Ulrich Thomas (CDU):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich in der heutigen Zeit mit Betrieben und Unternehmen aus der Wirtschaft unterhalten, dann werden Ihnen mindestens vier Punkte genannt, die momentan die wunden Stellen sind. Das sind die Krise um die Energieversorgung und um die Energiepreise, die ausbordende Bürokratie, die Lieferketten und natürlich der Fachkräftemangel.
Ich bin durchaus dankbar dafür, dass wir diese Debatte führen, auch wenn natürlich der Fachkräftemangel heute für kaum jemanden, der sich damit länger beschäftigt hat, überraschend kommt. Das wäre genauso, als wenn ich sagen würde: Huch, jetzt ist Winter und jetzt kommt eine Schneeflocke. Also, der Zustand ist bekannt.
Insofern möchte ich hinzufügen - das gehört zur Ehrlichkeit bei dieser Debatte dazu , dass es nicht nur um den Fachkräftemangel in der Wirtschaft geht, sondern es gibt auch einen Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung und manchmal auch bei politischen Organisationen, aber das ist ein anderes Thema, meine Damen und Herren.
Wir wollen natürlich versuchen, diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, in dem wir Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gewinnen. Ich will das mit zwei Zahlen illustrieren. Wir haben derzeit round about 2,4 Millionen Arbeitssuchende und bieten im Gegenzug ca. 800 000 offene Stellen an. Das heißt, dass wir es bei einem Verhältnis von eins zu drei nicht schaffen, diese offenen Stellen zu besetzen.
Dazu sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, das zunächst geplante Bürgergeld war genauso sinnvoll wie die geplante Abschaltung von Atomkraftwerken mitten in der Energiekrise. Es ist gut, dass wir das als CDU in Berlin im Bundesrat verhindert haben. Denn unser Sozialstaat beruht schon darauf, dass wir von Fördern, aber auch Fordern leben.
Das Bürgergeld, wie es zunächst geplant war, ohne Sanktionen und ohne Nachweise war eben nicht dazu geeignet, dass sich Leute aktiv bemühen, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Ich betone dabei, dass ich das nicht pauschalisieren will, aber wir alle kennen persönliche Schicksale, bei denen man das vermuten kann.
Meine Damen und Herren! Wie bekommen wir es hin, diesen Fachkräftemangel zu bekämpfen oder was kann das Land besser machen? Wir können es beklagen, wie es einige Vorredner getan haben, oder versuchen, Lösungsansätze zu finden. Ich will versuchen, einige davon zu skizzieren.
Der erste Ansatz muss natürlich sein, mit den eigenen Ressourcen eine Lösung zu finden. Damit bin ich bei den jungen Leuten, beim Schulsystem und bei der Bildung. Ich möchte die Qualität der Bildung nicht bewerten, weil die Menschen, die gerade aus der Bildung kommen, die besten Menschen sind, die wir bekommen können. Ich will vielmehr dafür werben, dass wir die frühzeitige Berufsorientierung in den Bildungseinrichtungen deutlich verstärken, damit ein junger Mensch wirklich weiß, wofür er lernt und wohin sein Weg in Zukunft führen soll.
An dieser Stelle sage ich ausdrücklich, dass solche Diskussionen, wie wir sie in den letzten Jahren oft geführt haben, nämlich dass wir mehr Akademiker und mehr studierte Fachkräfte brauchen, nicht hilfreich waren. Wir brauchen Handwerker. Wir brauchen Fachkräfte in der Pflege. Wir brauchen Fachkräfte in den Dienstleistungsbereichen usw. usf.
Meine Damen und Herren! Deswegen ist es gut, heute zum ersten Mal zu hören, dass wir auch Fachkräfte im Handwerk suchen. Wir als Koalition, insbesondere als CDU, haben darauf reagiert, indem wir den Praktikumsgutschein eingeführt haben, der dafür sorgt, dass junge Menschen in Handwerksbetrieben ein Praktikum absolvieren können. Das passiert sehr erfolgreich. Denn ein Drittel derer, die das gemacht haben, beginnen wirklich ein Ausbildungsverhältnis in diesen Betrieben. Das ist gut, weil wir dadurch die Abbrecherquote senken können. Es muss unser Ziel sein und ist auch das Ziel meiner Fraktion, dass junge Menschen ihre Ausbildung nicht abbrechen, sondern zu Ende bringen.
(Zustimmung von Alexander Räuscher, CDU)
Meine Damen und Herren! Ein zweites Feld, das ich hier skizzieren möchte, sind die besten Fachkräfte, die wir haben, die erfahrensten Fachkräfte, die wir haben, das sind die, die womöglich mit 63 Jahren sagen: „Ich gehe jetzt vorzeitig in Rente.“ Ich gönne das jedem. Das ist eingeräumt. Aber es ist im Hinblick auf die fehlenden Fachkräfte nicht wirklich hilfreich.
Ich habe gerade die Zahl gehört, uns fehlen 260 000 Fachkräfte im Land. Das genau die Fachkräfte, die jedes Jahr in das Rentnerdasein wechseln. Da müssen wir auch schauen, ob wir für diese Rentner, für diese Frührentner Anreize schaffen, sich - in welcher Art und Weise auch immer - doch wieder am Erwerbsleben zu beteiligen.
Es gibt dort ein gutes Beispiel aus meinem heimatlichen Landkreis Harz. Da gibt es die Beschäftigungsoffensive „Generation 60plus“. Da hilft die KoBa kräftig mit, solche erfahrenen Fachkräfte wieder in den Arbeitszeitmarkt zu bringen. Und es wäre hilfreich, wenn wir das vielleicht auf das gesamte Land ausdehnen, meine Damen und Herren, damit wir diese Fachkräfte nicht verlieren.
(Zuruf: Machen Sie das!)
Aber selbst wenn uns das gelingen würde, wäre das nur ein Teil der Lösung, die wir brauchen. Wir könnten auch mit diesen Fachkräften das Loch nicht schließen, das sich in den kommenden Jahren noch verschlimmern wird. Deswegen ist es in der Tat wichtig zu schauen, wo in der Welt man uns auf unserem Arbeitsmarkt noch helfen kann.
Es ist wenig hilfreich, Frau Hohmann von der LINKEN, wenn Sie die schlechten Arbeitsbedingungen hier beschreiben, wie schlimm das alles mit Billiglöhnen und so sei. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass eine Fachkraft für einen Billiglohn nach Deutschland kommt. Die gucken sich sehr genau an, was sie hier bekommen und unter welchen Bedingungen sie hier arbeiten.
(Monika Hohmann, DIE LINKE: Es ist eine Schande, dass es solche Fachkräfte gibt, die jahrzehntelang in einem Beruf arbeiten und einen Billiglohn bekommen!)
Es muss unser Auftrag sein, dass sich die Leute von ihrem Herkunftsland aus erkundigen, wann kann ich wo arbeiten,
(Zuruf von Monika Hohmann, DIE LINKE)
welche Qualifikationen muss ich mitbringen und welche Qualifikation wird entsprechend anerkannt.
Wenn Sie sich die Zahlen anschauen; dann sehen Sie: Es waren im Jahr 2020 knapp 30 000 qualifizierte Zuwanderer nach Deutschland unterwegs, auch aufgrund der Coronapandemie, das muss man sagen. Im Jahr davor waren es immerhin 60 000. Aber es sind Leute, die nicht dauerhaft hierbleiben. Viele bleiben nur temporär.
Man darf diese Menschen nicht verwechseln mit Leuten, die nicht wegen Arbeit zu uns kommen, sondern die wegen Asyl herkommen. Das sind keine qualifizierten Zuwanderer, die vorrangig für unseren Arbeitsmarkt vorgesehen sind. Sie kommen aus ganz anderen Gründen. Wir müssen uns auf die konzentrieren, die qualifiziert sind und hier Erwerbsmöglichkeiten suchen. Diesen Leuten, meine Damen und Herren, gehört unsere volle Unterstützung bei ihrer Arbeitsuche.
(Beifall bei der CDU - Zurufe)
Da müssen wir eben auch sehen, dass wir ihre Abschlüsse in vereinfachten Verfahren besser anerkennen, dass wir auch wissen, was ist ihr Abschluss, den sie mitbringen, bei uns wirklich wert. Das spielt ja auch auf dem Gehaltszettel eine Rolle. Das darf aber nicht dazu führen - auch die Versuchung höre ich hin und wieder in der Diskussion , dass wir womöglich unsere Standards absenken zugunsten derer, die da kommen.
Meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Weltmarktführer in vielen Gebieten. Wir können es uns einfach nicht leisten, von unseren Standards abzurücken. Wir müssen eher dafür motivieren, dass die, die zu uns kommen, unsere Standards akzeptieren und sich entsprechend auf diese Standards vorbereiten. Es gibt gute Beispiele: Spanien, Vietnam. Dorther kommen viele junge Leute, machen hier ihre Ausbildung gezielt, um dann auch hier zu arbeiten. Es gilt, das auszubauen.
Und natürlich, Kollege Silbersack, könnten auch Asylsuchende den Arbeitsmarkt bereichern. Ich bleibe bewusst im Konjunktiv; denn die Erfahrungen, die wir gerade machen, auch in der ZASt Halberstadt, decken sich leider nicht so optimistisch mit dem, was wir vielleicht vermuten.
Es sind junge Menschen dabei, die keinen Berufsabschluss haben, die keinen Schulabschluss haben. Viele, die da kommen, können nicht mal lesen und rechnen. Denen muss man natürlich erst einmal die deutsche Sprache beibringen, die muss man hier erst einmal an die Normen heranführen.
Damit bin ich wieder bei dem Thema, das wir heute schon in der ersten Debatte hatten, Kollege Striegel. Da kommen wir in der Tat an unsere Grenzen; denn so vielen Menschen, die gerade auch zu uns, auch in den Harzkreis, kommen, können wir nicht sofort einen Deutschkurs bieten, die können wir nicht sofort untersuchen, die können wir nicht sofort in andere Wohnungen bringen, weil die einfach erst einmal im verwaltungsrechtlichen Sinne abgearbeitet werden müssen. Da kommt dieses Land an seine Grenzen.
Deswegen ist es sehr gut und sehr richtig, dass wir wirklich sagen: Hier ist eine Grenze erreicht. Das ist die besagte Obergrenze. Wenn wir die nicht beachten wollen, dann können wir die Menschen nicht integrieren. Das sollte nicht unser Ziel sein, meine Damen und Herren.
Dann noch - ich habe das schon angesprochen - zum Wort „integrieren“. Wenn wir hier mit Erwerbsmigration arbeiten - das müssen wir ja; die Menschen, die hier arbeiten, sollen sich auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes wohlfühlen , dann ist es schon die erste Aufgabe, die deutsche Sprache zu lernen.
Das machen uns ja insbesondere die ukrainischen Flüchtlinge gerade vor, wie schnell die Deutsch lernen wollen. Da sieht man doch die Motivation, die vielleicht bei dem einen oder anderen fehlt, der auch nach Jahren noch nicht immer unsere gute deutsche Sprache spricht. Die Erfahrungen haben wir alle selbst schon gemacht.
Es geht auch darum, dass wir diesen Menschen eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, dass wir sie in unsere Veranstaltungen einbeziehen. Das macht nur Sinn, wenn sie uns verstehen und wenn wir sie verstehen. Da, meine Damen und Herren, liegt noch vieles im Argen. Da müssen wir besser werden, nicht nur mit Programmen, sondern auch dahin gehend, dass wir nur mit Zahlen arbeiten können, die wir auch verkraften.
Und, natürlich, die besten Kontakte sind die neuen Arbeitskollegen. Da erwirbt man neue Familien, neue Freundschaften. Das ist natürlich auch eine Aufgabe für die Kollegen am Arbeitsplatz, die neuen Mitarbeiter nicht als Konkurrenten zu sehen, sondern mit offenen Armen zu empfangen und mit den Leuten so gut zu arbeiten, dass sie sich hier in Deutschland wohlfühlen und auch hier bleiben - immer unter der Prämisse - das will ich für meine Fraktion ganz deutlich sagen -, dass diese Menschen in der Lage sind, selbst für sich zu sorgen. Sie können oder wollen in unser Wirtschaftssystem einwandern, aber nicht in unser Sozialsystem, weil dann unser Sozialstaat auseinanderbricht. Und erste Akzeptanzprobleme spüren wir ja schon an jeder Ecke und Kante.
Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion kann ich also sagen: In dem Wissen, dass unser Wohlstand vor allen Dingen auf Innovation beruht, dass unsere Produkte besser werden, dass wir noch immer dieses Siegel „Made in Germany“ haben, ist für uns jede qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, wenn es eine Fachkraft ist, willkommen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU)