Tagesordnungspunkt 1
Befragung der Landesregierung nach § 45a GO.LT
Ich eröffne die Fragestunde mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort, bitte.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte etwas zum Ausbau der Windenergie in Sachsen-Anhalt fragen. Es ist so, dass es eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Thüringer Waldgesetz gegeben hat. Danach dürfen Windenergieanlagen im Wald nicht generell verboten werden. Ein generelles Verbot ist verfassungswidrig, weil es in Eigentumsrechte der Waldbesitzenden eingreift und die Gesetzgebung beim Bund liegt. Die Entscheidung gilt für alle Bundesländer.
Die Frage ist: Wie wird die Landesregierung die Änderung des Landeswaldgesetzes von Sachsen-Anhalt auf den Weg bringen? Wird sie das generelle Verbot von Windenergieanlagen streichen, sodass der Bau von Windrädern nicht mehr von vornherein ausgeschlossen ist und insbesondere für artenarme und gleichförmige Nadelholzmonokulturen und auf den geschädigten Wald- und Forststandorten ermöglicht wird?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Frau Frederking. - Wer möchte für die Landesregierung antworten? - Herr Minister Willingmann.
Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Guten Morgen, meine Damen und Herren! - Liebe Frau Frederking, schönen Dank für Ihre Frage. Sie haben einen kleinen Moment des Zuwartens erlebt, weil der für den Forst und Wald zuständige Minister Schulze auf der einen Seite angesprochen sein könnte oder der für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Windkraft zuständige Energieminister Willingmann.
Ich ergreife zunächst das Wort und versuche unsere Position darzulegen, darf Sie aber gleich eingangs darauf aufmerksam machen, dass wir an dieser Stelle noch keine Endabstimmung innerhalb der Landesregierung vorgenommen haben.
Wir kennen das Urteil aus Thüringen. Es deckt sich mit der Position des Energieministers. Ich halte es für richtig, dass wir, nachdem das Wind-an-Land-Gesetz des Bundes vorgelegt wurde, nachdem wir unter dem hohen Druck stehen, bis zum Jahr 2026 1,8 % der Landesfläche für den Ausbau von Windkraft und 2,2 % bis zum Jahr 2032 auszuweisen, alle Optionen auf den Tisch legen müssen.
Alle Optionen heißt auch, dass das dazu zählt, was bislang gesetzlich oder aus anderen Gründen verboten war, dazu zählt ohne Frage das Waldgesetz von Sachsen-Anhalt, das im Moment einen Windkraftausbau nicht zulässt, ähnlich der früheren oder jetzt inkriminierten Regelung aus Thüringen.
Ich möchte für diejenigen, die dabei unruhig werden, auf Folgendes hinweisen: Wir reden nicht über den schönen, guten, grünen deutschen Wald, in dem man sich zu Erholungszwecken aufhält, sondern wir reden vor allen Dingen über die Frage, ob wir dafür Brachflächen nutzen können und ob wir im Wirtschaftswald, und zwar in jenen Plantagen, die möglicherweise ohnehin für einen Waldumbau vorgesehen werden, künftig die Option für einen Windkraftausbau schaffen wollen, und zwar als eine Option, die wir in Zukunft brauchen.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir darüber reden müssen. In Sachsen-Anhalt reden wir insgesamt über Flächen mit einer Größe von im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan müssen wir uns mit Kollegin Hüskens darüber verständigen ca. 12 000 ha bis 14 000 ha, die dafür generell infrage kämen. Alles Weitere muss man dann im Einzelnen besprechen.
Aber die Signalwirkung, liebe Frau Frederking, des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Thüringischen Waldgesetz ist durchaus auch bei uns angekommen. Es gehört zu unseren Planungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, von denen ein bundespolitischer Spitzenpolitiker, glaube ich, als Sicherheits- oder Freiheitsenergien gesprochen hat.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Es gibt eine ganze Menge Wortmeldungen. - Frau Lüddemann.
Cornelia Lüddemann (GRÜNE):
Herr Minister Willingmann, ich will an Ihre Eingangsbemerkung anknüpfen, dass es eine Sekunde gab, in der Sie sich entscheiden mussten, wer von der Landesregierung spricht. Sie als Energieminister sind nun in Vorleistung gegangen.
Ich meine, dass Sie zitiert worden sind, dass wir in Sachsen-Anhalt 750 Windräder benötigten, um an dieser Stelle vorwärtszukommen.
(Zuruf von der CDU: 750 neue Windräder!)
750 neue Windräder, genau. Ich will darauf hinaus: Ich sehe noch größeren Abstimmungsbedarf, weil tatsächlich auch die Infrastrukturministerin beteiligt werden muss, um die 2,2 %, die das Bundesgesetz Sachsen-Anhalt vorgibt, an Fläche zu reservieren.
Welchen Weg beschreiten Sie, um dies schneller voranzubringen? Denn der Landesentwicklungsplan kann nicht das Mittel der Wahl sein, da er, wenn wir Glück haben, in vier Jahren fertig ist.
Ich erlebe zudem, dass die regionalen Planungsgemeinschaften sich sehr wohl schon kümmern und gucken, wo man Vorranggebiete ausweisen kann, wie man Gebiete für Repowering vorsehen kann etc. Was unternehmen Sie als Energieminister, um an dieser Stelle vorwärtszukommen und das Bundesgesetz zu erfüllen?
Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Liebe Frau Lüddemann, selbstverständlich ist die Signalwirkung des Bundesgesetzes bei uns angekommen. Wir stehen unter dem Druck, bis 2026 1,8 % der Landesfläche ausweisen zu müssen. Deshalb ist der skeptische Hinweis, den Sie zum Landesentwicklungsplan gemacht haben, möglicherweise aus der Vergangenheit heraus berechtigt, aber wir haben schon das ambitionierte Ziel, früher fertig zu werden.
Unabhängig davon: Es hat jetzt keinen Zweck, dass jeder Einzelne von uns vorprescht und sagt, er zieht es für seinen Bereich möglichst bald durch und die anderen mögen hinterhergehen, sondern wir müssen es innerhalb der Landesregierung abstimmen. Dafür ist der Forstminister einzubeziehen, dafür ist selbstverständlich die Infrastrukturministerin einzubeziehen und die Wünsche des Energieministers, die ich Ihnen gerade mitgeteilt habe; denn sie erstrecken sich auch auf ein Thema, das Sie gerade kurz angedeutet haben.
Windkraft im Wald allein ist nicht die Lösung; das wissen wir. Wir haben ein weiteres Thema, und zwar das Repowering in Gebieten, die bislang kein Vorranggebiet sind. Auch darüber müssen wir uns verständigen.
Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass das zu Friedenszeiten in unserem Koalitionsvertrag Ausgehandelte an dieser Stelle noch sehr defensiv war. Zugleich wissen wir aber, dass wir mit der Bundesregelung jetzt unter einen hohen Zeitdruck kommen, also werden wir darüber reden müssen.
Wenn es uns gerade beim Ausbau der erneuerbaren Energien gelingt, mit mehr Bürgerbeteiligung, mit mehr persönlichem oder jedenfalls gemeindlichem Profit von einer solchen Maßnahme mehr Zustimmung zu erreichen, dann werden wir das betreiben. Sie wissen, dass ich ein großer Freund davon bin, zwangsweise die Beteiligung von Betroffenen bei der Errichtung von neuen Windparks einzuführen. Dies muss in Gesetzeskraft gegossen werden. Sie wissen, dazu gibt es eine Blaupause aus Mecklenburg, die ebenfalls verfassungsgerichtlich überprüft wurde, allerdings für zulässig erachtet wurde.
Sie sehen, wohin der Weg führt. Seien Sie nicht in Sorge, dass wir nicht mit dem nötigen Nachdruck dabei sind.
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Es gibt eine weitere Frage, und zwar von Herrn Loth.
Hannes Loth (AfD):
Sehr geehrter Herr Willingmann! Aufgrund des Waldgesetzes besteht, wenn diese Vorlage kommt, bald die Möglichkeit, Windkraft im Wald einzurichten. Meine Frage ist, ob zu den genannten Brachflächen auch die Brachflächen des Nationalparks Harz gehören. Das ist meine erste Frage.
Meine zweite Frage bezieht sich auf Windkraftanlagen in Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten oder Solaranlagen. Wie ist diesbezüglich der Stand? Wann können wir damit rechnen, dass endlich die erste Solaranlage in einem Moor im Landschaftsschutzgebiet steht?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Bitte, Herr Minister.
Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Abg. Herr Loth, ich habe eingangs schon deutlich gemacht, dass wir jetzt an den Planungen arbeiten und dass Gespräche erforderlich sind, und zwar innerhalb der Landesregierung und innerhalb der Koalition.
Wir haben ein Urteil, dass das Bundesverfassungsgericht zu der Typik und zu einem Detailproblem gefällt hat, nämlich der Windkraft im Wald am Beispiel des Thüringischen Waldgesetzes. Das hat Signalwirkung.
Wenn wir in den Nationalpark hineinwollten, dann haben wir eine weitere gesetzliche Regelung, die uns im Moment hemmt. Zudem sehe ich im Moment keine Notwendigkeit, in den Nationalpark hineinzumüssen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Entscheidend scheint mir zu sein, dass wir Brachflächen dort, wo sie entstanden sind das sind in Sachsen-Anhalt im Moment mehr als genug , nutzen und dass wir an anderer Stelle offener denken.
Verlangen Sie jetzt nicht von mir, hier einzelne Flächen auszuweisen. Das ist unsinnig. Dafür müssen wir uns intern abstimmen. Richtig ist aber, dass wir darüber nachdenken müssen. Auch bei den Naturparks müssen wir darüber nachdenken, aber das Entscheidende ist doch, dass wir erst einmal ein Szenario brauchen, das sagt, wie wir 1,8 % der Landesfläche nachweisen, wie wir 2,2 % der Landesfläche nachweisen. Dafür braucht man normalerweise eine Systematik, die deutlich macht, wie wir das auf die Kreise verteilen. Im nächsten Teil schauen wir, wo das minimalinvasiv möglich ist und wo es möglicherweise größeren Koordinierungsbedarf gibt, insbesondere mit Betroffenen, mit Anwohnern, mit Gemeinden.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke für die Beantwortung. - Herr Roi, bitte.
(Hannes Loth, AfD: Ich habe eine Nachfrage!)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Eine Nachfrage?
(Zuruf von Hannes Loth, AfD)
Ach, Sie fragen für Herrn Roi mit? - Dann wollen wir das einmal gelten lassen.
Hannes Loth (AfD):
Herr Roi hätte gefragt: Wie weit ist der Stand, dass die Windkraftanlagen, die nicht in den Windvorranggebieten sind, die zurzeit auf illegalen Standorten stehen, jetzt legal werden?
Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Auch hierzu kann ich darauf hinweisen: Wir sind, nachdem das Wind-an-Land-Gesetz in diesem Jahr beschlossen wurde, dabei, im Zusammenspiel mit der Erstellung des Landesentwicklungsplans an dieser Stelle weiter zu planen und uns anzuschauen, wo es überhaupt Zweck hat zu repowern, wo es Interesse gibt zu repowern und wo man durch eine Veränderung der Rechtslage die dafür erforderliche Voraussetzung schaffen kann. Das wird genauso wie bei der Frage, welche Waldflächen wir nutzen, an dieser Stelle von diesem Pult aus nicht beantwortet werden können, sondern wir sind innerhalb der Landesregierung in einer guten Abstimmung, was dieses Thema betrifft.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Willingmann. Ich sehe, die Frage ist ausführlich beantwortet worden. Sie können wieder Platz nehmen. - Wir gehen weiter. Für die nächste Runde ist die CDU zuständig.