Olaf Meister (GRÜNE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt wirklich merkwürdige aktuelle Debatten. Die Rede von Dr. Tillschneider ist mit dem Begriff „bizarr“, glaube ich, richtig umschrieben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Diese Debatte kostet den Rahmen der Absurdität schon ziemlich aus. Da gehen also AfD-Abgeordnete - ihres Zeichens bekennende und engagierte Leugner des Klimawandels und furchtlose Kämpfer gegen den Klimawahn - zu einer Aktion von Klimaschützern und werden dort - das kommt nun völlig überraschend, wer konnte es ahnen? - unfreundlich empfangen. Nun gut, am 10. Januar 2023 war keine Verhandlung möglich. „Der Hörsaal muss sofort geräumt werden“ hatten Sie gefordert. Dass man Sie da nicht reingelassen hat, ist mir ein Rätsel. „Skandal“ - daraus muss man doch etwas machen können. Klar, im Landtag kann man sich mal als Opfer politischer Verfolgung präsentieren und die Knechtung anprangern. Das ist billiger Budenzauber und letztlich eine gezielte Provokation.

Ich konnte an diesem Punkt mit meiner Rede aufhören und mich hinsetzen. Das mache ich jetzt aber nicht. Da ich nun schon mal hier vorn stehe, kann ich mich dem Protest auch anschließen

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und einmal selbst das Rednerpult okkupieren, und zwar nur im Rahmen der mir zustehenden Redezeit; nicht, dass der Präsident unruhig wird.

Befassen wir uns zunächst mit dem Grundanliegen der jungen Audimax-Besetzerinnen, nämlich dem Klimawandel.

(Zuruf von der FDP: Und Besetzern!)

Die AfD-Fraktion wittert Klimaextremisten am Werk. Um das einzuordnen, muss man sich dazu allerdings die AfD-Position vergegenwärtigen. Nach Auffassung der AfD-Fraktion gibt es eine weltumspannende Verschwörung, an der die meisten - faktisch alle - sich mit dem Thema befassenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beteiligt sind. Obwohl auf der Erde alles total idyllisch ist und wir keinerlei Probleme haben, kommen sie böswilligerweise zu der Auffassung, da würden sich aktuell oder in nächster Zeit die klimatischen Bedingungen radikal ändern. Sie sprechen von ernsten Auswirkungen auf viele Facetten unseres Lebens, die neben den negativen Wirkungen auf Ernährung, Gesundheit etc. auch erhebliche Wohlstandsverluste mit sich bringen würden.

Der Hintergrund der Verschwörung ist etwas unklar und auch der AfD-Fraktion rätselhaft. Wahrscheinlich ist es wohl so, dass die Bündnisgrünen und das Streben nach der Weltherrschaft damit irgendetwas zu tun haben.

Nun könnte man natürlich auch - ich weiß, ein verwegener Gedanke - auf die Idee kommen - also rein hypothetisch  , dass das vielleicht gar keine Verschwörung ist. Könnte es sein, dass, wenn man in ein oder zwei Jahrhunderten die kompletten fossilen Rohstoffe der Welt verbrennt, die sich zuvor in Jahrmillionen gebildet haben, sich das in irgendeiner Weise auf die Atmosphäre auswirkt? Kann das spurlos bleiben? Kann es sein, dass der im Jahr 1713 in der Forstwirtschaft eingeführte Begriff der „Nachhaltigkeit“, also dass man mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen auskommen muss und nicht die der nächsten Generation mit verbrauchen darf, seine Berechtigung hat? Sollten die Daten der Wissenschaft nicht Lug und Trug sein, sondern - die sind sich beunruhigend einig - Ausdruck der Tatsache, dass wir das im Jahr 1713 erkannte Prinzip nicht berücksichtigen und dafür die schlichten naturgesetzlichen Folgen zu tragen haben werden? - Ich meine: ja.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei geht es jetzt nicht um moralische Aufgeregtheit und den Weltuntergang. Der Planet pellt sich auf die Durchschnittstemperaturen, den Meeresspiegelanstieg, die Wüstenausdehnung, die Artenvielfalt, die Flüchtlingsbewegung, die gesellschaftlichen Konsequenzen etc. ganz gepflegt ein Ei. Der fällt irgendwann in ein neues ökologisches Gleichgewicht und gut ist. Ob uns dieses Gleichgewicht allerdings gefällt und ob es uns Menschen als gute Lebensgrundlage taugt, das steht auf einem anderen Blatt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Anforderungen, die die aktuelle Situation an uns stellt, sind eigentlich nicht schlimm. Unsere Industriegesellschaft kann weitermachen, wir müssten aber bereit sein, die im Jahr 1713 postulierte Maxime umzusetzen. Wir können weiterhin ordentlich Energie verbrauchen, wir müssen sie halt nur regenerativ erzeugen. Wenn wir Rohstoffe einsetzen, müssen wir über ihre Rückgewinnung nachdenken. Wenn wir unsere Umwelt gestalten, müssen wir es so tun, dass wir unserem biologischen Leben letztlich nicht seine Grundlage entziehen. Für all das gibt es Lösungen. Sie sind aber nicht leicht und sie brauchen auch Zeit.

Wenn wir intelligent handeln, würden wir es schaffen. Wir müssten aber bereit sein, gezogene Erkenntnisse anzuerkennen, nach ihnen zu handeln und dort, wo es erforderlich ist, auch eine Veränderung in unserem Handeln vorzunehmen. Entweder wir bekommen das als Menschen hin oder der Planet erklärt es uns auf die harte Tour.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Klimaaktivisten haben das begriffen. Sie haben begriffen, dass es ihre Generation sein wird, die eben nicht einfach mehr so weitermachen kann, wie das in den letzten Jahrzehnten der Fall gewesen ist, dass vor allem sie die Folgen tragen werden. Daher kommen sie mit Protesten und auch mit anderen Protestformen.

Wenn man dies alles bedenkt, stellt sich am Ende die Frage, wer am 13. Januar 2023 im Audimax in Halle die Klimaextremisten waren. Darauf gibt es, meine ich, eine klare Antwort: Die Klimaextremisten waren die von der AfD.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zuruf von der AfD)

Die Rede von Dr. Tillschneider hat das sowohl vom Duktus als auch vom Inhalt her - soweit ich ihm folgen konnte, sie war so ein bisschen erratisch - gut belegt. Sie sind es, die eine radikale Position einnehmen. Sie sind es, die sich ziemlich konsequent dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn verweigern und vorschlagen, gegen besseres Wissen zu handeln bzw. nicht zu handeln.

Nun kann man natürlich auch die Frage aufwerfen - Frau Godenrath von der CDU tat es  , ob und welche Aktionen von Klimaaktivisten sinnvoll oder weniger sinnvoll sind und welche vielleicht zu kritisieren wären. Ein richtiges Ziel rechtfertigt tatsächlich nicht jedes Mittel. Wir hatten im Landtag schon Gelegenheit, auch über solche Dinge kritisch zu diskutieren.

Die Universitäten und Hochschulen waren aber seit jeher auch ein Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Den Alt-68ern wäre die Besetzung eines Audimax und die sachliche Verhandlung mit der Unileitung vermutlich nicht revolutionär genug gewesen.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das stimmt!)

Die Situation im Audimax in Halle wurde von den Agierenden und der Reaktion der Unileitung geprägt. Sie ist im Rahmen der universitären Selbstverwaltung auch zuständig. Sie hat das Hausrecht und übt es aus. Da standen die Zeichen völlig zu Recht darauf, die Menschen und vor allem das Thema ernst zu nehmen, und letztlich gab es ein vorzeigbares Ergebnis.

Der Landtag sollte zum einen dieses erfolgreiche Handeln der vor Ort Beteiligten achten und würdigen, zum anderen müssen wir uns als Landtag, vor allem aber als Land Sachsen-Anhalt, den Herausforderungen stellen und den Anforderungen gewachsen zeigen, die die Zeit und der Klimawandel mit sich bringen. Der Weg der AfD ist dabei der falsche. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Meister, es gibt zwei Interventionen und eine Frage. - Herr Scharfenort, bitte.


Jan Scharfenort (AfD):

Herr Meister, räumen wir einmal mit den Plattitüden auf.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Sie behaupten immer, wir würden den Klimawandel leugnen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Was ist denn das für ein Schwachsinn? Natürlich leugnen wir nicht den Klimawandel. Den gab es schon immer. Selbstverständlich! Woran wir Zweifel haben, ist der von den Menschen gemachten Klimawandel. So, wie Sie ihn beschreiben, funktioniert das nun einmal nicht.

Nehmen Sie doch einmal das IPCC. Wenn Sie sich die Berichte einmal genauer anschauen: Das 1,5-Grad-Ziel

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: 2-Grad-Ziel!)

ist ein Szenario von vielen. Was man sich dort herausgreift, ist noch nicht einmal das wahrscheinlichste Ziel.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Selbst nach diesen Berechnungen heißt es: Es kann so kommen, ja, aber das ist nicht das wahrscheinlichste Szenario. Aber das wird sich immer wieder hausgepickt, wenn wir einmal in Ihrer Gedankenwelt bleiben, der grünen Politik. Wir werben für Vernunft, für Naturwissenschaft, für Machbarkeit

(Lachen bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

für Ideologiefreiheit - darum geht es uns.

Wir erleben ja schon die Ergebnisse Ihrer Politik: Der CO2-Wert geht nach oben, die Energiepreise steigen und die Energiesicherheit sinkt. Das ist das Ergebnis. Ich sage Ihnen voraus: Am Ende haben wir die höchsten Emissionswerte in Europa, der Wohlstand ist zerstört und die Energiesicherheit ist kaputt. Das ist das Ergebnis grüner Politik, weil Sie sich einfach den Realitäten und den Fakten nicht stellen wollen.

(Beifall bei der AfD)


Olaf Meister (GRÜNE):

Das Wissenschaftliche können wir schwer verhandeln. Wir hatten anlässlich der Vergabe des Nobelpreises an einen Klimaforscher schon einmal die Diskussion, als gesagt wurde: Mein Gott, die kriegen dafür einen Nobelpreis.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Vielleicht ist es nicht ganz so abwegig. Ich habe das Beispiel genannt, um einfach aufzuzeigen, dass wir - das ist ein Fakt, den Sie schlecht bestreiten können - in 100, 200 Jahren die kompletten fossilen Rohstoffe verbrennen, die zuvor in Jahrmillionen entstanden sind. Das ist dann alles in der Atmosphäre, was vorher nicht dort war.

(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)

Dazu muss man nicht Klimawissenschaft studiert haben, um sich zu fragen: Was macht denn das?

(Zurufe von der AfD)

Kann man ernsthaft die Annahme vertreten, dass das keine Auswirkungen haben wird und noch dazu, wenn man die Auswirkungen sieht? Ich meine, es ist absolut naheliegend. Sie behaupten, dass Sie den Klimawandel nicht bestreiten, haben es aber in der gleichen Rede wieder gemacht.

Wir GRÜNEN stehen auf der Basis der Wissenschaft und erkennen diese Probleme an.

(Lachen bei der AfD und bei der FDP - Zurufe von der FDP)

- Sie lachen, aber es wurde schon vor 30 Jahren über dieses Thema gelacht, aber inzwischen nicht mehr so laut.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Man muss sich den wissenschaftlichen Dingen stellen und die Lösungen auch akzeptieren.

(Zurufe von Jan Scharfenort, AfD, und von Tobias Rausch, AfD)

Dann habe ich von Nachhaltigkeit gesprochen.

(Unruhe bei der AfD)

Das ist doch einfach ein Grundprinzip. Im Jahr 1713 gab es noch keine Grünen, trotzdem ist es ein Prinzip aus dem Zeitalter, dass ich mit den Ressourcen, die ich habe, klarkommen muss. Wenn ich das nicht mache, egal ob es in der Natur ist oder bei den Finanzen, dann komme ich am Ende nicht hin.

(Jan Scharfenort, AfD: Sie erreichen das Ziel aber nicht!)

Das ist doch logisch.

(Jan Scharfenort, AfD: Sie scheitern an Ihren eigenen Zielen! Das ist ja das Witzige!)

Wenn Sie das nicht akzeptieren, sondern sagen: „Über das Konto-Überziehen habe ich das in den vergangenen Jahren gut gemacht, das hat gut geklappt, das kann ich in den nächsten Jahren so weitermachen“, dann wird das nicht funktionieren.

(Jan Scharfenort, AfD: Sie erreichen Ihre Ziele nicht - im Gegenteil: Es wird schlimmer, und das zu einem hohen Preis! Wohlstandsverlust!)

Das ist der gravierende Unterschied in der Klimadebatte zwischen unseren Parteien.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Herr Pott, hat eine Nachfrage?


Konstantin Pott (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Meister, ich habe Ihrer Rede entnommen, dass Sie prinzipiell die Art des Protests, also die Besetzung, für durchaus legitim halten. Nun ist es auch dazu gekommen, dass vor gar nicht so langer Zeit, in diesem Jahr, die Geschäftsstelle der Grünen in NRW besetzt wurde, wogegen sich die Partei sehr stark gesträubt hat und gesagt hat, dass es eben nicht als legitimes Mittel angesehen werde und dass das Erpressung sei. Ich möchte von Ihnen ganz gern wissen: Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Ist eine Besetzung ein legitimes Mittel und, wenn ja, warum war es die Besetzung der Grünen-Geschäftsstelle in NRW nicht?

(Beifall bei der FDP)

 

Olaf Meister (GRÜNE):

Ich habe in meiner Rede erwähnt, dass nicht jedes richtige Ziel jedes Mittel rechtfertigt. Das ist tatsächlich erst einmal die Grundlage.

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Die Besetzung der Universität, des Audimax, das wäre von der Form her erst einmal nicht gerechtfertigt, wenn die Universität das tatsächlich zurückweisen würde. Wenn die Universität aber sagt: „Das ist okay, wir treten in Verhandlungen ein, um das gütlich zu regeln“, dann halte ich das für ein legitimes Mittel.

Die Besetzung einer Parteigeschäftsstelle, das findet eine Partei doof. Ich würde es auch doof finden, wenn meine Geschäftsstelle besetzt würde. Wenn ich das im Gesamtkontext betrachte und sehe, das ist eine Protestform, mit der ich auch einmal leben muss, dann sage ich: Okay, damit muss ich leben. Die Frage ist: Was passiert damit, wie lange dauert das und wie komme ich da heraus?

(Daniel Roi, AfD: Da sind wir in einer Reihe!)

- Nein. - Insofern kann man damit tatsächlich umgehen. Das sind die verschiedenen Aktionsformen, die es gibt. In der Vergangenheit wurden viel verrücktere Aktionsformen genutzt.

(Zuruf von der AfD: Das war keine Beantwortung! Das war nix!)