Olaf Meister (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bewältigung des Strukturwandels im Rahmen des Investitionsgesetzes Kohleregionen erfolgt leider weitgehend als exekutives Verfahren. Einer der Nachteile dessen kommt hier zum Tragen: Das Parlament und weite Teile der Öffentlichkeit sind bei dieser großen Aufgabe ziemlich außen vor. Die aktuellen Ereignisse, die Anlass für die Aktuelle Debatte sind, haben weder das Parlament noch den Fachausschuss nachrichtlich erreicht. Im Kontakt mit den Akteuren und nicht zuletzt aus den Presseberichten sind die Neuigkeiten dann eher informell zu uns gelangt. Herr Erben hat sehr schön geschildert, wie er, der auch kommunalrechtlich damit zu tun hat, von der aktuellen Situation erfuhr: per Klick im Internet auf eine Werbeanzeige.

Eine politische Entscheidung der Landesebene über bestimmte Fragen - Wie sieht eine Bewertungsmatrix, also die Gewichtung von Themen, aus? Wie sieht regionaler Proporz aus? Wie weit soll das streuen? Wie stark ist das Kernrevier beteiligt? - wurde zwar geltend gemacht, leider aber nie herbeigeführt. Wir hatten in der vorangegangenen Legislaturperiode eine Diskussion im Finanzausschuss darüber, ob wir uns das nicht auf den Tisch holen sollten. Damals hat die damalige Regierung gemauert, so möchte ich es einmal sagen. Und jetzt, als man die Chance gehabt hätte, dort wieder reinzugrätschen, hat man sie nicht genutzt. Im Koalitionsvertrag finden sich solche Regelungen, die eine starke Beteiligung dieses Hauses vorsehen, nicht. Das Parlament debattiert heute zwar dazu, entscheidet aber letztlich nicht.

Die Landesregierung muss sich fragen lassen, ob sie diese Art des Vorgehens für gerechtfertigt hält, ob es der Bedeutung der Aufgabe gerecht wird und ob nicht die wesentlichen inhaltlichen Weichenstellungen öffentlich durch das Parlament zu treffen gewesen wären bzw. noch zu treffen sind. Wir meinen: Das müsste der Fall sein. Dem leider rein exekutiven Verfahren der Landesregierung zur Projektauswahl würde mehr Öffentlichkeit guttun - nicht nur, um das Landesparlament zu beteiligen, sondern auch um die Bürgerinnen und Bürger vor Ort wie auch darüber hinaus mitzunehmen.

Die Bewertungsmatrix der Landesregierung zur Projektauswahl konnten wir auf Nachfrage erhalten. Ein Nachvollziehen der Entscheidung mit dieser allein ist jedoch schwierig, ich behaupte sogar, unmöglich. Dass selbst die Landräte von der Entscheidung der Landesregierung zum Förderstopp überrascht wurden, lässt tief in die Kommunikationsstruktur blicken. Dass selbst Minister Robra überrascht war, hat wiederum mich überrascht.

(Zuruf von der AfD)

Die bereits erfolgte und noch vorzunehmende Auswahl von Projekten für den Strukturwandel muss nachvollziehbarer werden.

(Zuruf von der AfD)

Dies scheint umso sinnvoller, da die Kohlemillionen infolge von Inflation und Kostensteigerungen - die Vorrednerinnen und Vorredner sind darauf eingegangen - weniger wert werden und am Ende nicht jedes wünschenswerte Einzelprojekt finanzierbar ist.

Dem Wirtschaftsausschuss soll auf unsere Initiative hin regelmäßig eine Projektliste vorgelegt werden, nachrichtlich. Das ist jetzt auch passiert. Der Informationsgehalt der ersten Tabelle hierzu war jedoch übersichtlich.

Was hieran noch einmal deutlich wird, das ist das reaktive Verhalten bei der Umsetzung des Strukturwandelprozesses. Es geht nicht um bessere Öffentlichkeitsarbeit, sondern um die harten Fakten, und wenn schon nicht um Beteiligung an den Entscheidungsprozessen, so doch um Erläuterung dieser, ihres Zustandekommens und ihrer Ziele. Zur Transparenz gehört auch, dass Entscheidungen zur Fördermittelvergabe offengelegt werden und für alle nachvollziehbar sind.

Kommen wir zu den inhaltlichen Problemen. Die Geschwindigkeit des Strukturwandels wird zunehmen müssen, um dem Braunkohleausstieg bereits etwa ab dem Jahr 2030 zu begegnen. Ich weiß, das Ausstiegsdatum ist ein Politikum und darüber wird heiß diskutiert. Ich bitte aber zu bedenken,

(Guido Heuer, CDU: In NRW thematisierten sie das Jahr 2045!)

- ich bitte zu bedenken  , dass sich durch die eintretenden Veränderungen der Rahmenbedingungen - CO2-Bepreisung und Ausbau der Erneuerbaren als Stichpunkte   schon deutlich vor dem Jahr 2034 - das ist unser offizielles Ende - die Situation ergeben kann, dass sich Abbau wirtschaftlich nicht mehr lohnt,

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

ein Szenario, das mitgedacht werden sollte.

Deswegen ist es für mich so unverständlich, dass der Ministerpräsident so plakativ am Jahr 2038 festhält. Das ist risikobehaftet. Wenn es nämlich nicht 2038 ist, dann ist es sowieso 2034. Es kann aber sein, dass uns vorher Dinge treffen. Frau Simon-Kuch ist eben auch sehr auf das Jahr 2038 eingegangen. Ich glaube, das ist der falsche Weg.

Mit Blick auf die günstigeren Preise erneuerbarer Energien und darauf, dass die Wirtschaft damit beginnt, sich bei der Energieversorgung und bei stofflichen Grundstoffen grundlegend umzugestalten, nämlich weg von fossilen Rohstoffen hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, die stärker auf Recycling und nachwachsenden Rohstoffen basiert, ist klar, wohin der Zug inhaltlich fährt.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Der Wandel des mitteldeutschen Reviers wird umfassend sein. Daher sind Projekte richtigerweise auch in vielen thematischen Bereichen angesiedelt. Der Kern des Strukturwandels muss es aber sein, die Auswirkungen des Ausstiegs aus fossiler Energie durch neue Arbeitsplätze zu kompensieren, also vor allem das typische Kernrevier in die Lage zu versetzen, mit den neuen Aufgaben in die Zukunft zu starten.

Zielrichtung sollte daher sein, eine vielseitige und auf Klimaneutralität abzielende Wirtschaftsstruktur aufzubauen. Dafür muss im Revier stringenter an diesen Schwerpunkten angedockt werden. Die breit gefächerte Projektpalette lässt bei dem einen oder anderen Vorhaben durchaus Fragen aufkommen.

Nicht Wunsch- oder Schubladenprojekte, sondern Ansätze, die zum Entstehen neuer Wirtschaftsfelder und zur Ansiedlung von Fachkräften und jungen Familien führen, sind in den Fokus zu nehmen. Das Geld darf nicht als Betongold in Straßen versenkt werden, die man schon immer einmal haben wollte.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Künftig sehen wir Tradition neben grüner Zukunftstechnologie im Revier. Während sich die MIBRAG die lukrativen Geschäftsfelder Windkraft und Fotovoltaik erschließen muss, um die Entkopplung von der Braunkohle voranzutreiben und die Rekultivierung stemmen zu können, wird die Sanierung der Bergbaufolgelandschaften noch mindestens bis in die 2040er-Jahre hinein erfolgen und insofern auch Arbeit geben.

Wenn wir über Strukturwandel reden, dann ist es nötig, eine Vision zu haben und zumindest grob das Ziel zu umreißen, wohin die Reise führen soll. Blicken wir auf den auch global stattfindenden bzw. künftig zu erwartenden Strukturwandel, zeigt sich, dass der Weg zur Klimaneutralität nötig ist, aber mit seinen Umbrüchen und Disruptionen für eine Strukturwandelregion auch Chancen bietet. Daher müssen wir die Grundlagen für Wirtschaft und Unternehmen auf dem Weg zu mehr Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und CO2-Neutralität legen. Der Strukturwandel muss, wenn er für die Region dauerhaft erfolgreich sein soll, nachhaltig sein.

Wir sehen erhebliche Potenziale in der Ansiedlung von umweltorientierten Unternehmen in der Wasserstoffwirtschaft, der Zulieferbranche für Elektromobilität und der Biomedizintechnik über Unternehmen der Chemie- und Kunststoffindustrie bis hin zu Unternehmen der Digitalwirtschaft. Forschung und Entwicklung sind schon angesprochen worden. CTC ist ein Thema, an dem man sieht, dass so etwas tatsächlich passiert. Insofern gibt es natürlich auch positive Seiten. Weniger hingegen würden wir zum Beispiel Logistik mit relativ geringer Wertschöpfung als Punkt sehen, in den man starten sollte.

Politik und öffentliche Hand können dabei nur den Rahmen setzen und die Voraussetzungen schaffen. Die konkrete Ausgestaltung wird häufig bei den Menschen vor Ort und bei der bestehenden und sich ansiedelnden Wirtschaft liegen.

Nachdem die Landesregierung besser heute als morgen mit der überarbeiteten Förderrichtlinie nach außen geht   hierbei bitte auch wieder die Abgeordneten und die Öffentlichkeit nicht vergessen  , ist es ebenso wichtig zu kommunizieren, wie viele Mittel noch zu verteilen sind und in welchen Jahresscheiben dies erfolgen kann und soll.

Der Strukturwandel duldet keinen weiteren Aufschub, nicht zuletzt, weil er zur dringend nötigen Begegnung des Klimawandels eher Ergebnisse liefern sollte als im Jahr 2038. - Danke schön.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Meister. - Wir sind damit am Ende der Debatte und auch am Ende des Tagesordnungspunktes angelangt.