Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Na ja. Ich weiß ja nicht, ob ich nach der Rede schon anfange zu leuchten.

(Lachen bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Atomenergie beschäftigt uns jetzt und morgen noch einmal. Es stellt sich schon die Frage, weshalb das Thema so relevant ist, wo wir doch in Sachsen-Anhalt kein einziges Atomkraftwerk haben und somit nicht davon betroffen sind.

(Guido Kosmehl, FDP: Aber Strom nehmen wir schon, oder? - Andreas Silbersack, FDP: Wir nehmen gerne!)

Kernenergie scheint also besonders wichtig für das deutsche Stromsystem und für die Versorgungssicherheit zu sein.

Schauen wir uns deshalb die Zahlen der Stromversorgung im bisherigen Winter, also Dezember 2022 und Januar 2023, einmal an. Die Stromversorgung nach Technologien ergibt folgende Platzierung: als Erste die Windenergie mit 19,7 %, zweitens die Braunkohle mit 19,4 %, Erdgas mit 14,3 %, die Steinkohle immerhin noch mit 12,6 %, Bioenergie mit 8,6 % und am Ende die Atomenergie mit 5,2 %.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Wir sehen, dass selbst im Winter bei voller Auslastung der Kernkraftwerke nur 5 % des Stroms aus Atomkraft erzeugt werden. Gleichzeitig war Deutschland mit Abstand der größte Stromexporteur in Europa. Bei einer ausgeglichenen Stromaustauschbilanz mit unseren Nachbarn könnten wir in der Summe sowohl auf Kernenergie als auch auf ein Drittel der Gasverstromung verzichten.

(Tobias Rausch, AfD: Na klar!)

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass ein wichtiger Grund für die im Herbst 2022 beschlossene Laufzeitverlängerung die geringe Verfügbarkeit der französischen Kernkraftwerke war.

(Tobias Rausch, AfD: Ja, na klar!)

Aus diesem Grund verzeichnete Deutschland in den letzten Monaten historisch hohe Stromexporte in Richtung Frankreich. Sofern es mit der Kernenergie in Frankreich in naher Zukunft wieder besser läuft   danach sieht es im Moment auch aus  , wird sich die Versorgungssituation in Deutschland weiter entspannen.

Natürlich gab es auch in diesem Winter Tage, an denen Wind und Solar nur einen sehr kleinen Beitrag leisten konnten, da eine sogenannte Dunkelflaute auftrat.

(Guido Kosmehl, FDP: Immer noch, heute!)

Trotzdem brauchen wir deswegen kein Blackout-Szenario an die Wand zu malen.

(Guido Kosmehl, FDP: Stimmt!)

Denn der maximale Verbrauch liegt in Deutschland bei ca. 80 GW. Gleichzeitig befinden sich 107 GW gesicherte Leistung, also ohne Berücksichtigung von Wind  und Solarenergie, am Netz. Die 4 GW der Atomkraftwerke sind demnach auch im Extremfall nicht für die Versorgungssicherheit notwendig.

(Zustimmung bei der SPD)

Voraussichtlich sind die Effekte sogar noch geringer. Denn schaut man sich aktuell die tatsächlichen Marktpreise für Strom und Gas an, die dank der Maßnahmen der Bundesregierung und dank der hohen Einspeisung erneuerbarer Energien erfreulicherweise stark zurückgegangen sind, sind die Annahmen der durchgeführten Studien zum Preisniveau bereits längst überholt.

Auch auf den Gaspreis würde sich eine Laufzeitverlängerung kaum auswirken, da laut Schätzung durch die Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke nur ca. 1 % des Gasverbrauchs eingespart wird. Der Preiseffekt durch Senkung der Gasnachfrage wäre entsprechend klein. Die Auswirkung einer Verlängerung der Atomkraftlaufzeiten auf das deutsche Energiesystem und vor allem auf Sachsen-Anhalt sind demnach vernachlässigbar. Ähnlich relevant für unser Bundesland wäre eine Auseinandersetzung mit dem Ausbau der Offshore-Windkraft in der Nordsee, was aber aus guten Gründen hier nicht thematisiert wird.

(Juliane Kleemann, SPD, lacht)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns in Deutschland nach langen gesellschaftlichen Debatten und zum Teil harten Auseinandersetzungen im Jahr 2011 vor dem Hintergrund der fürchterlichen Reaktorkatastrophe in Fukushima auf einen Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr 2022 geeinigt. Ich möchte darauf hinweisen, dass dies unter einer schwarz-gelben Bundesregierung beschlossen wurde.

(Zustimmung bei der LINKEN - Guido Kosmehl, FDP: Ist das jetzt die Auffassung der Landesregierung oder der SPD? - Unruhe)

Mit jeder Megawattstunde Atomstrom steigt auch das Ausmaß des Atommülls weiter an. Auch nach 50 Jahren Kernenergienutzung in Deutschland ist die Endlagerproblematik noch immer nicht gelöst. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Problem Sachsen-Anhalt im Gegensatz zur Abschaltung von Kernkraftwerken, die in anderen Bundesländern stehen, direkt treffen kann. Die für eine Endlagersuche infrage kommenden geologischen Gebiete befinden sich auch in Sachsen-Anhalt. Von den Kernenergiebefürwortern hier im Lande höre ich bislang keine Bereitschaft, diesen Atommüll aufzunehmen.

(Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Ministerin. - Der Kollege Heuer hat als Fraktionsvorsitzender alle Möglichkeiten, hier zu reden. Er hat nur ein Problem: Leise flüstern kann er offensichtlich nicht.

(Lachen - Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Deswegen einfach mal versuchen, ein bisschen runterzudrehen, damit wir uns hier nicht in der Lautstärke steigern müssen. - Frau Ministerin, es kann weitergehen.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Danke schön. - Wir haben unser Energiesystem, insbesondere die Netze, auf einen Ausstieg aus der Kernenergie ausgerichtet. Auch die Unternehmen haben diesen Kompromiss akzeptiert und sich auf ein Ende des Betriebs eingestellt. Eine weitere Verlängerung für schwerfällige Kernkraftwerke würde die Energiewende stattdessen unnötig verschleppen und verteuern. Darunter leiden auch Unternehmen hier in Sachsen-Anhalt, deren wirtschaftlicher Erfolg, deren Arbeitsplätze, deren Wertschöpfung vor Ort von einer konsequenten und zügigen Energiewende abhängen.

Es ist sehr wichtig, dass wir uns an die getroffenen Grundsatzentscheidungen halten, um den Unternehmen Planungssicherheit und Verbindlichkeit zu garantieren. Nur so werden Anreize für Innovationen und deren großtechnische Umsetzung auch realisierbar. Die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt wird jedoch nicht durch eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gefördert. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD - Guido Kosmehl, FDP: Sagt der Energieminister! Er ist ja nicht mehr Wirtschaftsminister!)