Hendrik Lange (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren hier auf Antrag der GRÜNEN. Als Linksfraktion haben wir einen ziemlich gleichlautenden Debattenantrag eingereicht. Das Los fiel aber nicht zu unseren Gunsten aus. Ich stelle das nur deswegen vorweg, um deutlich zu machen, dass uns sehr an dieser Debatte gelegen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der erfolgreichen Bewerbung der Stadt Halle um das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation ist der Stadt gelungen, was ihr vorher kaum zugetraut wurde. Das ist ein großartiger Coup. Ich kann als Bürger der Stadt, Stadtrat und lokaler Abgeordneter für meine gesamte Fraktion unumwunden sagen: Wir freuen uns und danken allen, die mitgeholfen haben, dass dieser Erfolg gelungen ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Wir freuen uns auch deswegen, weil die Bewerbung in einer Zeit erfolgte, die für die Stadt nicht so einfach ist. Sie alle wissen, dass OB Wiegand zurzeit suspendiert ist. Umso schöner ist es zu sehen, dass der größte Erfolg für eine positive Entwicklungsperspektive durch die unermüdliche Arbeit der Stadtverwaltung unter der Leitung des stets bescheiden auftretenden Bürgermeisters Geier gelungen ist. Er ist gelungen durch die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Stadtrat, der einstimmig für das Zukunftszentrum votiert hat. Das war eine wichtige Voraussetzung für die Juryentscheidung,
(Beifall bei der LINKEN)
wobei zur Wahrheit dazu zugehört, dass die einzige Stimmenthaltung aus der AfD kam und derselbe Stadtrat am Mittwoch wieder einmal mit Sinnlosargumenten gegen das Zukunftszentrum gestänkert hat. Man kann sich einen Reim darauf machen, wie sehr dieser Partei an einer gedeihlichen Stadtentwicklung gelegen ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Dieser Erfolg ist gelungen, weil die gesamte Stadtgesellschaft mitgenommen wurde. Es war eben keine One-Man-Show, sondern es waren ein guter gemeinsamer Auftritt der Stadtgesellschaft von Wirtschaftsunternehmen bis hin zu Vereinen und Verbänden , das gute Zusammenspiel des Stadtmarketings und der Stadtverwaltung mit dem Rat sowie das kann man besonders für die Schlussphase sagen die Unterstützung des Landes.
Meine Damen und Herren! Ich möchte in die zu Recht hellen und freudigen Erfolgsgesänge ein wenig Moll mit Blick auf die Genese des Projekts einfließen lassen. Denn anfänglich kam aus der Staatskanzlei nicht die klare Unterstützung. Ja, man konnte sogar Skepsis spüren. Zur Wahrheit gehört auch, dass sich die Koalition im Europaausschuss trotz umfangreicher Anhörung und der Vorstellung der Konzepte nicht einigen konnte, welche Bewerberstadt aus Sachsen-Anhalt sie denn unterstützen möchte. Diese Entscheidung haben CDU, SPD und FDP mutig der Landesregierung übertragen.
Meine Damen und Herren! Genug mit Moll aus der Vergangenheit. Die Landesregierung hat sich durchgerungen, Halle bei der Bewerbung zu unterstützen. Es wäre übrigens fatal gewesen, wenn diese Klarheit gefehlt hätte.
(Frank Bommersbach, CDU: Ist das jetzt ein Lob?)
Meine Damen und Herren! Jetzt gilt es, das Zukunftszentrum als das zu begreifen, was es ist: eine große Chance für die gesamte Region.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Katrin Gensecke, SPD)
Es ist nicht umsonst gelungen, dass auch die Landräte die Stadt bei der Bewerbung unterstützt haben. Die Stadt hat immer deutlich gemacht, dass die Region, die exemplarisch für die Transformation steht, die Ostdeutschland seit der Wende durchlebt hat und noch immer durchlebt, mitgenommen und einbezogen werden soll. Diese Perspektiven sollen in die Gestaltung des Zukunftszentrums mit einfließen. Auch das hat Bürgermeister Geier deutlich gemacht: Halle streckt die Hand aus, auch den mitbewerbenden Städten. So kommt auch aus Leipzig nach anfänglicher Enttäuschung der Blick auf die Chancen für die gesamte Region.
Meine Damen und Herren! Damit das Zukunftszentrum die Ausstrahlung bekommt, die wir uns erhoffen, wird die Stadt ihre Stadtentwicklung nun auf dieses Zentrum ausrichten müssen. Darin liegt aber nicht nur eine Chance für die Entwicklung des Riebeckplatzes und der Innenstadt. Insbesondere die Großwohnsiedlungen können klug mit einbezogen werden. Wo kann man ortsnah Transformationen so exemplarisch studieren wie in Halle-Neustadt?
Meine Damen und Herren! Selbst wenn nur 10 % der angenommenen jährlichen Besucher*innen nach Halle kommen, wäre das ein enormer Zustrom. Wir werden viel Mühe darauf verwenden, dass sie nicht nur Tagesgäste sind, sondern in Halle verweilen, die Stadt kennenlernen und die reichhaltige Kulturlandschaft nutzen - seien es der Blick in die Bronzezeit im Landesmuseum, die Galerien in der Talstraße oder der Moritzburg, oder aber das vielfältige Veranstaltungsangebot im Steintor-Varieté, in der Oper und in unseren Theatern,
(Zuruf von Marco Tullner, CDU)
um Beispiele zu nennen. Meine Damen und Herren! Dort beginnen die gemeinsamen Aufgaben mit dem Land. Denn viele Institutionen sind auf die Landesförderung angewiesen. Das merken wir bspw., wenn in diesem Jahr die Theaterverträge neu verhandelt werden müssen.
Der Zuschlag für das Zukunftszentrum ist ein großartiger Impuls. Die große Wirkung kann aber nur dann erzielt werden, wenn Stadt und Land gemeinsam an einem Strang ziehen.
Meine Damen und Herren! Als Stadt werden wir uns natürlich auch darum kümmern müssen, dass Hotelkapazitäten aufgebaut werden und nicht das eintritt, was ein Kommentar im „RBB“ beschrieb: die Kapazitäten von Leipzig nutzen. Darum geht es natürlich auch, aber nicht nur.
Meine Damen und Herren! Halle konnte in seiner Bewerbung auf die reiche Wissenschaftslandschaft abheben. Das ist zweifellos ein Plus gewesen. Bei aller Kritik des Ministerpräsidenten gestern ist die Transformationsforschung des IWH ein wichtiger Beitrag. Aber auch die Osteuropastudien an der Martin-Luther-Universität sind ein wichtiges Pfund, wenn es um den angestrebten Brückenbau nach Osteuropa geht, der in den Zeiten wichtiger ist denn je. Umso wichtiger ist es, dass der finanzgetriebene Abbau der Studienkapazitäten, insbesondere in den Geisteswissenschaften, gestoppt wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Noch während die Jury tagte, kamen zu den Prozessen an der Martin-Luther-Universität Fragen. Darum ist es wichtig, dass dem Leuchtturmprojekt der Spitzenforschung, dem Zukunftszentrum, auch das Fundament der breit aufgestellten Forschungslandschaft in Halle und Umgebung zur Verfügung gestellt wird. Hierbei ist das Land in der Pflicht. Allein wenn ich bedenke, wie viel Osteuropakompetenz in den Abbaurunden der letzten 20 Jahre verloren gegangen ist, dann stelle ich fest, dass wir eine riesige Aufgabe haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren! Am Ende möchte ich meine Wünsche auch an den Bund, aber auch noch einmal an das Land richten. Das, was nachher im Zukunftszentrum passiert, muss dauerhaft und dynamisch finanziert werden. Zudem sollte das Zukunftszentrum in die gesamte Gesellschaft ausstrahlen und eine Übersetzungsleistung aus der Wissenschaft hinein in die Gesellschaft bieten. Es muss dazu auch ein offener Ort des Diskurses werden. Es soll die Menschen im Osten der Republik und in Osteuropa mit einbeziehen und, ja, auch besonders ihre Biografien würdigen: mit ihren Brüchen, Lasten und Widersprüchen. Denn diese Biografien stehen exemplarisch für das, was im Osten an Transformation stattgefunden hat und stattfindet.
Wenn man ein Zukunftszentrum baut, dann sollte man auch in der Gegenwart Lebensleistung anerkennen. Die Entschädigung für die entgangenen Renten für die in der DDR Geschiedenen und die DDR-Beschäftigten gehören dazu. Sachsen-Anhalt muss bis März in den Härtefallfonds einsteigen und im nächsten Schritt den Empfängerkreis zu einem Gerechtigkeitsfonds ausweiten.
(Beifall bei der LINKEN)
DIE LINKE hat beides beantragt. Wer die besondere deutsche und europäische Geschichte fruchtbar machen will, der muss die Menschen respektieren, die sie gemacht haben und durchleben mussten.
Ich freue mich, wir freuen uns, dass das Zukunftszentrum nach Halle kommt. Lassen Sie uns dieses Zukunftszentrum gemeinsam als Erfolg für das ganze Land werden lassen. - Danke.
(Beifall bei der LINKEN)