Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich beginne, eine kleine Anmerkung: Diese Rede wird wie meine folgenden wie angekündigt im generischen Femininum gehalten. An den Stellen, an denen ich weibliche Formulierungen verwende, sind alle betroffenen Menschen gemeint.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Da wir alle viel Erfahrung im Verstehen von Texten im generischen Maskulinum haben, bin ich zuversichtlich und sehr entspannt, dass Sie mich auch so verstehen werden.
(Unruhe - Zuruf von der AfD: Geht die Rede bald los?!)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, Sie haben recht. Die wirtschaftliche Situation unserer Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt war schon einmal besser, gut ist sie in der Mehrzahl der Fälle schon lange nicht mehr, aber so dramatisch wie heute war sie in der jüngeren Geschichte, meine ich, noch nie. Genau aus dem Grund haben wir GRÜNEN die Unterstützung von Kliniken in Not im Rahmen unserer Forderung nach einem Landesrettungsschirm mit bedacht. Und natürlich sehen wir die Sorgenfalten auf der Stirn der Kaufmännischen Geschäftsführerinnen der Krankenhäuser im Land. Und natürlich ist uns klar, jeder Krankenhausstandort im Land ist für die Versorgung unerlässlich. Wir brauchen alle Häuser, gerade um die Notfallversorgung flächendeckend sicherzustellen.
(Andreas Silbersack, FDP: Genauso ist es!)
Diese Sorgenfalten haben zum Glück bisher noch nicht dazu geführt, dass Häuser gegenüber dem Land eine drohende Insolvenz offiziell angemeldet haben. Der Super-GAU einer Krankenhausinsolvenz ist also in Sachsen-Anhalt im Moment noch kein Realszenario. Soweit wir das überblicken können, gehen zumindest morgen in keinem Krankenhaus in Sachsen-Anhalt die Lichter aus, und wir sind uns, glaube ich, hier einig darin, dass das so bleiben muss.
(Zustimmung bei der SPD)
Deshalb ist auch der Bund bereits tätig geworden. 6 Milliarden € stehen im Rahmen des Entlastungspakets 3 für die Krankenhäuser in Deutschland bereit. Dieses Geld kommt. Dieses Geld wird substantiell helfen. Ob es am Ende, wenn die Häuser ihre Spitzabrechnung vorlegen, wirklich reichen wird, das Defizit durch die steigenden Energiepreise und die Inflation aufzufangen, wird zu sehen sein. Aber ich habe im Ausschuss und heute hier die Einlassung des Ministeriums und der Koalitionsfraktionen so verstanden, dass eine Tür für eine Landesförderung zumindest einen Spalt weit offensteht und dass die Landesregierung jetzt nicht, ohne den Bedarf genau zu kennen, pauschal 300 Millionen € bereitstellt, wie DIE LINKE das fordert. Geschenkt! Das würde wahrscheinlich keine Fraktion in Regierungsverantwortung machen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
- Das ist so. - Dass sie aber, sobald konkrete Zahlen vorliegen, bei Bedarf noch einmal nachsteuert, das kann man verlangen und das verlangen wir GRÜNEN auch. Aber bei dieser Diskussion ist es wichtig, die strukturelle Unterfinanzierung der meisten Krankenhäuser durch die noch bestehende Finanzierungsarchitektur für Krankenhäuser und die jetzt akute Notlage zu unterscheiden. Ein Notfonds darf nur auf die aktuelle Situation der Kostenexplosion bezogen sein. Darüber hinaus gilt für das Land weiterhin die Verpflichtung einer dauerhaften angemessenen Investitionsförderung. Da sind nach jahrelangen Defiziten gerade in der letzten Legislaturperiode durch die Kenia-Koalition entscheidende Schritte gegangen worden, aber wirklich zufriedenstellend ist die Höhe der landesseitigen Investitionsförderung nach wie vor nicht.
Das strukturelle Defizit der zweiten Säule der Krankenhausfinanzierung bei den laufenden Kosten muss wiederum an noch anderer Stelle gelöst werden, und da ist die gute Nachricht, das passiert gerade. Das Gutachten der Regierungskommission und die ersten Planungen zu den Eckpunkten aus dem Bundesministerium für Gesundheit zur Neugestaltung der Krankenhausfinanzierung sind Anlass zu Optimismus. Endlich wird die stationäre Grundversorgung wirklich als Teil von Daseinsvorsorge begriffen, wenn zukünftig eine Basisfinanzierung von Krankenhäusern in der Grundversorgung garantiert ist, wenn also die Vorhaltung dieser Grundversorgung finanziell untersetzt wird und nicht erst die konkrete Zahl von Behandlungsfällen Ausgangspunkt von finanzieller Förderung ist.
Das wird vor allem in Gegenden mit dünnerer Besiedlung und mit weiten Wegen, also in den Kliniken mit geringerem Patientinnenaufkommen, die aber in der Fläche trotzdem gebraucht werden, helfen. Die Grundversorgung in der Fläche muss jenseits von rein wirtschaftlichen Betrachtungen sichergestellt sein, und spätestens durch die Coronapandemie ist unmissverständlich deutlich geworden, es braucht ganz einfach Luft im System, um angemessen auf Krisen reagieren zu können. Wenn schon im Normalbetrieb alles auf Kante genäht ist und die Schrauben ökonomischer Effizienz bis zum Anschlag angedreht sind, dann kollabiert das System, sobald sich die Lage zuspitzt. Das haben wir nicht nur bei Corona gesehen, aktuell haben wir eine solche eskalierende Situation auch bei den Kinderstationen in Sachsen-Anhalt gesehen.
Das darf schlicht und ergreifend so nicht weitergehen. Ein Krankenhaus ist nun einmal kein normales Unternehmen, bei dem betriebswirtschaftliches Kalkül das treibende und zuvörderst zu betrachtende Element sein darf; denn egal, was die Apologetinnen der Ökonomisierung unseres Gesundheitssystems verkünden mögen, Gesundheit ist ein zu erfüllendes Recht, keine Ware. So simpel ist das im Grunde.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)
Ziel eines Krankenhauses darf also nicht Gewinnmaximierung und möglichste Kostenreduzierung sein, sondern die Sicherstellung einer hochqualitativen und flächendeckenden Versorgung. Effizienz ist kein Makel und die Notwendigkeit von mehr Effizienz und des Abbaus von Fehlanreizen zur Überversorgung war wohl damals treibendes Motiv bei der Einführung der fallpauschalenbezogenen Krankenhausfinanzierung in Deutschland, also der DRG. Aber es wurden dabei neue Fehlanreize geschaffen. Mit den DRG hat man die Finanzierung des Versorgungsanspruchs fast vollständig Marktmechanismen unterworfen. Das hat unsere Strukturen marode und anfällig gemacht, und mir scheint, dem Arbeitsgremium des Bundesgesundheitsministeriums ist das bewusst, und man arbeitet daran, dieser Maximalökonomisierung der Krankenhausversorgung jetzt wieder etwas entgegenzuwirken.
Störfeuer aus Bayern sind an der Stelle hoffentlich nur parteitaktische Manöver und Kampfbegriffe wie „Sozialismus“, die in dieser Debatte schon gefallen sind, einzig der Dynamik einer Medienöffentlichkeit geschuldet, die Polemik mit Aufmerksamkeit goutiert. Es scheint eine Art Pawlowscher Reflex zu sein, die Ampel macht, Bayern und die CSU sind dagegen, und dann wird im besten Falle nachgedacht. Das war beim 49-€-Ticket auch so.
Deshalb mein Appell besonders an die Fachpolitikerinnen der Union: Handeln Sie im Sinne der Krankenhauslandschaft in unserem Flächenland und unterlassen Sie parteipolitische Spiele an dieser Stelle. Die Krankenhausreform ist zu wichtig für Ränkespiele im Bundesrat. Diese Reform wird den Kliniken in Sachsen-Anhalt in besonderem Maße helfen. Wo sie es nicht kann, müssen wir als Land für den Erhalt von Strukturen einspringen, die wir für die Menschen in unserem Land gestalten können und die nicht in den Wirrnissen des freien Marktes untergehen. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN)