Henriette Quade (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich bin an dieser Stelle sehr dankbar für die Redebeiträge aus den Reihen der FDP-Fraktion, der SPD-Fraktion und selbstverständlich der Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, weil sie deutlich einen großen Unterschied im Vergleich zu den Reden aus den Reihen der CDU machen; von der AfD muss man an dieser Stelle gar nicht reden, nämlich zu sehen, welche Verantwortung und welchen Handlungsspielraum wir vor Ort haben.
Wie lassen sich die Bedingungen, über die wir an dieser Stelle reden, durch Entscheidungen hier, durch Entscheidungen, die wiederum an anderen Stellen Handlungsspielräume eröffnen, beeinflussen. Denn es gehört für mich persönlich zu der bitteren Erkenntnis: Ich erlebe in keinem Bereich eine so elendige Hin- und Herschieberei von Verantwortung, wie im Bereich der Migrations- und Asylpolitik.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Das haben Sie ausdrücklich nicht gemacht und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Das ist auch nicht angemessen.
Wir sind uns bezüglich der Fokussierung auf den Bund - die ich insbesondere bei der Ministerin herausgehört habe , in Teilen sogar einig; was die Fragen nach der Kostenübernahme, nach der Dauer von Verfahren, nach der Qualität von Entscheidungen des BAMF angeht. Darüber sind wir uns einig.
Wir brauchen eine umfassende Kostenübernahme durch den Bund. Wir brauchen auch eine Übernahme von und ein Übernahmemodell für strukturelle und infrastrukturelle Kosten. Und ja, auch über personelle Abordnungen muss geredet werden. Das halte ich für eine absolut legitime und notwendige Forderung.
Die Hinweise aus der kommunalen Familie nehmen auch wir sehr ernst. Genau deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht. Denn es zeigt sich ja, wie wichtig es wäre, die seit Jahren versprochene und seit Jahren immer nur verschobene Landeserstaufnahmeeinrichtung in Stendal zu haben. Das zeigt doch, wie wichtig es wäre, zu schauen, wo wir im Land tatsächlich Wohnraum haben - der ist doch sehr, sehr unterschiedlich verteilt.
Wo haben wir Schulplätze, wo haben wir Kitaplätze, wo haben wir gute Aufnahmebedingungen und wo haben wir sie nicht? Genau das schafft der bestehende Verteilungsmechanismus nicht. Das ist schlichtweg falsch. Er agiert ausschließlich nach einem Kriterium, und das ist das Geld. Genau das muss sich ändern.
Man kann und benötigt ein finanzielles Verteilungssystem; auch im Land. Das heißt aber nicht, dass man die Menschen verteilen muss, sondern dass man hierfür die besten Bedingungen schaffen muss, wo sie möglich sind.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Und ja, selbstverständlich können durch eine Aufhebung der Wohnsitzauflage - die aber auch nur ein Punkt in unserem Antrag ist , nachteilige Effekte entstehen. Es ist nicht so, dass es die nicht bereits gäbe; denn wer in Anhalt-Bitterfeld festsitzt, ohne es zu wollen, sucht sich ohnehin einen Weg, seinen Alltag woanders verbringen zu können, sucht sich einen Weg raus. Das führt zu einem unglaublichen Aufwand und schafft doch auch nicht den Effekt, den Sie wollen.
Ich glaube, es ist durchaus richtig nach Berlin zu schauen. Wenn Berlin das schafft, dann wird das in Sachsen-Anhalt auch möglich sein. Ich glaube, es ist sehr wichtig, zu schauen, welche bestehenden Netzwerke es gibt. Denn das ist der Gedanke hinter der Aufhebung der Wohnsitzauflage; neben der Tatsache, dass jeder Mensch die gleichen Rechten haben muss und wir schließlich auch hingehen können, wohin wir wollen.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Die bestehenden Netzwerke für Integration, die bestehenden Communities sind zu nutzen - alle Erfahrung zeigt, dass das eine bessere Integration möglich macht.
Und ja, es wäre an unglaublich vielen Stellen für den Staat absolut praktisch, entscheiden zu können, wer ist wo; wo haben wir wie viele Kinder; wo haben wir wie viele Erwerbsfähige. Es wäre aus denselben Gründen, mit denen Sie für die Wohnsitzauflage argumentieren, im unmittelbaren Interesse des Staates, zu entscheiden, wo wie viele Sozialleistungsempfänger leben. Niemand von Ihnen käme auf die Idee, das zu tun; also von den demokratischen Fraktionen käme niemand auf diese Idee. Das ist doch der Punkt: Welches Menschenbild steht dahinter, wenn man sagt: Den setzen wir dorthin und er muss dann zusehen, wie er klarkommt.
Lassen Sie uns darüber nachdenken. Ich bin froh, dass Sie den Antrag überweisen wollen. Lassen Sie uns von mir aus gerne darüber diskutieren, welche positiven und negativen Effekte die Aufhebung der Wohnsitzauflage hat. Lassen Sie uns vor allen Dingen den Handlungsspielraum, den wir im Land haben, um die Aufnahmebedingungen zu verbessern, um Kapazitäten zu schaffen, nutzen. Genau dafür werben wir mit unserem Antrag.
(Beifall bei der LINKEN)