Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In der letzten Woche habe ich über einen WhatsApp-Klassenchat einer ehemaligen Ausbildungsklasse der Fachhochschule Polizei informiert, in dem nationalsozialistische, antisemitische, rassistische, gewaltverharmlosende und -verherrlichende sowie menschen- und frauenverachtende Äußerungen, Bilder und Videos geteilt wurden. Auf die Inhalte selbst möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Es bleibt bei meiner Feststellung, dass die Inhalte dieses Klassenchats eine Schande für die Landespolizei sind.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Derartige Pflichtverletzungen werden nicht toleriert, weder jetzt noch in Zukunft.
Die Information der Öffentlichkeit erfolgte zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Über die vorliegenden Erkenntnisse und die beabsichtigten Maßnahmen wurde die Öffentlichkeit transparent informiert. Diese Transparenz können Sie auch weiterhin von mir erwarten. Hierzu gehört, dass auf meine Anregung und meine Bitte hin für morgen eine Sondersitzung des Ausschusses für Inneres und Sport stattfinden wird, in der ich ausführlicher berichten werde, sowohl zum Sachverhalt als auch zu den eingeleiteten Maßnahmen und notwendigen Schritten.
Ich möchte unterstreichen, dass es die Pflicht jeder Beamtin und jedes Beamten ist, sich durch ihr bzw. sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten. Dieses Bekenntnis verträgt keine Trennung zwischen Dienst und Freizeit. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss darauf vertrauen können, dass jede Polizistin und jeder Polizist ihr bzw. ihm unvoreingenommen gegenübersteht. Menschen mit Behinderung müssen darauf vertrauen können, dass sie denselben Schutz erhalten wie Menschen ohne Behinderung und dass auch in privaten Chats ihre Würde gewahrt wird.
(Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Menschen mit Migrationshintergrund oder ausländische Staatsangehörige müssen darauf vertrauen können, dass sie denselben Schutz erhalten wie deutsche Staatsangehörige und dass nicht nach Dienstschluss im privaten Umfeld gegen sie rassistisch gehetzt wird.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Das Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Landespolizei jederzeit gerecht werden.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Einige Anwärterinnen und Anwärter des Einstellungsjahrgangs 2017 sind in der Vergangenheit leider bereits negativ aufgefallen. So mussten überdurchschnittlich viele Bedienstete aus dem Vorbereitungsdienst entlassen werden. Dem lagen diverse Vorfälle zugrunde, auch im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Hierüber wurde im Mai 2018 auch der Ausschuss für Inneres und Sport informiert.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Vorfälle ist das Eignungsauswahlverfahren an der Fachhochschule Polizei erweitert worden. Im Jahr 2018 wurde es um einen psychologischen Eignungstest ergänzt. Seit 2020 wird die Zuverlässigkeitsprüfung nach dem Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt und seit dem Einstellungsjahr 2022 die Regelabfrage nach dem Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt durchgeführt. Insbesondere in den Ausbildungsklassen wurde darüber hinaus ein Klassenleitersystem implementiert und fortentwickelt, um die Auszubildenden enger zu begleiten und zu betreuen. Es wurden Elternabende für minderjährige Auszubildende durchgeführt.
Seit 2020 besuchen die Auszubildenden im Rahmen des Unterrichtsfachs „Politische Bildung“ die Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt im Rahmen einer ganztägigen Veranstaltung, in der sie sich mit jüdischer Kultur und Geschichte auseinandersetzen. Im Sommer 2022 erfolgte erstmals eine Fahrt zur Gedenkstätte Auschwitz mit zwei Klassen des Abschlusskurses.
Auch ich bin bestürzt darüber, dass ein über vier Jahre hinweg existierender Klassenchat mit solchen Inhalten von keinem der Mitglieder an Vorgesetzte oder Lehrkräfte an der Fachhochschule Polizei gemeldet wurde. An der Fachhochschule Polizei und auch in den Behörden der Landespolizei werden die Anwärterinnen und Anwärter nochmals sensibilisiert, und alle Polizeibeamtinnen und -beamte werden ermutigt, entsprechende Inhalte an die zuständigen Stellen, insbesondere Vorgesetzte, zu melden. Ein solches Meldeverhalten stellt kein unkollegiales Verhalten dar, sondern ist die Pflicht eines jeden Polizeibeamten.
(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von Maßnahmen initiiert, um die interkulturelle Kompetenz und die demokratische Resilienz der Landespolizei zu stärken. Hierüber, Herr Abg. Striegel, wurden Sie bereits unter anderem in der Sitzung des Innenausschusses im Juni 2022 ausführlich informiert. Dort haben wir ausführlich dargelegt, welche Maßnahmen auch aufgrund des Berichtes der Sonderkommission bereits ergriffen wurden und welche weiteren vorgesehen sind.
Aber ich sage auch: Auch wenn in den letzten Jahren sehr viele Maßnahmen angeschoben wurden, werden wir nach diesen Vorfällen in der Landespolizei und insbesondere an der Fachhochschule Polizei nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir werden in allen Bereichen und allen Hierarchieebenen an uns arbeiten und uns verbessern. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)