Kerstin Godenrath (CDU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Worum geht es hierbei eigentlich? Wir reden darüber, dass eine Gruppierung, die sich End Fossil Occupy nennt, am 9. Januar 2023 die Räumlichkeiten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg besetzt hatte.

Es wurde ein Forderungskatalog aufgemacht; die Besetzung wurde legitimiert; darauf komme ich später noch einmal zurück. Die Besetzung war nach insgesamt fünf Tagen vorbei, nachdem die Besetzer grundlegende Forderungen aus ihrer Sicht als erfüllt angesehen hatten.

Es ist ja schön, Herr Prof. Willingmann, dass Sie sagen: Oh, die haben hinterher noch aufgeräumt! Aber wissen Sie: Wenn ich einen Einbrecher zuhause habe, der mir noch den Wohnzimmerboden saugt, dann bleibt er auch dann ein Einbrecher, wenn ich ihm noch fix das Hausrecht erteile. Das finde ich kein positives Argument.

(Beifall bei der CDU)

Ein positiver Aspekt ist tatsächlich, dass die ganze Aktion gewaltfrei, ohne offensichtliche Eskalation abgelaufen ist.

(Oliver Kirchner, AfD: Wirklich? Waren Sie dabei?)

Wenn wir darauf schauen, wer die Besetzer sind - man muss ja auch einmal anschauen, mit wem wir es hierbei zu tun haben  , dann sehen wir, das ist eine Vereinigung, die das Ziel der Beendigung der fossilen Wirtschaft verfolgt.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Alles, was gut ist!)

- Danke, Herr Striegel. Ich nehme an, sie sind noch dran. - Sie sind in 22 Ortsgruppen organisiert; unter anderem auch in Halle. Sie haben auch angekündigt, dass weitere Universitäten und Schulen mit dem Ziel besetzt werden sollen, das alltägliche Leben, die Normalität zu stören. Es gibt auf der Website auch detaillierte Hinweise: wer sich daran beteiligen möchte, wie eine solch eine Besetzung vonstattengeht und wie man das organisieren kann. Ich zitiere: Wir werden nicht aufgeben, bis die fossile Ära zu Ende ist. Wir wissen, was das bedeutet.

Der Forderungskatalog ist relativ umfangreich. Es sollen mit der Energieproduktion keine Profite mehr gemacht werden, die Verkehrswende soll eingeleitet werden, die Klimaneutralität wird angesprochen, eine bessere Finanzierung der Universitäten sowie eine paritätische Besetzung von Hochschulgremien. Dafür lohnt es sich wahrscheinlich, einmal einen Saal zu besetzen. - Entschuldigung.

(Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU)

Das sind durchaus Themen, die zum Teil bereits diskutiert werden. Das sind keine Erfindungen, die neu herausgebracht werden.

Wenn wir dann einmal schauen, wen diese Vereinigung unterstützt, z. B. die sogenannten Aktivisten von „Lützi bleibt!“ - wir wissen alle, was in Lützerath passiert ist; dort sind Einsatzkräfte angegriffen worden  , dann zeigt das auch, was für ein Rechtsverständnis bei diesen Leuten herrscht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

An dieser Stelle müssen wir uns fragen - das müssen sich alle fragen  , welche Leute man dabei eigentlich unterstützt. Die Besetzung der Universität war nicht einmalig, sondern eine Aktion von vielen weiteren; aktuellste Beispiele sind dafür die Universitäten von Bonn und von Weimar.

Schauen wir uns einmal die Resonanz auf diese Besetzung an. Es gibt den Studierendenrat. Der StuRa hat die Studenten angeschrieben und darauf hingewiesen, er begrüße das, die Besetzung sei ein legitimes Mittel, und spricht natürlich von zivilem Ungehorsam - das ist ein Begriff, der mittlerweile inflationär genutzt wird, um jedwede Aktion zurechtfertigen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der StuRa meint ebenso, dass diese Aktion von großen Teilen der Studentenschaft mitgetragen wird. Die Frage ist: Ist das so? Ich habe hierzu ganz andere Rückmeldungen bekommen, nämlich von ganz normalen Studenten, die ohne politische Ausrichtung einfach nur studieren wollen, die sich an der Universität eingeschrieben haben, um etwas zu lernen, und die nicht politisch sein wollen.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)

Die waren darüber in keinster Weise begeistert. Es wurden nämlich Vorlesungen räumlich verschoben, es wurde von Präsenz- zu Onlineveranstaltungen gewechselt.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Oh! Oh! Oh! - Jörg Bernstein, FDP: Die Einschnitte sind gravierend! - Weitere Zurufe)

Es war auch die Rede von Qualitätsverlusten. Es gab also entgegen den Aussagen unseres Ministers durchaus Einbußen. Die Lehre musste sich der Besetzung unterordnen. An dieser Stelle ist die Frage: Warum soll ein Großteil der Studenten das ausbaden, was einige wenige wollen?

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Auch der RCDS hat relativ deutlich gemacht, dass die Lehre zu gewährleisten sei, das Hausrecht müsse man durchsetzen; und auch dort wurde von einer Behinderung des Lehrbetriebs gesprochen.

Man sieht also eine deutliche Ablehnung. So wird man sich wieder die Frage stellen müssen: Für wen spricht an dieser Stelle der StuRa; für den Großteil der Studenten oder tatsächlich für eine kleine Blase mit derselben politischen Ausrichtung?

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Wenn wir auf die Aktivitäten des StuRa schauen, muss man sich einmal fragen: Ist der denn auch dann so tolerant, wenn es um andere Themen geht, die insoweit nicht in dessen politische Agenda passen? - Dann hört es nämlich mit der Solidarität relativ schnell auf.

(Zuruf von der AfD: Jetzt will ich ein Beispiel haben!)

Jetzt komme ich zur Universität. Was hat die Universitätsleitung gemacht? Sie hat das Hausrecht für ausgewählte Räumlichkeiten übertragen und ist in die Verhandlungen gegangen. Man kann sagen: Okay, das war keine rechtswidrige Besetzung. - Sie haben es besonnen genannt. - Aber das bedeutet auch, man akzeptiert die Vereinnahmung öffentlicher Gebäude und verhandelt.

(Ulrich Siegmund, AfD: Richtig!)

Dann bekommt das auch noch die Unterstützung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. An der Stelle sage ich: Das sind alles erwachsene Leute, die wissen, wie man sich im politischen Diskurs zu verhalten hat. Ich frage mich, wo ist das Demokratie-und Rechtsstaatsverständnis und wo ist das Verständnis für eine sachliche Diskussionskultur.

(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)

Denn genau das ist der Punkt, meine Damen und Herren - deshalb möchte ich auch gar nicht auf diese Forderungen eingehen  , es geht um das Thema an sich; genau daran müssen wir ansetzen. Wie wollen wir denn gesellschaftspolitische Themen diskutieren? Wollen wir wirklich sagen, der Zweck heiligt die Mittel? Ist es das, was wir wollen? Welche Türen öffnen wir damit? Welche Signale senden wir, auch an jene Menschen, die sich bis jetzt an einer sachlichen Auseinandersetzung beteiligt haben? Werden künftig Rathäuser besetzt, Einkaufszentren, vielleicht auch der Landtag?

End Fossil Occupy empfiehlt auf der Website, Banken, Büros, Regierungsgebäude zu besetzen. Wer entscheidet bitte darüber, welche Ziele eine Besetzung rechtfertigen? Gibt es gute Ziele; gibt es schlechte Ziele? Hierbei muss letztendlich der Gleichbehandlungsgrundsatz greifen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Was passiert, wenn den Forderungen nicht nachgekommen wird? Ich sage: Nein, es ist völlig egal, ob diese Forderungen wichtig sind, unwichtig sind; ob sie vielleicht irrelevant oder doch ganz bedeutend sind, auf solche Art und Weise dürfen sie nicht durchgesetzt werden. Wir dürfen solche Aktionen nicht normal finden. Wir dürfen sie auch nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von der AfD: So ist es! - Jawohl!)

Denn es gibt durchaus andere und auch vielfältige Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Ich kann an die Universitätsleitung herantreten und das Gespräch suchen, ich kann über die hochschulpolitischen Gremien gehen, über Abgeordnete,

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Demonstrationen anmelden, zum Beispiel!)

über die Parteien. Ich kann vielleicht auch sagen, ich kandidiere selbst für irgendetwas - das ist vielleicht etwas umständlicher, aber das kann zielführend sein. Ich kann Veranstaltungen natürlich auch in eigenen Räumlichkeiten stattfinden lassen, mir Sponsoren suchen, wenn ich das Geld dafür nicht habe, oder ich kann mich an die zuständigen Ministerien wenden.

Wenn sich keine Mehrheiten finden, dann ist dieses Anliegen nicht mehrheitsfähig und damit vielleicht nicht durchsetzungsfähig. Man muss dann akzeptieren, dass manche Sachen nicht umzusetzen sind. Denn auch das ist Demokratie. Das müssen wir alle manchmal spüren.

(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)

Genauso wenig ist es demokratisch, mit Zwang und Erpressung Gespräche anzugehen und Forderungen zu stellen. Denn wenn man dem nachgibt, zeigt man: Hier, das hat funktioniert; weiter so. Es gibt ja Eskalationsstufen. - Wir lehnen diese Art der Diskussion ab.

(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU, und bei der AfD - Daniel Roi, AfD: Genau so ist es! Herr Willingmann, hören Sie einmal genau zu!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Zukunft wünschen wir uns einen sachlichen Umgang. Wir wünschen uns, dass Bildungseinrichtungen genau als das genutzt werden, wofür sie geschaffen wurden, als Orte der Wissensvermittlung, des Lernens, des Forschens. Wir wünschen uns, dass die Besetzung oder die Zerstörung öffentlichen oder privaten Eigentums nicht toleriert werden. Lassen Sie uns diskutieren, lassen Sie uns streiten und Argumente austauschen; aber das bitte auf eine legitime Art und Weise und mit Fairness gegenüber allen Gesprächsteilnehmer. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP -Zuruf von der AfD: Jawoll!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Frau Godenrath. Es gibt zwei Fragen. Herr Tillschneider hat eine kurze Frage.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ich finde es sehr schön, dass es eine Reihe von Selbstverständlichkeiten gibt, die nicht nur für die AfD Selbstverständlichkeiten sind, sondern auch für die CDU.

(Zuruf: Oh!)

Sie haben gesagt, dass die Universität das Hausrecht übertragen hat. Wissen Sie dazu mehr als wir?

(Guido Kosmehl, FDP, lacht)

Dann möchte ich Sie fragen, woher Sie das wissen. Denn uns hat man darüber im Unklaren gelassen. Uns hat ein Einsatzleiter nur erzählt, es sei eine nichtöffentliche Veranstaltung. Wer die Veranstaltung dazu erklärt hat und wie das genau konstruiert wurde, hat man uns nicht gesagt. Woher wissen Sie, dass die Universitätsleitung das Hausrecht übertragen hat?


Kerstin Godenrath (CDU):

Diese Information habe ich von offizieller Stelle aus dem Ministerium, weil das dort eruiert worden ist.

(Zuruf von der AfD: Das ist ja interessant!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Okay. Danke. - Dann Herr Siegmund bitte.

(Daniel Roi, AfD: Deshalb wollte Herr Willingmann vorhin nicht antworten!)

- Herr Roi, Sie sind jetzt nicht gefragt, sondern Herr Siegmund.


Ulrich Siegmund (AfD):

Vielen Dank, Frau Kollegin für den Wortbeitrag. Wir haben auch gesehen: Die drei demokratischen Fraktionen in diesem Haus haben den entsprechend gebührt. Wir stehen definitiv hinter Ihren Äußerungen.

(Lachen und Beifall bei der AfD)

Ich habe aber trotzdem eine konkrete Frage. Inhaltlich hätte dieser Debattenbeitrag zu 100 % von uns sein können, aber ich freue mich, dass er aus den Reihen der CDU kam.

(Unruhe - Sandra Hietel-Heuer, CDU: Das glaube ich nicht! - Weitere Zurufe)

- Doch. Ja, ja. Lasst mich bitte ausreden. Ich habe eine Frage.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ein bisschen mehr Konzentration, bitte. Ich verstehe kaum die Hälfte.


Ulrich Siegmund (AfD):

Das Ziel meines Beitrages ist: Reden ist das eine, das wissen wir alle; aber haben denn diese Aktion und auch das, was Sie dem Hohen Haus gerade kommuniziert haben, irgendwelche parlamentarischen Konsequenzen? Wird die CDU-Fraktion parlamentarisch irgendwelche Konsequenzen dazu anstoßen? Was wird jetzt daraus resultieren? Das ist meine Frage. - Danke schön.


Kerstin Godenrath (CDU):

Erstens muss ich sagen: Ich glaube, unsere Beiträge sind sich nicht so ähnlich, weil ich schon eine deutlich andere Wortwahl als Ihr Kollege habe. Das muss ich jetzt einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU - Sandra Hietel-Heuer, CDU: Ja!)

Das Thema parlamentarische Konsequenzen: Wir haben festgestellt - auch wenn wir sagen, wir können das moralisch einordnen, wir können das politisch einordnen  , rechtlich gibt es nichts einzuordnen, weil es eben eine legitime Veranstaltung gewesen ist. Das heißt, das wird keine Konsequenzen haben. Aber natürlich muss man das weiter beobachten und muss schauen, wie man mit dem Thema im Weiteren umgeht.

(Zuruf von der AfD: Eine Besetzung ist legitim?)