wird signalisiert, dass die Probleme existent, aber bei Weitem nicht so gravierend sind, wie es dargestellt wird. Es gilt, das kritisch zu betrachten und mithilfe weiterer Gespräche zu vertiefen. Wir sollten darauf achten das habe ich auch gegenüber der Sozialagentur deutlich gemacht , dass es nicht passieren darf, dass Einrichtungen aufgrund der Inflation oder der hohen Energiepreise aktuell schließen müssen. Das darf nicht das Ziel sein.
(Zustimmung bei der FDP)
Eine Sache kam in der Debatte bisher ein bisschen zu kurz: Was sollte eigentlich im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen? - Es sind die Betroffenen, getreu dem Motto, welches von Menschen mit Behinderungen immer wieder betont wird: Nichts über uns ohne uns!
Auch die Träger vertreten nicht immer die Meinungen der Betroffenen. Ich kann mich hier sehr gut an eine Sitzung des Landesbehindertenbeirats erinnern, bei dem wir über die Mindestbauverordnung gesprochen haben, nach dem Fachtag des Sozialministeriums, der im letzten Jahr organisiert wurde. Träger bzw. Einrichtungen machten dort deutlich, dass aus ihrer Sicht dort die Übergangsphase von bis zu 30 Jahren zu kurz sei. Ein Vertreter des Allgemeinen Behindertenverbandes in Sachsen-Anhalt erwiderte daraufhin, dass er sich nicht sicher sei, ob wir überhaupt noch 30 Jahre haben.
Ich mache das an dieser Stelle deutlich, weil wir aus meiner Sicht in der Behindertenpolitik grundlegend immer zuerst von den Menschen her denken müssen, die betroffen sind, nicht von den Trägern, nicht von der Sozialagentur, sondern von den Betroffenen.
(Zustimmung)
Für all das zuvor Erwähnte bedarf es jedoch mehr als einer Aktuellen Debatte. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig, auch wenn ich die Diskussion auch an dieser Stelle begrüße. Wichtig ist es daher, in einem intensiven Austausch mit dem zuständigen Ministerium, der Sozialagentur, den Betroffenen, den Einrichtungen zu stehen.
Wir sollten uns fragen, an welchen Stellschrauben wir drehen müssen, um etwas zu bewirken. Wo genau können Prozesse angepasst werden? Wie kann den Trägern sowie der Sozialagentur effektiv geholfen werden? Wie können dabei die Bedürfnisse der Betroffenen im Zentrum stehen?
Ich möchte in diesem Kontext betonen, dass das reine Geben von finanziellen Mitteln eben keine Lösung darstellt. Eine allumfassende Lösung erhalten wir nur mit dem Überdenken der aktuellen Prozesse und Strukturen.
Ich möchte um langsam zum Ende zu kommen diese Aktuelle Debatte auch einmal nutzen, um einen für mich relevanten Punkt zu betonen, nämlich die Ambulantisierung. Eine echte Teilhabe und ein Umdenken müssen aus meiner Sicht viel mehr Gehör finden. Ein Umdenken hat bislang kaum stattgefunden. Ein selbstbestimmtes Leben ist zentraler Aspekt jedes Menschen, auch von Menschen mit Behinderungen.
Für uns Freie Demokraten ist dieser Standpunkt, die Selbstbestimmung, von zentraler Bedeutung. Das zeigt auch eine Kleine Anfrage, welche ich im vergangenen Jahr gestellt habe, die sehr deutlich gemacht hat, dass dieses Umdenken leider auch im Ministerium und in der Sozialagentur so noch nicht stattgefunden hat und dass dort noch viel zu tun ist.
Ein Beispiel dafür, wir es in Zukunft gehen kann, ist der Verein „Lebenstraum“ in Halle. Mit seinen Angeboten zum selbstbestimmten Wohnen leistet er einen großen Beitrag zu dem ambulanten Gedanken. Ich möchte an dieser Stelle meinen großen Dank und meinen großen Respekt an alle Einrichtungen dafür aussprechen, dass sie mit ihrem Engagement Menschen mit Behinderungen den höchstmöglichen Grad an selbstbestimmtem Leben ermöglichen. Davon braucht es mehr. Dafür müssen die Hürden, mit welchen gerade auch der Verein „Lebenstraum“ in Halle zu kämpfen hat, abgebaut werden.
Ich möchte jetzt zum Ende kommen. Was wir brauchen, das sind vertiefende Dialoge und vertiefende Debatten. Ich selbst kann für mich zumindest aktuell noch nicht sagen, dass ich alle Abläufe, Prozesse und Details in der Arbeitsweise der Sozialagentur vollumfänglich verstanden habe. Das brauchen wir aber, um eben die Probleme zu lösen und die Situation nachhaltig zu verbessern.
(Beifall bei der FDP)
Wir müssen bei allem, was wir beschließen, immer die betroffenen Menschen im Mittelpunkt sehen und sie mit einbeziehen. Wir brauchen eine Fokusverschiebung weg vom Stationären hin zum Ambulanten. Die Probleme der Sozialagentur sind bekannt. Damit gilt es, sie aktiv im Sinne der Betroffenen und mit dem Ziel einer echten Teilhabe zu lösen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)