Henriette Quade (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist inzwischen in der Tat schwer geworden, den Überblick zu behalten, wo in der Bundesrepublik gerade wieder ein neuer Skandal in Spezialeinsatzkommandos oder Revieren der Polizei öffentlich wird, dessen Gegenstand extrem rechte und neonazistische Äußerungen von Einsatzkräften sind.

(Lachen bei der AfD)

In Münster sollen Beamte einer Polizeieinheit, einer SEK-Einheit, über Jahre hinweg extrem rechte Nachrichten in einer Chatgruppe ausgetauscht haben. 20 Mitglieder waren Teil dieser Gruppe, gegen acht wurden Ermittlungen eingeleitet. Im Jahr zuvor musste in Frankfurt eine SEK-Einheit wegen extrem rechter Chats aufgelöst werden. Die Fälle in Sachsen-Anhalt sind benannt.

Es sind also, wie wir schon lange wissen, keine Einzelfälle. Es gibt in Teilen der Polizei des Bundes und der Länder ein veritables Problem mit extrem rechten, neonazistischen und verfassungsfeindlichen Einstellungen. Dem wirksam zu begegnen, ist nicht zuvorderst notwendig, um das Ansehen der Polizei zu schützen, wie es die antragstellende Fraktion formuliert, sondern weil Polizeikräfte das staatliche Gewaltmonopol ausüben, weil sie mit Waffen und erheblichen Befugnissen ausgestattet sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Extrem rechte Einstellungen stehen in einem unauflösbaren fundamentalen Widerspruch zu den Werten des demokratischen Rechtsstaates, den zu schützen und nach dessen Gesetzen zu handeln, Aufgabe der Polizei ist. Inwieweit diesem Problem mit mehr Möglichkeiten der Mediation oder der tätigen Reue im Disziplinarrecht sinnvoll begegnet werden kann, erschließt sich mir nicht. An dieser Stelle vermag uns der Antrag auch nicht zu überzeugen.

Selbiges gilt im Übrigen für Fortbildung zu sozialer, interkultureller und kommunikativer Kompetenz. Diese sind zweifellos sinnvoll und nötig. Wer jedoch Neonaziparolen aus Überzeugung in einen Chat oder an einen anderen Beamten schreibt oder ihnen nicht widerspricht, der hat nicht zuerst ein Bildungsproblem, sondern ein Haltungsproblem.

Überzeugender ist die Forderung nach einer Stärkung des Schutzes für Whistleblower. Die ist dringend geboten. Hier bleibt das Land aktuell mit der dysfunktionalen Gestaltung der Polizeibeschwerdestelle weit hinter den Möglichkeiten zurück.

Zum letzten Punkt des Antrags. Eine oder einen tatsächlich unabhängigen Polizeibeauftragten fordern wir seit Jahren und unterstützen wir ausdrücklich. Neben diesen   in Anführungszeichen   harten Punkten und der konsequenten Durchsetzung des Disziplinarrechts bedarf es   hierbei gehen wir mit dem Antrag ausdrücklich mit   einer Veränderung der Organisationskultur innerhalb der Polizei, und zwar nicht, weil jene Beamten, die extrem rechts eingestellt sind, ihre Einstellung dadurch ablegen würden, sondern weil das Schweigen um sie herum so beendet werden und Chorgeist aufgebrochen werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Einhaltung von Recht und Gesetz und der Vollzug polizeilicher Aufgaben müssen in einer menschenrechtsfreundlichen Ausgestaltung im Mittelpunkt stehen, nicht falsche Loyalitäten innerhalb der Polizei. - Wir überweisen den Antrag sehr gern mit und sind gespannt auf die Debatte.

(Beifall bei der LINKEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine Nachfrage von Herrn Hövelmann.


Henriette Quade (DIE LINKE):

Von Herrn Hövelmann, ja.


Holger Hövelmann (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Quade, dass Sie bereit sind, die Frage ggf. zu beantworten. Sie haben Ihren Beitrag mit der Erklärung begonnen, dass Sie darüber entsetzt sind, dass es erneut einen Skandal in einer Spezialeinsatzeinheit, in einem SEK in Sachsen-Anhalt gibt. Darf ich Sie einmal ganz direkt fragen, woher Sie die Kenntnis haben, dass es überhaupt einen Skandal beim SEK in Sachsen-Anhalt gibt?


Henriette Quade (DIE LINKE):

Herr Hövelmann, eine kleine Korrektur: Ich habe damit begonnen, dass es schwer ist, einen Überblick über die Polizeiskandale in geschlossenen Einheiten zu haben. Und habe dann gesagt, dass die Fälle, die offensichtlich zum Antrag der Fraktion der GRÜNEN hier in Sachsen-Anhalt geführt haben, bekannt sind. Die Informationen, die mir dazu vorliegen, habe ich in der Innenausschusssitzung bekommen, auf die sich hier mehrfach bezogen wurde.

Herr Hövelmann, ich weiß jetzt nicht, was Ihr Punkt ist. Ich ahne angesichts des Debattenbeitrags Ihrer Fraktion, dass Sie darauf hinauswollen, dass es überhaupt keinen Skandal gibt. Ich will an der Stelle deutlich widersprechen.

Sagen wir einmal so: Wenn es so ist, wie ich der Presse entnehmen konnte, dass es sich lediglich um das Empfangen von Nachrichten und nicht das aktive Verschicken von neonazistischen Parolen oder den Nationalsozialismus verherrlichenden Positionen, Bildern, was auch immer handelt, dann ist das natürlich ein Punkt. Aber ernsthaft zu sagen, wenn Polizisten eines Sondereinsatzkommandos oder des Personenschutzes diese Nachrichten von einem Polizisten aus einem anderen Bundesland bekommen und keinen Anlass sehen, etwas zu tun,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Was stand denn drin in den Nachrichten? Was stand denn drin? Das weiß doch keiner!)

dann ist das Problem nicht wirklich kleiner. Genau das ermöglicht nämlich Skandale.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der AfD - Unruhe)