Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist unbestritten, dass der Strukturwandel in den Braunkohleregionen, so auch im Mitteldeutschen Revier und damit auch in Sachsen-Anhalt, eine riesige Herausforderung ist. Das Ziel des Ausstieges aus der Kohleverstromung bis 2038 wurde und wird gesellschaftlich verhandelt. Damit geht richtigerweise auch einher, dass dieser Prozess entsprechend finanziert wird. Dafür sind Mittel in Höhe von 5,1 Milliarden € von Bund und EU schon eine ganz ordentliche Summe. Gerade deshalb ist es doch eigentlich wichtig, dass wir mit diesem Geld sorgfältig und sinnvoll umgehen. Das ist, glaube ich, entscheidend. Denn die vom Ausstieg betroffenen Menschen in den Regionen erwarten zu Recht, dass wir dafür sorgen, dass nachhaltige Alternativen für gut bezahlte Beschäftigung, für das soziale Umfeld, für die Umwelt und für die Wirtschaft geschaffen werden.
Der vorläufige Antragsstopp - wie auch immer man es nennt; es kommt bei den Menschen aber so an - schafft vor allem eines bei den betroffenen Kommunen und den Menschen vor Ort: nicht nur Frust, wie Kollege Erben es nannte, sondern vor allem auch Unsicherheit. Denn vieles bleibt doch insbesondere für die Öffentlichkeit unklar. Das ist in diesem Prozess von Anfang an so gelaufen.
Der Anlauf war ruckelig. Das wissen wir alle. Es wurden eben auch Projekte finanziert, zwar mit anderem Geld, bei denen für niemanden nachvollziehbar war, was das eigentlich war. Das waren Projekte, die zu Recht kritisiert wurden. Herr Erben ist hier schon darauf eingegangen. Symbolisch dafür sind der Naumburger Dom und das Gartenreich.
Die Förderrichtlinie wurde erst sehr spät erlassen und das Strukturentwicklungsprogramm kam dementsprechend noch später. Ja, die Entscheidungsstrukturen, die es insgesamt gibt - ich weiß nicht, ob alle hier im Saal genau wissen, welche es insgesamt gibt - sind weiterhin wenig transparent.
Einmal mehr zeigt dann auch die Nachricht über diesen vorläufigen Antragsstopp am Ende des vergangenen Jahres, dass wir als Parlament eben nicht einbezogen werden. Wir haben es aus der Presse oder, wie Herr Erben, online erfahren. Wie kann es denn eigentlich sein, dass wir als Haushaltsgesetzgeber uns jede Information darüber erkämpfen müssen, wenn es um Fördermittel im Umfang von insgesamt 1,6 Milliarden € geht, die nun auf Eis liegen, und noch nicht so richtig klar ist, wann es denn weitergeht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesbezüglich müssen wir als Abgeordnete uns durchaus an die eigene Nase fassen. Im Juli 2020, also noch in der vorangegangenen Legislaturperiode, hat die damalige Linksfraktion hier den Antrag gestellt, einen zeitweiligen Ausschuss zur Begleitung, Kontrolle und länderübergreifenden Koordination des Strukturwandels einzusetzen. Das hat der Landtag abgelehnt, während in Sachsen und in Brandenburg derartige Ausschüsse eingerichtet wurden und dort die Abgeordneten die Strukturwandelprozesse aktiv begleiten.
Dazu frage ich Sie ganz ehrlich hier im Saal: Wie wichtig ist Ihnen, liebe Abgeordnete in der Koalition, dieser Transformationsprozess denn eigentlich, von dem immerhin - das wurde auch schon gesagt - vier Landkreise und eine kreisfreie Stadt, nämlich Halle, betroffen sind?
Wir wissen, dass die gesamte Wirtschaft in einen Transformationsprozess geht und gehen muss, der finanziell im Übrigen nicht sehr gut abgesichert ist. Wir sprachen auch in der letzten Legislaturperiode schon viel über die Prozesse, die in der Automobilindustrie angelaufen sind. Doch die Abgeordneten lehnen sich zurück und überlassen Tun oder Nichttun dann doch lieber allein der Landesregierung. Das finde ich nicht in Ordnung und das haben auch die Menschen in der Region nicht verdient.
Nun haben sich im letzten Jahr die betroffenen Regionen im Land auf eine Budgetierung der Mittel geeinigt. Auch davon wurde gesprochen. Ich finde - das haben auch wir hier im Landtag schon öfter gesagt , dass diese Entscheidung richtig war und ist, weil wir mit dem Windhundrennen - auch Herr Erben sprach davon - schon zu tun hatten und die Gefahr besteht, dass das fortgesetzt wird. Das haben wir ebenso kritisiert.
Ja, jetzt fehlt noch die Unterschrift des Saalekreises. Sie wurde hier als ein Grund für den Antragsstopp angeführt. Wir müssen die Landesregierung auffordern: Bringen Sie das auf die Reihe, wie es sein muss. Denn das war nicht der eigentliche Grund für den Antragsstopp. Es gibt noch etwas anderes. Das Land ist doch in der Pflicht, die Förderrichtlinien zu überarbeiten. Das gilt insbesondere für die Mittel, die aus dem EU-Fonds, dem JTF, kommen. Das habe ich erfragt. Ich musste das erfragen, weil wir es sonst nicht erfahren hätten. Es ging um die Förderanträge für Vorhaben, die hier auch schon Thema waren, nämlich „MerInnoCampus“ in Merseburg und „Bioeconomy Hub“. Dort gab es die Fragen, wieso sich da etwas verändert hat, wieso sie in den JTF geschoben wurden und welche Konsequenzen das für die Antragstellung hat.
Auch wenn man von diesen beiden ganz konkreten Förderanträgen absieht, wird es aus unserer Sicht höchste Zeit für diese Förderrichtlinie. Denn die Förderperiode für den JTF endet im Jahr 2027. Wir sind im Jahr 2023.
Es gibt noch ein weiteres Dilemma. Die Förderungen, sowohl der Regionen als auch der Themen und der konkreten Akteure im Rahmen des JTF, sind andere als die, die im Investitionsgesetz Kohleregionen vorgesehen sind. Dazu gehört z. B. ganz Sachsen-Anhalt. Dazu gehören Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die hier gefördert werden können. Es gibt also Überschneidungen, die nicht so klug und glücklich sind; vor allen Dingen, weil der Bund entschieden hat, 85 % dieser Fördermittel einfach in den Fonds mit hineinzupacken und sich selbst 2 Milliarden € zu sparen.
Aber genau dieses Hin und Her und diese Unklarheiten verunsichern nicht nur, sondern sie führen auch - ganz klar - zu weiteren Verzögerungen. Mit diesen Verzögerungen geht dann wahrscheinlich an der falschen Stelle wieder ein zeitlicher Druck einher. Ich denke, dabei könnten vor allem Abwägungsprozesse und Bürger*innenbeteiligungen auf der Strecke bleiben.
Über die gestiegenen Baupreise und das damit verbundene Problem für bereits gebundene Fördermittel ist bereits gesprochen worden. Das hat zur Folge, dass am Ende möglicherweise weniger Projekte gefördert werden können. Auch insofern halte ich die Festschreibung von Budgets für die einzelnen Landkreise und die kreisfreie Stadt Halle für einen richtigen und wichtigen Schritt.
Bei aller Kritik, die wir in den letzten Jahren bereits geübt haben - von Projekten über Transparenz usw. - gibt es auch gute Ansätze. Diese bestehen eben nicht immer nur aus Großansiedlungen. Herr Erben hat in seiner Rede schon den kürzlich gestarteten Ideenwettbewerb für Zukunft, Land und Leute, den sogenannten Revierpionier, angesprochen. Es geht eben auch um ein lebenswertes Umfeld für die Menschen, vor allem für junge Familien, damit diese in der Region bleiben.
Wir als Landtag müssen alles dafür tun, dass der Strukturwandel erfolgreich und nachhaltig gestaltet wird. Wir können es uns als Land Sachsen-Anhalt überhaupt nicht leisten, die Menschen in einer schon durch die Strukturbrüche der Vergangenheit gebeutelten Region im Regen stehen zu lassen und vor allem junge Menschen mangels persönlicher und beruflicher Perspektiven wieder gehen zu lassen. Mit den Folgen der Abwanderung, die wir hier im Land über fast 30 Jahre hinweg erlebt haben, haben wir als Land bis heute zu kämpfen.
Liebe Landesregierung, machen Sie bitte dringend Ihre Hausaufgaben. Bringen Sie endlich die Förderrichtlinie. Setzen Sie auch personalpolitisch Prioritäten und statten Sie die Stabstelle ausreichend aus, damit diese ihre Arbeit anständig machen kann.
Sowohl wir im Parlament als auch die Landesregierung tun gut daran, den weiteren Weg des Strukturwandelprozesses engagiert, ehrlich, transparent und kontinuierlich aufzuzeigen und zu begleiten. Eine weitere Verunsicherung der Menschen, der Kommunen und auch der Wirtschaft ist zu vermeiden. Ansonsten geht weiteres Vertrauen in die Politik verloren. Das können wir uns auf keinen Fall leisten. - Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)