Guido Kosmehl (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich auch etwas gewundert, dass die AfD eine Aktuelle Debatte zum Verfassungsschutz beantragt hat. Nach dem intensiven Versuch, Herrn Büttner, Staßfurt, zu folgen

(Rüdiger Erben, SPD, und Dr. Falko Grube, SPD, lachen - Lachen bei der AfD)

und festzustellen, was eigentlich seine Intention ist, muss ich sagen, ich verstehe Ihre Position zum Verfassungsschutz nicht so ganz. Ich gehe davon aus   korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege  , Sie wollen den Verfassungsschutz nicht.

(Tobias Rausch, AfD: Das ist falsch! - Zurufe von der AfD: Nein! Das ist falsch!)

- Ach, das ist falsch. Okay. Also wollen Sie den Verfassungsschutz, aber der soll

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nicht die AfD beobachten!)

sich jedenfalls nicht mit Ihnen beschäftigen.

(Olaf Meister, GRÜNE: Ja! Ich glaube, so! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das ist auch falsch!)

Dann greife ich einmal die Ausführungen meiner Vorrednerin auf   die Position der LINKEN ist seit vielen Jahren bekannt  , die den Verfassungsschutz ablehnt. Dann kann ich für mich erst einmal ein kleines Zwischenfazit ziehen: Wenn also die beiden Extremen den Verfassungsschutz ablehnen, weil er ihnen zu nahe kommt oder sie unter Beobachtung hat, dann kann es nicht so falsch sein, dass wir in unserem Land einen Verfassungsschutz haben.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP, und von Anne-Marie Keding, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verfassungsschutz hat eine Aufgabe: Er soll im Entstehen befindliche Bestrebungen entdecken. Er soll frühzeitig erkennen, wo sich einzelne Personen oder Zusammenschlüsse zusammenfinden, um gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorzugehen. Im besten Falle macht der Verfassungsschutz das so frühzeitig, dass man reagieren kann, sodass es eben nicht zu Taten kommt.

(Zuruf von der AfD: Wo ist da die Grenze?)

Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich   ich weiß, das klingt immer ein wenig wie aus Erzählungen von vor vielen Jahren  , ich glaube, auch und trotz des Blickes, den wir aktuell auf den Rechtsextremismus sowie auf die Frage der Delegitimierung des Staates haben, dürfen wir die anderen Phänomenbereiche nicht vergessen. Wir hatten in Deutschland   ich erinnere daran immer wieder, auch wenn ich es selbst nicht erlebt habe   eine Zeit des linksextremistischen Terrors.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

Genau an dieser Stelle wäre es sehr viel wichtiger gewesen   ich weiß, das ist nicht immer gelungen  , solche Bestrebungen und Radikalisierungen frühzeitig zu erkennen und auch zu melden, um dagegen vorzugehen. Aus diesem Grunde, meine sehr geehrten Damen und Herren, finde ich es ausdrücklich richtig, dass man mit dem neuen Phänomenbereich   man muss sehr genau darauf achten, dass man die Bezeichnung richtig wählt   „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ arbeitet.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das habe ich gesagt! Dreimal! Hier steht es!)

Denn auch dort können wir Ansätze erkennen, die, wenn sie sich weiter radikalisieren, zu Taten führen können, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und auch gegen deren Repräsentanten gerichtet sind. Und das ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes in Deutschland.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle eine kurze Zwischenbemerkung zu Herrn Büttner machen. - Herr Büttner, Sie haben einen Großteil Ihrer Redezeit darauf verwendet, aus Ihrer Sicht darzustellen, was die Bundesinnenministerin alles nicht kann.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Als oberste Dienstherrin!)

Dazu muss ich sagen: Jemand, der den Innenausschuss führt und ihn so führt, wie er ihn führt    

(Lachen und Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine Politikerin, die seit 2003 Landtagsabgeordnete war, bis 2021 innenpolitische Sprecherin und sich verdammt gut in der Innenpolitik auskennt - ich weiß nicht, ob Ihnen die Kritik an ihrer Person zusteht.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Dr. Falko Grube, SPD - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das ist Ihre subjektiv empfundene Wahrnehmung!)

- Das stimmt. Aber ich darf es an dieser Stelle ja einmal sagen.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Vielleicht führen Sie dazu noch aus, wie ich führe!)

Ich finde es ausdrücklich     Damit fängt meine eigentliche Kritik an Ihren Äußerungen an: Sie haben keinerlei andere Perspektive genannt. Ihnen gefällt das nicht, was die Bundesinnenministerin macht.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das habe ich doch gesagt!)

Wie Sie es anders machen würden, wie Sie anders gegen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorgehen würden, das haben Sie nicht gesagt. Das kann man auch nachvollziehen; denn die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt hat in den letzten Monaten, ja, geradezu wöchentlich versucht,

(Tobias Rausch, AfD: Was genau?)

die Delegitimierung des Staates mit verschiedensten Themen   wenn Ihnen ein Thema ausgegangen ist, haben Sie ein neues Thema begonnen  ,

(Tobias Rausch, AfD: Womit genau? Können Sie kein Beispiel nennen? - Weitere Zurufe)

- Herr Kollege Rausch   in dem Sie bewusst den Staat

(Tobias Rausch, AfD: Womit genau? Nein, Fakten nennen! - Dr. Falko Grube, SPD: Ruhig, Brauner! - Weitere Zurufe)

und seine Repräsentanten ins Lächerliche gezogen haben,

(Tobias Rausch, AfD: Womit denn genau?)

längst versucht haben, sogenannte Coronadiktatur-Maßnahmen zu kritisieren. Gegen eine Kritik an Maßnahmen kann man gar nichts haben, aber Sie haben keine Lösungen und Sie versuchen, es so darzustellen, als würden wir in einer Diktatur leben, in der wir nicht leben.

(Unruhe)

Ich bin dem Kollegen Erben sehr dankbar, der darauf hingewiesen hat, dass es gerade auch diese Landesregierung in allen Eindämmungsverordnungen und Versammlungsgesetzen immer ermöglicht hat, dass es Versammlungen gab.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nur in der ersten nicht!)

- Nur in der ersten nicht? Da war ich nicht dabei, Herr Kollege Striegel, damals waren Sie verantwortlich. Es muss sich ja auch einmal etwas ändern.

Mit Meinungsfreiheit kann man sich gerade auch bei einem solchen Thema, das viele Menschen betrifft, durchaus auseinandersetzen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man das Ganze nur unter dem Label macht, dass der Staat am Ende sei, dass es eine andere Regierung brauche, die man eben nicht durch Wahlen herbeiführt     Wobei ich ganz offen sage: Die Wahlergebnisse Ihrer Partei sind mir zu hoch, aber sie sind durch Wahlen entstanden. Doch solange Sie keine Mehrheit haben   was wir, Gott sei Dank, alle verhindern mögen   wird sich an Ihrer Position derzeit eben auch nichts ändern.

(Zuruf von der AfD: Warten Sie mal ab! - Tobias Rausch, AfD: Es gibt doch jetzt Neuwahlen in Berlin!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich deshalb zum Ende meiner Rede noch einmal auf den Verfassungsschutz zurückkommen und auf ein aktuelles Problem. Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Erkenntnisse zu extremistischen Bestrebungen sowie zu Terrorismus und Spionage weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu beginnen. In diesem Bereich    

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

- Sie kennen doch nicht einmal einen Teil der NSU-Akten und meinen, Sie wüssten über alles Bescheid.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wissen Sie, ich habe mich fast zehn Jahre lang mit NSU-Akten beschäftigt.

(Daniel Roi, AfD: Die wurden doch neulich veröffentlicht von Herrn Böhmermann! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, lacht)

Das können Sie ja gern machen. Sie haben null Ahnung und versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Ich will Ihnen aber an der Stelle etwas deutlich sagen. Ich wiederhole es gern noch einmal: „extremistische Bestrebungen sowie zu Terrorismus und Spionage“.

Sehr geehrte Frau Kollegin Quade, Ihre Ansätze einer gesellschaftlichen Beobachtung und der Abschaffung des Verfassungsschutzes geben keine Möglichkeit, im Bereich der Spionageabwehr tätig zu werden.

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

Was machen Sie mit diesem Bereich? Oder gibt es den einfach nicht mehr, weil Sie nur den Links- und den Rechtsextremismus betrachten?

Zu dem Punkt   das möchte ich jetzt wirklich zum Abschluss noch einmal aktuell sagen   habe ich mit Sorge, Frau Ministerin, den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. September   er ist, glaube ich, am 2. oder 3. November veröffentlicht worden   zur Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobener personenbezogener Daten zur Kenntnis genommen. Dabei geht es um die Frage, ob die durch den Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen Daten an die Polizeibehörden weitergegeben werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht sagt, diese Norm   also § 20 und § 21 des Bundesverfassungsschutzgesetzes   entspricht nicht der Normenklarheit und muss bis zum 31. Dezember 2023 geändert werden. Sonst wäre sie verfassungswidrig.

(Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD, von Anne-Marie Keding, CDU, von Thomas Krüger, CDU, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich: Wir brauchen eine klare verfassungsrechtliche Norm zur Übermittlung dieser Daten. Denn all das, was der Verfassungsschutz im Vorfeld an Bestrebungen herausfindet, muss, wenn es strafrechtlich relevant wird, sofort an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden. Sonst kommen wir doch nicht zum Ergebnis, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Deshalb bitte ich Sie, Frau Ministerin. Das betrifft das Land zwar nicht - das ist das Bundesverfassungsschutzgesetz  , aber ich glaube, die Länder tun gut daran, mit dem Bund gemeinsam eine klare Norm zu finden, damit wir auch zukünftig solche Übermittlungen machen können, um damit am Ende aus der Arbeit des Verfassungsschutzes auch strafrechtlich relevante Informationen nutzen zu können und Straftäter entsprechend bestrafen zu können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Kosmehl, es gibt den Wunsch von Herrn Roi, wenn ich das jetzt richtig gesehen habe, eine Frage zu stellen. Wollen Sie die beantworten? - Das will er. Herr Roi, Sie können sie stellen.


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank, Herr Kollege Kosmehl. Sie haben die Expertise der Bundesinnenministerin erwähnt und lobend hervorgehoben. Jetzt habe ich die Frage an Sie, ob Sie mitbekommen haben, dass am 15. Juni eine Veranstaltung stattfand und dann auch ein entsprechender Tweet mit einem Foto von der Bundesinnenministerin nach außen getragen wurde, auf dem sie mit Hundert Schülern zu sehen ist. Auf diesem Foto waren hinten Leute zu sehen   Schüler  , die an dem Projekt „Verfassungsschüler“ teilgenommen haben und die den sogenannten Wolfsgruß gezeigt haben. Der „Tagesspiegel“ schrieb auch ganz klar, dass also mit faschistischen Symbolen der türkischen Islamisten Werbung gemacht wurde.

Die Antwort der Innenministerin kam dann. Das Foto wurde gelöscht. Wissen Sie, was die politische Antwort der Innenministerin ist? - Sie hat drei Monate später, nämlich im September, den „Expertenkreis Politischer Islamismus“, den es vorher in Deutschland gab, aufgelöst. - So viel zu Ihrer Innenministerin, die Sie hier hervorgehoben haben. Dazu frage ich Sie: Was sagen Sie zu diesen Vorgängen? Finden Sie das in Ordnung oder haben Sie vielleicht auch einmal ein paar kritische Worte übrig für ihre hochgelobte Bundesinnenministerin?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort.


Guido Kosmehl (FDP):

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Roi! Anders als Sie kenne ich Nancy Faser persönlich

(Oh! bei der AfD)

auch aus dem Erleben der politischen Auseinandersetzung im Kampf gegen Extremismus und für Demokratie. Ich will ganz deutlich sagen: Niemand ist davor gefeit, dass bei einem Fototermin vielleicht   ich will es jetzt nicht Fotofalle nennen; das klingt zu stark   verfassungswidrige Grüße gezeigt werden. Das ist völlig klar. Das ist auch inakzeptabel. Im Übrigen empfehle ich Ihnen, auf der Seite „hessischer-landtag.de“ einmal nach einer Kleinen Anfrage zu suchen   ich glaube, sie ist auch von den Abgeordneten Faser und Rudolf   zur Frage türkischer Extremisten. Das Thema ist in Hessen wesentlich größer. Auch damit hat sie sich beschäftigt und sich klar abgegrenzt.

Ich will an dieser Stelle etwas sagen, das Sie verwundert wird. Ich halte die Entscheidung des Bundesinnenministeriums   nicht der Ministerin, sondern des Ministeriums insgesamt; dazu gehörten noch ein paar andere Abteilungen  , zukünftig auf die Arbeit eines Beirates zu politischem Islamismus zu verzichten, für falsch. Ich finde, wir brauchen ein Gremium, das sich mit dem politischen Islamismus auseinandersetzt.

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

Ob dieser Beirat mit seiner Arbeit   ich weiß nicht, ob Sie die Zwischenergebnisse gesehen haben   jetzt das letzte Wort und das richtige Gremium ist, weiß ich nicht. Dass wir das Thema aber nicht wegschieben dürfen, steht für mich zumindest außer Frage und außer Zweifel. Ich hoffe, dass wir in dem Bereich auch weiter die Augen offen halten und dass wir genau hinschauen. Denn der politische Islamismus wie auch der Links- und der Rechtsextremismus, der religiös motivierte Extremismus oder der Ausländerextremismus können eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland und in Sachsen-Anhalt darstellen.

(Zustimmung von Dr. Lydia Hüskens, FDP, von Anne-Marie Keding, CDU, und von Rüdiger Erben, SPD)