Holger Hövelmann (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Antragsteller von der AfD-Fraktion! Um das gleich vorweg zu sagen: Die wahren Extremisten in unserem Land kleben sich nicht auf der Straße fest oder beschädigen Kunstwerke,
(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)
wie Sie es in Ihrer Begründung zur Aktuellen Debatte versucht haben darzustellen. Die wahren Extremisten in unserem Land,
(Jan Scharfenort, AfD: Sitzen im Bundestag!)
jene, die die diesen demokratischen Staat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen, sitzen in Büros, sind teilweise an Waffen ausgebildet worden, haben Waffen gesammelt und saßen offenbar - wir haben es gehört und gelesen - aufseiten Ihrer Partei im deutschen Bundestag.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gehörte irgendwie zur Hygiene dazu, dass man einen solchen Satz vorweg sagt, sonst könnte man sich dem Thema überhaupt nicht nähern. Das musste einmal gesagt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bewältigung der Klimakrise ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. Aus diesem Grund nimmt sie in politischen Debatten und in der öffentlichen Diskussion, auch bei politischen Entscheidungen in den letzten Jahren sehr großen Raum ein, wird sehr emotional diskutiert und sorgt dafür, dass viel Betroffenheit erzeugt wird.
Das erklärte Ziel der Aktivistinnen und Aktivisten - man darf fragen, ob dieser Begriff berechtigt ist - der „Letzten Generation“ aber ist die Erzeugung von Aufmerksamkeit und die Störung.
(Zuruf von Stefan Ruland, CDU - Weitere Zurufe von der AfD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat nichts mit Klimaschutz zu tun. Hier muss unser Rechtsstaat mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln konsequent handeln.
(Zustimmung bei der CDU)
Es gibt viele Wege, sich in der Demokratie an der politischen Meinungsbildung zu beteiligen. Wir alle praktizieren einen dieser Wege. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Begehung von Straftaten sind dagegen keine legitimen Protestmittel. Ein Ziel wie der Klimaschutz rechtfertigt eben nicht konkrete Tatziele, wie die Störung des Straßenverkehrs oder die Sachbeschädigung.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, fordert die AfD, die Aktivisten als Extremisten beim Verfassungsschutz einzuordnen.
(Zuruf von der AfD: Ja, hervorragend!)
Ich habe versucht, deutlich zu machen, wie die Taten strafrechtlich einzuordnen sind. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sieht richtigerweise keinen Anlass zur Beobachtung der Klimabewegung „Letzte Generation“. Er erkenne gegenwärtig nicht - und ich darf ihn zitieren , „dass sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet, und insofern ist das kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz.“
Das Begehen von Straftaten macht die Letzte Generation nicht extremistisch. Ein weiteres Zitat: „Extremistisch seien Gruppen immer dann, wenn der Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage gestellt wird und genau das tun die Leute ja eigentlich nicht.“ Dem will ich nichts hinzufügen.
(Zustimmung bei der SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt neben der etwas obskuren Forderung der AfD an den Verfassungsschutz und an die Polizei auch den Vorschlag der Unionsfraktionen im deutschen Bundestag zur Verschärfung des Strafrechts aus diesem Anlass. Ich will für meine Fraktion deutlich machen: Der Ruf nach strafrechtlichen Verschärfungen wird den Ermittlungsbehörden nicht helfen und er wird auch weitere Straftaten nicht verhindern können.
Was aber an der Botschaft viel schlimmer ist: Sie vermittelt den Eindruck, dass unser Rechtsstaat nicht handlungsfähig genug wäre. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist falsch und das ist auch fahrlässig. Unser Strafrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten, hier konsequent einzugreifen und durchzugreifen.
In Betracht kommen hierbei die Nötigung mit Anordnung einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe, der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr mit Androhung einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe oder die gemeinschaftliche Sachbeschädigung ebenso mit Androhung einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe.
Also, auch Freiheitsstrafen sind nach dem heutigen Strafrecht möglich, wenn sie tat- und schuldangemessen sind.
Gerade bei Straßenblockierern ist seit Langem höchstrichterlich entschieden, dass bei der Verursachung eines Staus, der aufgrund von physischen Straßenblockaden entsteht, der Tatbestand der Nötigung einschlägig ist und dass die Beschmutzung von Gegenständen, die das Erscheinungsbild erheblich verändert, eine gemeinschaftliche Sachbeschädigung ist. Diese Tatbestände sind also anwendbar.
Zu einem weiteren Punkt, nämlich der Forderung der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag zur Bestimmung des Strafmaßes und der Frage der Aussetzung der Bewährung. Auch das regelt das Gesetz bereits heute. Das erheblich rücksichtslose Vorgehen der „Letzten Generation“ gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern z. B. wird ebenso wie in anderen Fällen bereits jetzt strafschärfend berücksichtigt. Ebenso ist die Begehung einer Straftat unter laufender Bewährung eines der wichtigsten Entscheidungskriterien gegen eine weitere Bewährungsstrafe. Es gibt also keine Gesetzeslücke.
Ich baue darauf, dass die Polizeibehörden, dass die Ermittlungsbehörden ihre Arbeit erledigen und dass die Justiz ihre Arbeit macht. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)