Markus Kurze (CDU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass ich das Blatt nicht hochhalten darf. Ich habe es mir aber trotzdem mit nach vorn genommen, weil die Statistik einfach toll aussieht. 68 % der Bürger in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren, lehnen das Bürgergeld, so wie es kommen soll, ab. 68 %!

(Zustimmung bei der CDU und von Daniel Roi, AfD)

Die Vorredner haben versucht, uns den schwarzen Peter zuzuspielen. Das lassen wir nicht zu. An uns hat es nicht gelegen. Die Ampelkoalition hätte mit uns die Regelsatzerhöhung längst beschließen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber die Rahmenbedingungen passen uns nicht und deshalb haben wir gesagt, wir wollen es im Vermittlungsausschuss besprechen. Minister Schulze ist auch dabei, er wird mit verhandeln. - Liebe Frau Grimm-Benne, Sie sitzen gleich neben ihm. Sie können ja schon einmal vorverhandeln.

(Lachen bei der CDU und von Minister Sven Schulze)

Deshalb glaube ich, dass es sicherlich gelingen wird, den Menschen noch in diesem Jahr das klare Signal zu geben, dass die inflationsbedingte Erhöhung kommen wird. Aber wir wollen weiterhin fördern und fordern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn wir erst einmal seicht in das Thema einsteigen, dann darf man nicht verhehlen, dass wir nach der schweren Coronakrise gedacht haben, dass es besser wird. Es ist leider nicht besser geworden. Wir befinden uns jetzt seit einem Jahr mit der Ampel in einem Boot, und zwar mit der grün-gelb-roten Ampel.

Aus der Sicht vieler Bürger in unserem Land, und zwar nicht nur der Bürger Sachsen-Anhalts, sondern der Bürger in ganz Deutschland, wird diese Bundesregierung als die bürgerunfreundlichste Regierung, die wir je hatten, definiert. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bürgergeld kommt noch obendrauf bzw. dazu.

(Zustimmung bei der CDU - Daniel Roi, AfD: Das ist schon schwer bei 16 Jahren CDU!)

- Herr Roi, dazu komme ich noch. Wir haben es in den 16 Jahren CDU unter der Regierung von Frau Merkel mit verschiedensten Partnern geschafft, die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren. Das will ich ins Gedächtnis zurückrufen. Im Jahr 2005 gab es 4,86 Millionen Arbeitslose und im Jahr 2021 waren es noch 2,2 Millionen.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Der Vorgänger von Frau Merkel Gerhard Schröder hat die Hartz-IV-Reform auf den Weg gebracht. Wir können uns sicherlich alle daran erinnern, dass wir damals als der kranke Mann Europas galten. Deutschland war der kranke Mann Europas. Wir haben es in den 16 Jahren geschafft   wir haben eine neue Zeitrechnung, die Zeitenwende wurde uns so dargestellt  , die Bundesrepublik bis ins letzte Jahr zum Lokomotivführer in Europa zu machen. Wir haben die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze von 26 Millionen auf 34 Millionen erhöht.

Wenn wir das Bürgergeld jetzt so umsetzen, wie es angedacht ist, dann wird es sicherlich schwierig, Menschen, die für kleinere und mittlere Gehälter arbeiten, in ihren Jobs zu halten.

Wir erleben jetzt durch die Ampelregierung eine Deindustrialisierung und eine Vernichtung des hart erarbeiteten Wohlstandes in Deutschland. Es ist in vollem Gange. Jedes fünfte Unternehmen bangt momentan um seine Zukunft, um seine Existenz. Mehr als 60 % der Deutschen haben Angst vor der Zukunft.

Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, dann ist das eine katastrophale Entwicklung   wir haben die alte Bundesrepublik nur aus der Ferne erlebt  , die es in den 32 Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung so noch nie gab. Das muss gestoppt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Das muss man am Ende auch in Berlin begreifen. Wenn ich mir nur die ideologisierte Klimapolitik der GRÜNEN ansehe: Herr Habeck stellt sich hin und sagt, wir beeinflussen 2 % des Weltklimas und wir zeigen jetzt den 98 %, wie wir es richtig machen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Was hat das mit dem Bürgergeld zu tun?)

Was ist das für eine Herangehensweise? So hochmütig kann man doch gar nicht sein. Wir stellen um auf Wind und Sonne und am Ende gehen überall die Lichter aus. Wir können den anderen Menschen nicht mehr helfen, wenn bei uns zuerst das Licht ausgeht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir sind auf dem besten Weg dorthin.

(Zustimmung bei der CDU   Zuruf von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Es lehnen nicht nur 68 % unserer Bürger die Reform des Bürgergeldes ab, sondern auch viele Städte und Landkreise, Handwerksverbände und Arbeitsagenturen haben sich zu Wort gemeldet.

Es würde sich mit dem Bürgergeld, wenn es so bleiben würde, wie es ist, nicht mehr lohnen, einfache und nicht so gut bezahlte Arbeit anzunehmen. Wenn man das Bürgergeld den normalen Einkünften gegenüberstellt, dann gibt es mittlerweile so viele Berechnungsbeispiele, die wir nicht alle vortragen können, die wir aber in der Tasche haben, an denen man deutlich sieht, dass weniger Geld für diejenigen, die für kleine und mittlere Gehälter hart arbeiten gehen, als für diejenigen Familien, die im Bürgergeld geparkt sind, überbleibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen, dass daran gearbeitet wird, und das lassen wir uns nicht verbieten. Wir kennen den Bundesvorsitzenden der SPD Herrn Klingbeil. Er hat versucht, uns schon in der Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu malträtieren. Wenn unseren politischen Mitbewerbern die Argumente ausgehen, dann wird zu der Populismuskeule gegriffen, dann wird die Rechter-Rand-Keule rausgeholt und jetzt ganz neu wird auch noch die Trump‘sche Keule herausgeholt. Das lassen wir uns nicht bieten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es war das gute Recht der CDU/CSU, diese Geschichte anzuhalten, Frau Grimm-Benne. Wir wollen sehen, was am Ende im Vermittlungsausschuss herauskommt.

Schauen wir uns den Kanzler an.

(Zuruf)

In einem Video-Bürgerdialog wurde Herr Scholz von einem Bäckermeister etwas gefragt. Herr Scholz erzählte daraufhin, dass er jemanden kennengelernt habe, der ihm erzählt habe, dass er von einem E Ofen auf einen Gasofen umgestellt habe, und er nicht wusste, wie traurig er gucken sollte. Dann fängt er an zu lachen. So einen Kanzler hatten wir noch nicht.

(Dr. Falko Grube, SPD: Genau! - Zuruf von der SPD: Ja!   Unruhe)

Man stellt sich aus der Sicht der Betroffenen die Frage, ist das jetzt absurd oder respektlos gewesen.

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Ich will hinzufügen, dass wir in den Aktuellen Debatten die Möglichkeit haben, aus dem Korsett einer Koalition herauszuschlüpfen, um unsere politischen Inhalte darzustellen, weil sich Aktuelle Debatten um aktuelle Themen drehen, die die Menschen draußen beschäftigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich selbst war auch einmal in der Situation, die die Vorrednerin von den GRÜNEN geschildert hat. Ich habe vor 30 Jahren ein Hochschulstudium mit Staatsexamen abgeschlossen.

(Tobias Rausch, AfD: Sie hat es nicht abgeschlossen!)

Es gab keine Stellen in den Schulen. Das Ergebnis sehen wir jetzt. Es wurden keine Referendare eingestellt. Es wurden keine Lehrer eingestellt und so war ich auch auf Sozialhilfe angewiesen, aber mit einer Konsequenz; denn hätte ich mir nicht schnell Arbeit gesucht, dann hätte ich die Sozialhilfe, die ich nach dem Studium bekommen habe, und das BAföG zurückzahlen müssen. Der Anreiz war vorhanden. Ohne Druck keine Leistung.

Ich habe mir eine Arbeit gesucht und bin als ausgebildeter Pädagoge beim Deutschen Roten Kreuz gelandet und habe drei Jugendklubs aufgebaut, und zwar in Burg, Möckern und Hohenwarthe, und habe diese mit einem kleinen Team betrieben.

Frau Lüddemann, Sie können mit dem Kopf wackeln und die Augen verdrehen: Demokratie ist an vielerlei Stellen schwer.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

- Herr Striegel, man muss sich die anderen Meinungen anhören. Wenn Sie lauter werden, dann muss ich auch lauter werden.

Mit einem kleinen Team haben wir viele junge Leute auf ihrem Weg begleitet, das war eine wichtige Phase. Jetzt sind die jungen Leute groß und haben Familien. Zufälligerweise war ich am Wochenende bei einem Wiedersehenstreffen in einer Einrichtung. Ich habe mich mit mehr als einhundert alten Bekannten, Damen und Herren, treffen können und viele Gespräche geführt. Sie haben gesagt, nimm das bitte mit in den Landtag zu deinen Kolleginnen und Kollegen und zum Ministerpräsidenten und sag ihnen, wie es um uns steht. Uns steht es bis hier. Wir arbeiten fleißig. Wir arbeiten für unsere Familien und das soll auch so weitergehen. An dieser Stelle muss etwas passieren.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir brauchen das Bürgergeld nicht. - Das haben sie mir mit auf den Weg gegeben. Selbst Bismarck hat schon gesagt, dem Volk aufs Maul schauen.

(Zurufe von der AfD)

Es ist unsere Aufgabe. Es ist unser Wählerauftrag, dem Volk aufs Maul zu schauen und das mitzunehmen und hier vorzutragen, was die Menschen bewegt. - Eines haben sie noch gesagt: Die Ampel fliegt um die ganze Welt, sie fliegt für kurze Gespräche überall hin, aber um die Menschen in unserem Land scheinen sie sich wenig Gedanken zu machen.

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist Populismus und keine Lösung!   Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Denn die Hilfsinstrumente, die sie jetzt auf den Weg gebracht haben, hören sich nach außen hin sehr, sehr gut an,

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist unter deinem Niveau! - Unruhe)

aber ob die Hilfsargumente     Herr Kosmehl, es ist doch in Ordnung. Ich kann noch zu Herrn Westerwelle kommen, der hat gesagt: Wer anstrengungslosen Wohlstand verspricht, landet in der spätrömischen Dekadenz. Das hat Westerwelle gesagt. Das scheint die FDP vergessen zu haben.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD   Zuruf von der AfD: Bravo!)

Das haben die vergessen. Selig soll er ruhen.

In Deutschland gibt es 850 000 offene Stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Im August haben 5,4 Millionen Menschen die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose erhalten. Dazu kommt, dass davon 40 % - das sagen die einen - bzw. 45 % - das sagen die anderen - einen Migrationshintergrund haben.

Wenn wir uns jetzt die Vertrauenszeit anschauen   das ist erste Phase des Bürgergeldes  , dann kann man sämtliche Dinge ablehnen, und zwar von Arbeitsangeboten, Weiterbildung, Ausbildung bis hin zum Integrations- oder Deutschkurs. Das kann nicht das richtige Signal sein.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Das stimmt überhaupt nicht!   Guido Kosmehl, FDP: Fake News!   Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Wir brauchen richtige Signale. Fördern und fordern wollen wir und nichts anderes, liebe Frau Kollegin. Man kann sich das als Regierung so hinbiegen oder so hinbiegen. Das mag sein.

Demokratie   das will ich noch einmal sagen   ist manchmal schwer, aber es muss uns schon gelingen, dem anderen zuzuhören, ob einem das gefällt oder eben auch nicht.   Vielen herzlichen Dank.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Es sollte aber wahr sein!)

  Das ist wahr, liebe Frau Kollegin. Es ist natürlich manchmal schwer, dies so hinzunehmen, aber es ist so.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Kurze, Sie bekommen von mir jetzt das Signal, dass Ihre Redezeit zu Ende ist.


Markus Kurze (CDU):

Das sehe ich. Ich bin auch am Ende meines Manuskriptes angekommen, Herr Präsident. Ich danke herzlich.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Sie haben durch Ihre Rede mindestens fünf Leute aufgefordert, Fragen zu stellen. Fassen Sie sich bitte kurz.   Herr Rausch.


Tobias Rausch (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Kollege Kurze, Sie führten zu Beginn Ihrer Rede   Sie sind auf die Worte von Frau Grimm-Benne eingegangen   aus, dass Minister Schulze und Ministerin Frau Grimm-Benne darüber sprechen. Ich habe mir aufgrund des Verlaufes der Debatte die Frage gestellt, ob das, was die CDU als eine der regierungstragenden Fraktionen, die zudem den Ministerpräsidenten stellt, kundgetan hat, Mehrheitsmeinung der Landesregierung ist oder ob Frau Grimm-Benne vorhin, als sie für die Landesregierung gesprochen hat, ihre Sicht der Dinge dargelegt hat.

Es waren sehr konträre Meinungen. Es war schwer zu verstehen, welche Partei die stärkste in Sachsen-Anhalt ist und wer den Ministerpräsidenten stellt.


Markus Kurze (CDU):

Werter Herr Rausch! Es ist bei uns in der Regierung so, dass man die Meinungen der Fraktionen hat und zudem ein selbstständiges Kabinett unter Führung Reiner Haseloffs.

(Zustimmung bei der CDU   Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das merke ich mir für das nächste Mal!)

Wir erwarten natürlich, dass man sich vorher abstimmt. Das wird auch so sein. Aber wenn wir in einer Aktuellen Debatte sind, dann haben die Parteien das Recht, das ureigenste Recht des Parlamentarismus, ihre Meinung vorzutragen. Was die Regierung am Ende daraus macht, werden wir kritisch begleiten. Unsere Erwartungshaltung haben wir deutlich gemacht.

(Zustimmung bei der CDU   Guido Kosmehl, FDP: Wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk!)

Herr Kosmehl, Sie sind jetzt ein Jahr im Parlament. Freuen Sie sich, dass Sie wieder dabei sind.

(Heiterkeit bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Kurze, konzentrieren Sie sich auf Frau Sziborra-Seidlitz; denn von ihr kommt die nächste Frage.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Konzentration wäre gut; denn es geht um Zahlen. Sie haben wieder behauptet, dass Menschen, die hart arbeiten, weniger haben würden als Menschen im Hartz IV-Bezug. An dem Beispiel eines Paares mit zwei Kindern, das auf der einen Seite Hartz IV bekommt und auf der anderen Seite ein Einkommen mit Mindestlohn hat plus die ihnen zustehenden Zuschläge, wie Kindergeldzuschlag und Wohngeld, ist seriös ausgerechnet worden   ich kann Ihnen das gleich geben  , dass das Paar, das Hartz IV oder Bürgergeld bezieht, 2 903 € hat und das Paar mit einem Einkommen im Mindestlohn mit den ihnen zustehenden Zuschlägen 3 513 €. Wie passt das mathematisch zu Ihrer Aussage?

(Zurufe von der AfD   Unruhe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Wenn wir das jetzt mathematisch betrachten wollen, dann bitte ich um Ruhe. Herr Kurze wird uns seine Interpretation hören lassen. - Bitte.


Markus Kurze (CDU):

Liebe Frau Kollegin, wir haben den stärksten Sozialstaat, der sich weit und breit sehen lassen kann. Wenn Menschen Hilfe brauchen, dann bekommen sie bei uns in Deutschland auch Hilfe. Das soll aber Hilfe zur Selbsthilfe sein. Es gibt sicherlich viele Menschen, die nicht mehr auf den Arbeitsmarkt vermittelt werden können und dauerhaft Hilfe brauchen; auch das federt unser Sozialstaat ab.

Wenn wir uns jetzt die Rechenbeispiele nebeneinanderlegen, dann könnte ich Ihnen meine übergeben und wir könnten sie nachher gemeinsam in der Kantine auswerten.

Ich habe mir anhand relativ vieler Quellen die Zahlen zusammengestellt. Es ist schon komisch, dass der eine sagt, sie haben deutlich mehr und die anderen, sie haben deutlich weniger. Am Ende sieht man die Tendenz, dass diejenigen, die für kleine Gehälter arbeiten gehen, scheinbar etwas weniger haben.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Scheinbar, genau!)

Das kann, ehrlich gesagt, nicht sein. Das ist nicht wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei dem man immer gesagt hat, diese 86 Cent entsprechen zwei Brötchen, sondern es ging um Milliarden. So ist es an dieser Stelle auch. Es geht also nicht nur um das Bürgergeld, das ausgezahlt wird, sondern es geht auch um die Kaltmiete, die hinzukommt. Es geht um die durchschnittlichen Heizkosten, die hinzukommen. Es geht um die Rundfunkgebühr, die nicht gezahlt werden muss. Es geht um die Kosten für die Kindertagesstätte, die übernommen werden. Es geht um die Kosten, die anfallen, wenn man Mitglied in einem Verein ist; denn auch diese werden übernommen.

Wenn man das gegenüberstellt, dann haben es diejenigen, die für kleine Gehälter jeden Tag arbeiten gehen, deutlich schwerer.

(Beifall bei der CDU)

Es geht darum, einen Anreiz dafür zu schaffen, wieder arbeiten zu gehen. Denn wenn man arbeiten geht, dann erhöht das das Selbstwertgefühl. Man fühlt sich in der Gesellschaft angekommen. Wenn es sich lohnt, arbeiten zu gehen, dann werden die Menschen arbeiten gehen.

Sie wissen um den Fachkräftemangel; dieser ist relativ groß. Und schon jetzt, also mit der Ankündigung des Bürgergeldes, hören wir, dass sich viele Arbeitnehmer   Sie haben sie vorhin genannt   für den Arbeitsmarkt abmelden, weil sie im nächsten Jahr erst einmal das Bürgergeld beziehen und abwarten.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Kurze.   Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Herr Kollege, ich will es ganz ruhig reflektieren. Geben Sie mir darin recht,

(Zurufe von der AfD und von der FDP: Nein!)

dass in all Ihren Betrachtungen, wenn Sie die Einkommen der Menschen gegenüberstellen, die Bürgergeld beziehen, und der Menschen, die Mindestlohn beziehen, immer nur das direkte Einkommen ohne weitere Zuschläge berechnet wird? Ich habe wirklich versucht, das nachzuvollziehen.

(Zurufe: Das ist doch gerade gemacht worden! - Das hat er doch vorgelesen!)

Das hat Ihr Kollege letzte Woche bei der Armutskonferenz der AWO ähnlich gemacht. Ich finde keinen Weg, um zu errechnen, dass jemand, der den Mindestlohn bezieht und alle ihm zustehenden Zuschläge in Anspruch nimmt, weniger hat als das Bürgergeld. Es gibt keine einzelne solche Berechnung. Sie dürfen hier kein Blatt hochhalten, aber vielleicht können Sie Ihre Berechnung einmal ganz ruhig vorlesen.

(Unruhe)

Ich behaupte, das ist definitiv gelogen und das sind definitiv Fake News.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Unruhe)

Niemand verdient mit Mindestlohn unter Einbeziehung aller Zuschläge weniger als jemand mit Bürgergeld.

(Zuruf: Der geht auch arbeiten!)

Meine zweite Frage - ich darf zwei Fragen stellen  : Fachkräftemangel. Sie haben es als Stichwort genannt. Wenn ich bei den Firmen unterwegs bin, sagen sie mir alle, die Leute müssen fortgebildet werden, sie müssen an die Tätigkeit angepasst werden.

(Unruhe)

Genau dieser Paradigmenwechsel ist mit dem Bürgergeld jetzt vorgesehen. Die Leute bekommen sogar mehr Geld - 150 €  , wenn sie sich in einer Maßnahme befinden, und werden für den Arbeitsmarkt fitgemacht. Das ist nämlich der Wunsch, den die Bürger haben. Dass Sie hier auf dem Rücken der Ärmsten

(Ah! bei der CDU)

Ihre Politik machen


Markus Kurze (CDU):

Menschenskinder, jetzt wird es ja wirklich wieder harter Tobak!


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

und Ihr Trauma abarbeiten,


Markus Kurze (CDU):

Ich weiß ja, Demokratie ist schwer, man muss zuhören.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

dass Sie nicht mehr in der Bundesregierung sind, das ist schäbig.

(Zurufe)


Markus Kurze (CDU):

Das ist wirklich harter Tobak. Ihre Polemik, die Sie immer wie eine Monstranz vor sich hertragen     

(Zuruf: Das sagt der Richtige! - Lachen)

Ich habe bewusst keines meiner Beispiele vorgelesen.

(Zurufe von Sebastian Striegel und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ich habe bewusst keine einzelnen Zahlen vorgelesen, weil das hier zu weit führen würde.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Aber am Ende ist es so, dass viele Menschen Mittel, die ihnen zustehen, nicht beantragen, weil sie nämlich keinen Integrationslotsen haben. Das beginnt beim Rentner, der auf Grundsicherung angewiesen wäre. Aber es gibt niemanden, der die Rentner an die Hand nimmt und zum Amt führt. Sie schämen sich und trauen sich nicht, die Grundsicherung zu beantragen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

So ist es auch mit vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die für kleine Gehälter arbeiten gehen, die haben noch kein Wohngeld beantragt. Wir von der CDU   es ist egal, welcher Flügel der CDU spricht   sind natürlich auch für bessere Gehälter. Dort, wo bessere Gehälter gezahlt werden können, sollen sie auch gezahlt werden. Aber wir können doch mit dem Sozialstaat nicht Anreize schaffen,

(Unruhe)

die genau in eine andere Richtung gehen als „frühmorgens aufstehen und hart arbeiten“. Das geht so nicht. Hilfe zur Selbsthilfe, die christliche Soziallehre, das war die Basis für die soziale Marktwirtschaft und daran wollen wir festhalten.

(Beifall und Zurufe von der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Kurze. - Herr Hövelmann.


Holger Hövelmann (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Kollege Kurze, bei aller berechtigten Erregung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen gibt, haben Sie in Ihrem Redebeitrag davon berichtet, dass Sie mit Menschen zusammengekommen sind, die   so habe ich Sie verstanden   an der unteren Einkommensgrenze beschäftigt sind, denen es schlecht geht. Sie haben gesagt, da muss sich etwas ändern. Sie haben das auch bildlich gemacht und haben gesagt, denen steht es bis hier. So habe ich es jedenfalls wahrgenommen.


Markus Kurze (CDU):

Genau so ist es.


Holger Hövelmann (SPD):

Meinen Sie im Ernst, dass Sie die Lebenswirklichkeit dieser Menschen dadurch verändern, geschweige denn verbessern, dass Sie die Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, schlechterstellen?


Markus Kurze (CDU):

Herr Hövelmann, der Ansatz der Frage ist eigentlich nicht korrekt; denn wir wollen niemanden schlechterstellen. Ich habe zu Beginn der Rede gesagt, wir hätten längst die Regelsatzanpassung haben können; der haben wir uns nicht verweigert. Es geht um die Signale, die Rahmenbedingungen, die mit dem Bürgergeld verbunden sind. Ich habe auch nicht davon gesprochen, dass es nur Menschen waren, die an der unteren Einkommensgrenze stehen. Es war ein Mix der Gesellschaft, wie auch ein Mix im Parlament sitzen soll.

Es steht allen bis hier, denen mit kleinen und auch denen mit großen Gehältern. Die Abgabenlast für die mit großen Gehältern wird auch immer größer.

(Zustimmung - Zurufe: Richtig! - Ach je!)

Wenn es in Deutschland eine Abgabenlast von 42 % gibt, dann ist das eine ganze Menge. Von dem, was du erarbeitest, gehen mindestens 42 % weg. Das ist eine ganze Menge. Von daher brauchen wir ausgewogene soziale Möglichkeiten. Genau das erwarten wir von einer Vermittlung. Ich denke, wir sind sicherlich auf einem guten Weg, einen Kompromiss zu finden; denn dafür hat es den Vermittlungsausschuss gegeben.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. Es gibt noch eine Nachfrage. - Herr Gebhardt, bitte.

(Zurufe)


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Kurze, das geht in eine ähnliche Richtung, wie sie Herr Hövelmann eben angesprochen hat. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie die niedrigen Löhne in Deutschland beklagt haben   zu Recht  , weil sich auf dieser Strecke zu wenig getan hat. Sie haben mit plastischen Beispielen gezeigt, dass es durchaus Menschen gibt, die berufstätig sind, die viel arbeiten und bei denen es trotzdem nicht zum Leben reicht.

Ich stelle meine Frage ähnlich wie Herr Hövelmann: Was hat das konkret mit dem Bürgergeld zu tun? Glauben Sie, dass die Unternehmen künftig höhere Löhne zahlen würden, wenn es kein Bürgergeld geben würde? Glauben Sie, dass das ein Motiv für Leute ist, eine Tätigkeit aufzunehmen, für die, wie Sie es beschrieben haben, Löhne gezahlt werden, mit denen es ohne Zuschläge vorn und hinten nicht reicht?


Markus Kurze (CDU):

Herr Gebhardt, am Ende wiederholt sich alles, von der Fragestellung bis zu den Inhalten, die man vorgetragen hat. Es geht am Ende darum, mit dem Bürgergeld ein neues System herbeizuführen. Aus Hartz IV wird das Bürgergeld unter anderen Rahmenbedingungen. Für uns ist wichtig: Arbeiten muss sich weiterhin lohnen, auch für kleine und mittlere Gehälter.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb müssen die Anreize stimmen, die Rahmenbedingungen, die ich jetzt schon zuhauf beschrieben habe. Da muss nachgebessert werden.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Aber es sind doch die Löhne!)

Das kann so nicht bleiben. Denn wenn es so bleiben würde, würden aus unserer Sicht am Ende noch mehr Arbeitslose übrig bleiben,

(Zustimmung bei der CDU)

die dann auch ins Bürgergeld fallen. Das kann nicht unser Ziel sein. Wir haben in unserem Land große Aufgaben zu bewältigen, und dazu brauchen wir jeden, der mitmachen möchte. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)