Tagesordnungspunkt 10

Beratung

Gendern? - Nein, danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten - keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/2125


Herr Tillschneider nimmt die Einbringung vor. - Bitte sehr.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mitte November letzten Jahres hat in Thüringen die dortige AfD-Fraktion für einen CDU-Antrag gestimmt, der die Abschaffung von Genderschreibweisen in der Kommunikation des Thüringer Landtages forderte. So weit, so gewöhnlich; denn wir als AfD stimmen prinzipiell jedem Antrag zu, den wir für gut befinden, und das sogar dann, wenn er von der CDU kommt.

(Zustimmung die AfD)

Das Besondere daran aber war, dass die Regierung unter Bodo Ramelow in Thüringen keine Mehrheit hat und deshalb die Abschaffung der Genderschreibweisen gegen den Willen der roten Ramelow-Regierung durch die vereinten Stimmen der AfD und der CDU eine Mehrheit gefunden hat. Thüringen zeigt wie es geht.

(Zustimmung bei der AfD)

Die Konstellation ist unserem Haus freilich eine etwas andere. Aber auch hier hätte die CDU zusammen mit der AfD eine Mehrheit. Der Antrag, den wir stellen, entspricht, abgesehen von marginalen Adaptionen, eins zu eins dem Antrag, wie ihn die Thüringer CDU gestellt hat. Es ist Geist von Ihrem Geist, werte CDU-Kollegen; es ist Fleisch von Ihrem Fleisch.

(Ulrich Thomas, CDU, lacht - Lachen bei der CDU)

Ich bin sehr gespannt, wie Sie, die Mitglieder der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, sich zu diesem CDU-Antrag aus Thüringen verhalten werden.

Nun aber zur Sache. Ich könnte jetzt eine belustigende Rede über den Gender-Irrsinn halten, die Verunstaltung des Schriftbildes und die gespreizte, ungebildete Ausdrucksweise. All das böte reichlich Anlass für beißenden Spott.

Ich will das aber nicht tun, weil der Spott über das Gendern, so unterhaltsam er sein mag, immer Gefahr läuft, das Gendern in all seiner Perfidie und Perversion zu verkennen. Das Gendern ist nicht mehr und nicht weniger als der Versuch, durch gezielte Sprachmanipulation die Gesellschaft zu manipulieren und einen neuen geschlechtsneutralen Menschen zu schaffen.

(Beifall bei der AfD)

Es beruht auf etwas, was ich perverse Linguistik nennen will. Ich erkläre, was ich damit meine. Die Sprachwissenschaft hat festgestellt, dass es unterschiedliche Arten und Weisen gibt, wie Männer und Frauen sprechen, wie sie übereinander sprechen und wie sie angesprochen werden.   Schön und gut.

Weiterhin hat die Sprachwissenschaft festgestellt, dass diese Sprechweisen in doppelter Hinsicht wandelbar sind. Sie unterscheiden sich von Sprache zu Sprache und innerhalb einer Sprache wandeln sie sich mit der Zeit.   Schön und gut.

Diese Wandelbarkeit korreliert mit dem Wandel der Geschlechterrollen von Zeit zu Zeit und von Kultur zu Kultur. Die unterschiedliche Sprache reflektiert das je unterschiedliche Verhältnis der Geschlechter und die Sprachwissenschaft findet, wenn sie solide historisch arbeiten will, hierin ein weites Feld, das der Durchdringung harrt.   Schön und gut.

Nun aber   das ist der entscheidende Punkt   sind einige Linguisten auf die Idee gekommen, die Sprache selbst und die Art und Weise des Sprechens über Männer und Frauen seien das, was eigentlich erst die Geschlechterrollen erzeugt. Männlichkeit und Weiblichkeit sollen erst dadurch geschaffen werden, dass die Sprache diese Unterscheidung trifft. Wir sollen Männlichkeit und Weiblichkeit durch die Art und Weise konstruieren, wie wir über Männer und Frauen sprechen.

Wenn wir dazu noch Saussure mutwillig falsch verstehen und aus dem Umstand, dass sprachliche Zeichen arbiträr, also willkürlich gesetzt sind, ableiten, sie seien auch beliebig setzbar, dann lässt sich   das ist die entscheidende Schlussfolgerung der perversen Linguistik   über eine bewusste Veränderung der Sprachzeichen und des Sprechens auch das Rollengefüge der Geschlechter verändern.

Aus einem rationalen Ansatz wird so ein magischer, und zwar magisch in dem Sinne, dass die Sprache etwas auf übernatürlichem Wege erzeugt. Aus einem deskriptiven Ansatz wird ein normativer Ansatz. Da ein normativer Ansatz immer ein Sollen formuliert, fragt sich aber, auf welches Ziel hin denn die Geschlechterrollen manipuliert werden sollen.

An dieser Stelle kommt das marxistische Erbteil der Gender-Theorie zum Tragen. So ähnlich wie im Marxismus die kapitalistische Produktionsweise als ein Zwangssystem verstanden wird, von dem es den Menschen zu befreien gilt, versteht der Gender-Ansatz das System der Zweigeschlechtlichkeit als ein Zwangssystem. Er spricht abwertend auch von der Heteronormativität und versucht uns von dieser Heteronormativität zu befreien, indem er die Unterscheidung von Mann und Frau mit den Mitteln der Sprache unsichtbar macht.

Ob nun statt von dem generischen Maskulinum „Studenten“ von „Studierenden“ gesprochen wird, ob statt der geschlechtsmarkierenden Endung ein „x“ eingesetzt wird und es dann nicht mehr „Professor“ heißt, sondern „Professx“ oder ob das große Binnen-I verwendet wird und ein, sagen wir, gestandenes Mannsbild von CDU-Politiker sich als „PolitikerIn“ ansprechen lassen muss: Immer ist es das erklärte Ziel, die Zweigeschlechtlichkeit an sich aufzuheben.

Die Geschlechtskategorien sollen aus der Sprache und aus dem Denken verschwinden. Ziel ist ein neuer Mensch, der keine Geschlechterrollen mehr kennt, bei dem bis in die Sprache hinein Männer und Frauen total gleichgemacht sind.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Daher gibt es auch den Irrsinn, Frauen mit Gewalt in Männerberufe zu drängen und umgekehrt, damit es irgendwann keine Männer- und keine Frauenberufe mehr gibt und die Unterscheidung von Mann und Frau wieder ein Stück zurückgedrängt wurde.

An dieser Stelle muss ich jetzt doch einen Witz loswerden. Als ich 2016, frisch in den Landtag gewählt, das erste Mal mein Postfach geöffnet habe, fiel mir eine statistische Mitteilung in die Hände: Im Jahr 2015 haben soundso viele Frauen ihre Ausbildung als Hebamme absolviert. Dies wurde kommentiert mit dem Satz: Männer interessieren sich leider noch nicht für diesen Beruf. - Sollen sie auch nicht, sage ich. Denn solange Frauen die Kinder bekommen, wird Hebamme ein reiner Frauenberuf bleiben, und das ist auch gut so.

(Zustimmung bei der AfD)

Ein weiteres Beispiel sind Grundschullehrer. Die weit überwiegende Mehrheit der Grundschullehrer sind Frauen, da Frauen naturgemäß eine stärkere Affinität zu kleinen Kindern haben als Männer.

(Katrin Gensecke, SPD: Oh! - Sandra Hietel-Heuer, CDU: Hören Sie sich überhaupt zu? - Lachen - Unruhe)

Das hat DIE LINKE, DIE GRÜNEN und die SPD im Bildungsausschuss noch nie daran gehindert, den hohen Frauenanteil unter den Grundschullehrern als ein Problem anzusprechen. Werte Kollegen, der hohe Frauenanteil unter Grundschullehrern ist normal. Das ist gut so. Das ist kein Problem und nichts, was die Politik ändern muss.

(Beifall bei der AfD)

Normale Menschen empfinden die Geschlechterrollen nicht als Einengung, sondern sind damit ganz zufrieden. Der Staat soll weder in die freie Berufswahl noch in die Sprache eingreifen. Der Staat soll Männer Männer und Frauen Frauen sein lassen und soll sich um echte Probleme kümmern. Davon haben wir nämlich genug in diesem Land.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Richtig!)

Es handelt sich beim Gendern um eine typisch identitätsfeindliche neulinke Wahnidee.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Genau wie der Mensch von seiner nationalen Identität befreit werden soll, soll er auch von seiner geschlechtlichen Identität befreit werden. Dabei verkennt dieses Denken, dass sowohl die geschlechtliche als auch die nationale Identität notwendige Elemente der Conditio humana bilden und dass derjenige, der beides erledigen will, die Tür zur Bestialität aufstößt. Ziel der linken Genderer ist eine vaterlands- und geschlechtslose Wahnsinnswelt.

Der Gender-Ansatz verkennt erstens, dass die Sprache Wirklichkeit abbildet und nicht erzeugt. Zweitens verkennt der Gender-Ansatz, dass die Geschlechterrollen bei all ihrer historischen und kulturellen Wandelbarkeit in biologischen Unterschieden fundiert sind, vor denen der Genderist einfach die Augen verschließt. Wie ein zweiter Vogel Strauß steckt er den Kopf in den Sand seines linguistischen Wolkenkuckucksheims.

Die Frage nach den Gefahren, die von der modernen Wissenschaft für den Menschen ausgehen, wird meistens am Beispiel der Atombombe diskutiert. Wie die Gendertheorie zeigt, kann eine geisteskranke Geisteswissenschaft für den Menschen aber mindestens genauso gefährlich sein.

„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott“, heißt es im Johannesevangelium. Das uranfängliche schöpfende Wort ist Sache Gottes. Wer Sprachmanipulation als einen Hebel einsetzt, um von oben nach unten in das Verhältnis der Geschlechter einzugreifen, setzt sich an Gottes Stelle, wie derjenige, der die menschlichen Gene manipuliert. Und, so sage ich, Gendern ist Gotteslästerung.

(Zustimmung bei der AfD - Lachen bei den GRÜNEN)

Wenn unsere Kirchen noch Kirchen wären und keine linken Politvereine, dann würden sie, statt eine Bibel in Gendersprache herauszugeben, von der Kanzel herab das Gendern als schwere Verirrung, als Ausdruck menschlichen Hochmuts und als Sünde des Geistes verdammen.

(Zustimmung bei der AfD)

Der ganze Gender-Ansatz ist dermaßen abwegig, manipulativ und auf eine perverse Weise links, dass eine Partei, die sich christlich nennt, darauf mit nichts anderem reagieren sollte als mit klarem, unmissverständlichem und festem Widerstand.

Damit wären wir wieder beim Ausgangspunkt der CDU. Die CDU hat von der Masseneinwanderung über die Ehe für alle und die Erledigung des Elterngeldes bis zum Atomausstieg alles, was sie einst an konservativer Politik im Bestand hatte, aufgegeben. Der Widerstand gegen das Gendern ist so etwas, wie der letzte kümmerliche Restbestand an Konservatismus, an den man sich auf der Suche nach Unterschieden zwischen CDU und GRÜNEN noch irgendwie festklammern kann. Fragt sich nur, wie lange noch.

In Thüringen haben sich die Gender-Kritiker innerhalb der CDU zu einem Akt des Widerstandes aufgebäumt, was aber auch daran liegt, dass die CDU dort in der Opposition ist, in Umfragen um die 20 % schwankt und ihr das Wasser bis zum Halse steht. Bei dieser Gelegenheit danken wir Höcke.

(Zustimmung bei der AfD)

In solchen Situationen bemüht sich die CDU, konservatives Profil zu zeigen. Sobald sie aber bei 30 % steht und an der Macht sitzt, wird das konservative Profil schnell unscharf und zerfließt wie Wasserfarbe auf feuchtem Papier.

Der erste Versuch, in Deutschland Genderpolitik zu machen, das sogenannte Gendermainstreaming, ist von der ersten rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder unternommen worden. Die CDU hat damals ähnlich wie jetzt in Thüringen aus der Oppositionsrolle heraus wacker gegen das Gendermainstreaming gewettert.

Als die CDU dann aber 2005 an die Macht kam, hat das erste Kabinett Merkel beschlossen, das Gendermainstreaming, das Rot-Grün eingeführt hatte und gegen das die CDU aus der Opposition heraus Widerstand geleistet hatte, fortzuführen. Daran kann jeder beispielhaft sehen, dass, unabhängig davon, wer gerade in der Regierung ist, ein und dieselbe politische Agenda durchgesetzt wird.

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

Das wiederum legt den Schluss nahe, dass diese Agenda woanders festgelegt wird und die politischen Kämpfe in den Altparteien nichts sind als ein großes Theater; ein Marionettentheater, um genau zu sein.

Zurück zum Thema. Thüringen war eine Ausnahme. Der Widerstand gegen das Gendern ist in der Gesamt-CDU immer weniger Konsens und immer mehr ein Thema der rechten Rebellen, deren ganze Verwegenheit darin gipfelt, dass sie sich bei Gesprächen unter Gleichgesinnten hinter vorgehaltener Hand eingestehen, Mitglied im Verein Deutsche Sprache zu sein.

(Lachen bei der AfD)

Derweil laufen immer mehr Opportunisten in der CDU   die CDU hat an diesem Politikerschlag einen gewissen Reichtum   zur Gender-Fraktion über. Sie gendern wie unsere Bildungsministerin eifrig drauflos und halten sich wahrscheinlich viel darauf zugute, als eine die alten Zöpfe abschneidende Avantgarde zu gelten. Ist Ihnen bewusst, was für ein peinliches Bild Sie damit abgeben?

Dieser Antrag, den wir aus Erfurt herbeigeholt haben, ist eine Brücke. Er bietet Ihnen die Möglichkeit, dieses unwürdige Geeiere zu beenden, sich wieder ein wenig aufzurichten, ein Machtwort zu sprechen und endlich, endlich zu konservativem Selbstbewusstsein zurückzufinden.

(Guido Heuer, CDU: Dafür brauchen wie Sie nicht!)

- Na ja, doch, doch.

(Guido Heuer, CDU, und Ulrich Siegmund, AfD, lachen)

Wenn Sie diesen Antrag der CDU in Thüringen dagegen ablehnen, dann erklären sie damit vor aller Augen, dass es nichts, rein gar nichts mehr gibt, was die CDU in Sachsen-Anhalt von den GRÜNEN unterscheidet.

(Beifall bei der AfD)

Auch das wäre dann zumindest eine Art Ehrlichkeit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Intervention von Frau Kleemann. - Frau Kleemann, Sie haben das Wort.


Juliane Kleemann (SPD):

Sie haben das Johannesevangelium angesprochen, Herr Dr. Tillschneider. Das, was darin steht, bezieht sich nicht auf Sprache, sondern es bezieht sich auf Christus. Wenn Sie ein Stückchen vom christlichen Glauben verstanden hätten, dann hätten Sie die Rede, die Sie gerade gehalten haben, so niemals halten können.

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

Sie haben nichts verstanden.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja, ja. Wissen Sie: Dort steht „Logos“. Man kann lange darüber rätseln, wie das zu übersetzen ist. Es gibt eine schöne Szene in Faust, in der er auch mehrere Varianten durchgeht. „Wort“ ist nicht falsch: „Im Anfang war das Wort.“

(Christian Hecht, AfD, lacht - Zustimmung von Christian Hecht, AfD)

  Gibt es noch etwas?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Nein, Herr Tillschneider, Sie sind fertig.

(Zustimmung bei der AfD)