Rüdiger Erben (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nicht auf die Hetzrede des Abg. Dr. Tillschneider eingehen, sondern auf den Antrag.
(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD: Ach Gott! - Hetzrede?)
Dabei wäre es vielleicht für diese Debatte hilfreich, wenn sich alle Mitglieder des Hauses einmal in die Zeit zurückversetzten, als sie selbst 18 Jahre alt wurden.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Was konnte man schon? Was konnte man noch nicht? Wie dachte man über bestimmte Themen und von welchen hatte man noch keine Ahnung? Wenn Sie das gemacht haben, dann überprüfen Sie einmal, wie Sie diese Fragen mit 21 Jahren beantwortet haben. Dann wird für jeden klar, dass es durchaus Unterschiede gibt.
Genau in dieser kurzen Zeitphase ändert sich gerade für einen jungen Menschen einiges. Mit 18 Jahren wird nicht einfach ein Schalter umgelegt, sodass man plötzlich alles Notwendige für den Volljährigen weiß. Denken Sie an einen Fahrschüler, der auch nach dem Erhalt der Fahrerlaubnis noch längst nicht in jeder Situation im Straßenverkehr perfekt reagiert. Das kommt erst mit der Zeit.
Die Möglichkeiten, die man durch die Volljährigkeit hat, müssen erst erprobt und auch gelernt werden. Das klappt bei einigen schneller und bei anderen langsamer. Deswegen ist es völlig richtig, dass unser Strafrecht die Rechtsfigur des Heranwachsenden kennt.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Wir können von allen 18-Jährigen sicherlich ein gewisses Maß an Reife erwarten, aber von diesem Niveau der Reife aus ist es noch ein ganzes Stück, bis man vollständig im Erwachsenenleben angekommen ist.
(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)
Es hat einen Grund, dass die Mehrzahl der 18- bis 21-jährigen Straftäter nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wird. Das hat nichts, wie hier behauptet wurde, mit Kuscheljustiz zu tun. Ein sozialer Rechtsstaat urteilt nicht nach dem Schema F ab, sondern schaut genau nach den Tathintergründen.
Daher ist es richtig, dass ein junger Erwachsener nicht für jede Dummheit mit der vollen Härte des Gesetzes büßen muss. Die Bestrafung als Heranwachsender gibt ihm die Möglichkeit der Läuterung und Entwicklung. Ich habe dabei genug Vertrauen in unsere Justiz, dass solche Entscheidungen eben nicht leichtfertig getroffen werden.
Die Abschaffung der Rechtsfigur des Heranwachsenden, wie sie in dem Antrag gefordert wird, würde hingegen unter dem Deckmantel eines vermeintlich schlagkräftigeren Rechtsstaates ein holzschnittartiges Strafsystem schaffen. Wir als SPD-Fraktion und wir als Koalition insgesamt wollen jedoch eine Justiz, die differenzieren kann. Wir lehnen Ihren Antrag deshalb ab.
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)