Sebastian Striegel (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es kurz machen: Ihr Antrag, meine Herren und Damen von der AfD-Fraktion, ist schlecht, sehr schlecht. Ihre Rede, Herr Büttner, die vor Rassismus und Bestrafungsfantasien strotzte, war noch schlechter.
Erstens. Das Neuköllner Modell, bei dem es um die Beschleunigung von Jugendstrafverfahren geht, ist kein generell geeignetes Mittel, um Jugendkriminalität zu begegnen. Bei den wirklich wenigen Jugendlichen, die wiederholt oder gar permanent strafrechtlich auffällig werden und um die es Ihnen in Ihrem Antrag offensichtlich geht, kommt es nicht darauf an, ob eine Verurteilung nach drei oder nach acht Monaten erfolgt. Diese Jugendlichen werden sich im Zweifel schwer an die einzelne Tat erinnern können. Viel wichtiger wäre es, die Zeit in Erwartung einer Anklageerhebung oder eines Urteils für Sozialarbeit, für tatsächliche soziale Intervention im Nahraum der Jugendlichen zu nutzen. Dort kann Einfluss genommen und tatsächlich etwas erreicht werden.
Zweitens. Nennen Sie mir doch einmal eine taugliche Anwendungsmöglichkeit, bei der ein vorbeugender Platzverweis für Jugendliche zur Anwendung kommen könnte. Entweder erwischt man Täter*innen auf frischer Tat und dann greift das Strafrecht,
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, lacht)
oder man spricht willkürlich Platzverweise gegen Jugendliche in den Straßen von Halle aus. Nein, dieser Ansatz überzeugt nicht.
Wir sagen: Gegen Jugendkriminalität hilft vor allem Prävention. Die aktuellen Vorfälle in Halle sind jedenfalls in ihrem Ausmaß ein postpandemisches und nicht auf die Stadt Halle beschränktes Phänomen. Entscheidend wird sein, die Zahl der Straftaten schnell wieder auf das Niveau von vor 2020 zu senken. Diesbezüglich bin ich sogar bei dem Kollegen: Das ist kein Sprint, das ist eine ziemlich dauerhafte Aufgabe.
Die Polizei in Halle scheint mir gemeinsam mit der Stadt, der Staatsanwaltschaft und der Jugendgerichtshilfe dabei auf einem grundsätzlich guten Weg zu sein. Aber ich fürchte, Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe allein werden es nicht richten können. Das Straf- und das Gefahrenabwehrrecht allein werden nicht ausreichen. Wir müssen bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit viel stärker auch sozialpolitische Aspekte in den Blick nehmen. Wichtig sind Jugendhilfe, Sozialarbeit, Jugendklubs usw. Junge Menschen brauchen nicht härtere Strafen, sondern Unterstützung.
In vielen Punkten ist die Kommune zuständig. Ich möchte dennoch in Richtung Landesregierung sagen das Thema Konzepte kam hier schon auf : Der Zustand der Schulsozialarbeit ist jedenfalls weiterhin katastrophal; wir müssen sie endlich mit einem eigenen Landesprogramm ausstatten und ausweiten. Die Stadt Halle selbst tut schon sehr viel. Aber das Land wäre endlich einmal gefordert. Die momentane Planungsunsicherheit aufgrund der Förderperiode aus EU-Mitteln ist unerträglich.
Zu Herrn Erben noch ein Satz: Dass die Koalition diesen Antrag angesichts Ihres Einstiegs in die Rede in den Innenausschuss überweisen will, ist nun wirklich komplett daneben. Das braucht niemand. Wir haben dort zwei Selbstbefassungsanträge vorliegen; die reichen aus. Dieser grottenschlechte Antrag gehört abgelehnt. Dazu sollte sich auch die Koalition aufraffen können. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)