Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 30. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der achten Wahlperiode. Ich begrüße die Anwesenden auf das Herzlichste. 

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Mich haben sehr viele Hinweise erreicht als Dankeschön für den gelungenen gestrigen Abend. Ich bedanke mich noch einmal bei der Verwaltung, die das so wunderbar vorbereitet hat.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Ich möchte eines klarstellen, falls das ein bisschen undeutlich herübergekommen ist. Die Veranstaltung haben natürlich wir komplett aus unserem Haushalt finanziert. Meine Bemerkung mit der Sparkasse bezog sich wirklich nur auf das Gebäude. Falls das jemand falsch verstanden hat, korrigiere ich das hiermit noch einmal: Der Landtag finanziert seine Veranstaltungen selbst und hat auch keinen anderen Sponsor dazu. Ich sage das bloß, damit es klargestellt ist, falls das jemand falsch verstanden hat. Ich denke, das Ambiente war so toll,

(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der SPD)

und dabei war eben die Sparkasse hilfreich. Mich haben jetzt auch die ersten Arbeitsgruppen erreicht und gesagt: Ja, sie werden das Ganze mit Leben erfüllen und dann auch den Spirit von gestern aufnehmen. - Das in aller Kürze.

Damit wir heute aber weiter fleißig arbeiten können, gibt es gewisse Dinge, die zur Effizienz beitragen. Ich kann Ihnen sagen, Sie können den Tagesordnungspunkt 17 und den Tagesordnungspunkt 24 schon einmal von der Tagesordnung nehmen. Das heißt, wir entwickeln uns weiter, damit wir das Wochenende nicht so spät beginnen müssen.

Es gibt noch die Idee, einen weiteren Punkt herunterzunehmen. Die entwickelt sich im Laufe des Tages. Wenn die Entwicklungen abgeschlossen sind, werde ich Sie darüber informieren.

Wir haben heute wieder eine starke Regierungsbank. Wir haben als ersten Tagesordnungspunkt die Regierungserklärung. Ich freue mich, dass der Ministerpräsident gleich anfangen kann. Wir beginnen mit dem Tagesordnungspunkt 12, der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten.

Zu dem Punkt, dass Sven Schulze „eventuell“ entschuldigt ist. Im Moment sehe ich es so, dass er wirklich entschuldigt ist. Mir liegt noch nichts anderes vor. Es könnte sein, dass er schon auf dem Weg nach Berlin ist, um dort einige Dinge zu regeln. Herrn Robra habe ich gestern schon entschuldigt.

Wir können jetzt einsteigen in 


Tagesordnungspunkt 12

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Reiner Haseloff zum Thema: „Gemeinsam durch die Krise - Land, Bund und Europa unterstützen Wirtschaft, Kommunen und Menschen in Sachsen-Anhalt“

Regierungserklärung Landesregierung - Drs. 8/1858


Natürlich hat zunächst Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff das Wort. - Reiner, bitte


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung wird angesichts der vielfältigen und großen Herausforderungen, vor denen unsere Bürgerinnen und Bürger, unsere Kommunen und die Unternehmen in unserem Lande angesichts der Folgen des verbrecherischen Angriffskrieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine stehen, alles ihr Mögliche zu deren Entlastung beitragen.

Wir werden kurzfristigen Härten effektiv entgegenwirken, Wohlstandsverluste so gering wie möglich halten und dazu beitragen, dass wir als Land wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

Vor genau 38 Wochen, am 25. Februar 2022, habe ich an dieser Stelle in einer Regierungserklärung einerseits den verbrecherischen Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine einen Tag zuvor verurteilt und unsere Solidarität mit der Ukraine betont. Ich habe andererseits bereits zu diesem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass dieser Konflikt auch erhebliche Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Kommunen und viele andere Akteure in unserem Bundesland haben wird. Zu groß war die Abhängigkeit insbesondere unserer Wirtschaft von den Rohstofflieferungen, insbesondere von Erdgas und Erdöl, aus Russland.

Bereits damals war absehbar, dass es viel Kraft verlangen und einen langen Atem erfordern würde, die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Auch habe ich davor gewarnt, dass mit diesem Krieg eine deutliche Preissteigerung bei den Rohstoffimporten einhergehen würde, die mindestens kurz- und mittelfristig alle Bürgerinnen und Bürger sowie jedes Unternehmen verspüren und die Inflation insgesamt befeuern würden.

Die zunächst künstliche Verknappung der Gaslieferungen durch Russland, nahezu leere Gasspeicher, dann Ende August die komplette Einstellung der Gaslieferungen und am 26. September der mysteriöse Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines, Spekulationen am Markt sowie ein erhöhter Gasverbrauch aufgrund der Strommarktkrise in Frankreich führten dann tatsächlich zu einer Erhöhung des Gaspreises um ein Vielfaches. Am 1. September war der Gaspreis für Neukunden im Vergleich zu den Tagen direkt vor dem russischen Angriff mehr als dreimal so hoch.

Auch der Strompreis erreichte nicht zuletzt aufgrund des Merit-Order-Prinzips im negativen Sinne neue Höhen und hat sich an der Leipziger Strombörse EEX teilweise vervierfacht. Auch andere Energieträger wie Öl oder Holzpellets verzeichneten in diesem Jahr deutliche Preisanstiege.

Der Bund, die Länder, die Kommunen, die Energieversorger und Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger leisten ihren Beitrag dazu, dass die Energieversorgung in diesem Winter aller Voraussicht nach gesichert sein wird. Die Bundesnetzagentur sieht die Versorgungssicherheit in Deutschland als derzeit weiter gewährleistet an, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die deutschen Gasspeicher aktuell vollständig gefüllt sind und energieintensive Produktionen vielfach gedrosselt laufen.

Zudem ist der Gasverbrauch auch im privaten Sektor rückläufig. Industriekunden haben mit wenigen Ausnahmen durchgängig im gesamten Jahresverlauf weniger Gas verbraucht als im Vorjahr. Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Haushalts- und Gewerbekunden.

Diese Zahlen dürfen jedoch nicht dazu verleiten, nachlässig zu werden. Die Sparanstrengungen müssen beibehalten werden, damit in diesem Winter die Gasversorgung sichergestellt werden kann und sich auch die gesellschaftlichen Kosten im Rahmen halten. Diese Aussagen beziehen sich auch auf Erdölprodukte inklusive Diesel und Benzin. So ist es offensichtlich, dass in einer Situation, in der es zu Engpässen mit dem Gas kommt und zugleich das Angebot an Gas auf dem Weltmarkt begrenzt ist, eine stark steigende Nachfrage den Preis und damit auch die Kosten für die Energie in Deutschland deutlich erhöhen würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die hohen Energiekosten belasten die privaten Haushalte nicht nur in Form höherer Strom- und Heizkosten. Sie führen auch in nahezu allen Konsum- und Freizeitbereichen zu einer zum Teil deutlichen Teuerung und bedrohen zugleich viele Arbeitsplätze. So lag die Inflationsrate in Deutschland im Oktober 2022 bei mehr als 10 % und damit auf dem höchsten Stand seit 1951. Besonders betroffen sind Energie und Nahrungsmittel mit Teuerungsraten von 43 % bzw. 20 %.

Auch unsere Unternehmen sind mit den hohen Energiekosten, gestörten internationalen Lieferketten und allgemein gestiegenen Preisen für Vorprodukte konfrontiert. Sie versuchen, dies weitestgehend durch Rücklagen und Preiserhöhungen zu kompensieren. In vielen Fällen wird beides nur bedingt möglich sein, insbesondere nach den schwierigen Jahren der Coronapandemie.

Nach Einschätzung des Wirtschafts- und Landwirtschaftsministeriums zeigt die Entwicklung des Unternehmensbestandes derzeit noch keine klaren Kriseneffekte. Eine Insolvenzwelle ist bisher ausgeblieben. Auch das Investitions- und Ansiedlungsgeschehen in Sachsen-Anhalt weist bisher keine spürbaren Auswirkungen der Krise auf. So betreut der Investitions- und Investorenservice der Investitions- und Marketinggesellschaft derzeit insgesamt 121 laufende Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 33 Milliarden € und mehr als 18 440 neuen Dauerarbeitsplätzen, die damit hergehen würden.

Auch die Anfragen nach Risikokapital bei der Innovations- und Beteiligungsgesellschaft blieben im ersten Halbjahr 2022 hoch und sind im zweiten Halbjahr nur geringfügig verhaltener. Ebenfalls sind die Auftragsbücher vieler Unternehmen weiterhin gut gefüllt, auch wenn sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft zuletzt deutlich eingetrübt hat, wie es auch der dieser Tage vorgestellte jüngste Konjunkturbericht der IHK Halle-Dessau dokumentiert. Demnach befürchten rund 85 % der befragten Unternehmen im Süden des Landes wegen der hohen Energie- und Rohstoffpreise Umsatz- und Gewinneinbußen.

(Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU)

Die Landesregierung ist sich daher durchaus bewusst, dass viele Unternehmen in unserem Land unter großem Druck stehen, und zwar umso mehr, je größer die Energie- und Wettbewerbsintensität im jeweiligen Sektor ist. In den vergangenen Monaten hat die Landesregierung von Produktionsreduktionen durch Unternehmen oder von einzelnen Insolvenzen in Sachsen-Anhalt erfahren. Daher habe ich mich bereits im Sommer beim Bund dafür stark gemacht, dass energieintensive Unternehmen, deren Produkte eine hohe Bedeutung für nachgelagerte Wertschöpfungsketten haben, auch im Einzelfall Unterstützung erhalten können.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Ansonsten drohte, dass wichtige Schlüsselproduktionen in Deutschland verlorengingen. Das betrifft z. B. SKW Stickstoffwerke Piesteritz als größten Ammoniak- und Harnstoffproduzenten Deutschlands, wo wichtige Produkte wie Düngemittel und der AdBlue-Dieselzusatz sowie Ausgangsstoffe für weitere bedeutende Chemikalien hergestellt werden. Ein weiteres Beispiel sind die Dachziegelwerke Nelskamp mit Bedeutung für die nachgelagerte Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft.

Auch in der Landwirtschaft haben die Preissteigerungen bei den Betriebsmitteln wie Energie, Futter- und Düngemitteln die Situation enorm verschärft, und zwar besonders in Sektoren mit einem hohen Energieeinsatz, bspw. im Gemüsebau und in der Tierhaltung.

Ähnliche Probleme findet man in vielen anderen Bereichen unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens wieder, seien es Kultureinrichtungen, wie Theater oder Kinos, lokale und regionale Verkehrsbetriebe, Sportvereine, Hotels und Pensionen. Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Geschlossenheit der westlichen Demokratien hat bisher wesentlich dazu beigetragen, dem russischen Angriff standzuhalten. Auch Deutschland hat die Ukraine massiv durch humanitäre, technische und auch militärische Hilfe unterstützt. Nicht zuletzt haben wir Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen und sämtliche Sanktionspakete der EU-Mitgliedsstaaten mitgetragen. Sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Unternehmen in Deutschland und im besonderen Maße die in Sachsen-Anhalt spüren seit einigen Monaten die Folgen dieser europäischen Solidarität. Wir alle zahlen den Preis der Freiheit. Obwohl viele unserer Mitmenschen deshalb in großer Sorge sind, ist die Bereitschaft der Bevölkerung zur Unterstützung der Ukraine weiterhin groß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger erwarten daher von uns, dass das Land, der Bund und Europa das ihnen jeweils Mögliche tun, um kurzfristige Härten auszugleichen, den gesellschaftlichen Wohlstandsverlust mittelfristig so gering wie möglich zu halten und unsere Wirtschaft angemessen zu unterstützen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Energiepreisschock - anders als die Coronapandemie - wohl kein rein temporäres Phänomen bleibt; vielmehr ist davon auszugehen, dass insbesondere die Gaspreise in Deutschland und in Europa nicht mehr zu ihrem Vorkrisenniveau zurückkehren werden. Es wird infolge dieser Strukturveränderungen Geschäftsmodelle geben, die künftig nicht mehr am Markt bestehen können. Das gilt in besonderer Weise für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und bei denen ausländische Konkurrenten in geringerem Umfang von gestiegenen Energiekosten betroffen sein werden. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Aha!)

Hier sind mittel- und langfristig Anpassungsprozesse unvermeidlich, um dauerhaft am Markt bestehen zu können. Dazu gehört auch eine Veränderung des Energiemarktpreisbildungsdesigns durch die Europäische Union. Frau von der Leyen hat mir das vor drei Wochen in Brüssel zugesagt, denn nur so kann Europa und damit auch Deutschland weiterhin ein attraktiver Industriestandort bleiben. 

Das bedeutet: Wir brauchen zum einen kurzfristige Hilfen, um zum Teil existenzbedrohenden Problemlagen begegnen zu können. Zum anderen müssen wir die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen sowie alle anderen von dieser Energiepreiskrise betroffenen Akteure mittelfristig dabei unterstützen, unter den gegebenen Voraussetzungen die zum Teil deutlich höheren Energiepreise selbst tragen zu können.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Es liegt in unserer Verantwortung, die Transformation zu einer Gesellschaft zu forcieren und zu fördern, die Energie viel effizienter verbraucht, die weitestgehend unabhängig von billigen fossilen Energieträgern, insbesondere aus dem Ausland, ist 

(Tobias Rausch, AfD: Aha!)

und die sich zum Vorreiter bei der Entwicklung und Produktion von Anlagen zur Erzeugung und zur Speicherung von erneuerbaren Energien entwickelt, aber auch weitere eigene Energieerzeugungstechnologien nutzt.

Erste kurzfristig wirkende Entlastungsmaßnahmen erfolgten bereits im Februar dieses Jahres. Ein zweites Entlastungspaket folgte im Frühjahr. In diesem Zusammenhang brachte die Bundesregierung eine Reihe von steuerlichen Entlastungen für Verbraucher sowie einen einmaligen Heizkostenzuschuss auf den Weg. Beim Stichwort „steuerliche Entlastung“ ist auch zu bedenken, dass wir die eingenommenen Steuern durch Bund, Länder und Kommunen gemeinsam nutzen und demzufolge steuerliche Maßnahmen auch immer einen expliziten Beitrag der Bundesländer und der Kommunen darstellen. 

Die EEG-Umlage ist zum 1. Juli entfallen. Familien erhielten einen einmaligen Kinderbonus, und auch hilfebedürftige Leistungsempfänger erhielten eine Einmalzahlung. Zudem wurde für drei Monate das 9-€-Ticket eingeführt und die Kraftstoffsteuer gesenkt, der sogenannte Tankrabatt eingeführt.

Ein drittes, im September beschlossenes Entlastungspaket brachte neben weiteren steuerlichen Entlastungen, z. B. durch den Abbau der kalten Progression, unter anderem den Rentnerinnen und Rentnern sowie den Studierenden und den Fachschülerinnen und -schülern ebenfalls eine Einmalzahlung. Auch das Kindergeld und der Kinderzuschlag wurden erhöht. Insgesamt haben die Entlastungsmaßnahmen dieser drei Pakete ein Volumen von 95 Milliarden €. Viele dieser Maßnahmen entfalten kurzfristig Wirkung.

Auf der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit dem Bundeskanzler am 2. November haben sich die Länder mit dem Bund auf weitergehende Maßnahmen verständigt. Diese werden durch einen 200 Milliarden € umfassenden Abwehrschirm des Bundes getragen und punktuell durch die Länder finanziell unterstützt. Ein Instrument, mit dem auf die Sorge vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger, die eigenen Heiz- und Stromkosten nicht mehr tragen zu können, reagiert wurde, ist die Strompreisbremse. Mit ihr kann zwar auf einem höheren Niveau als vor dem Krieg Preisstabilität sichergestellt werden; da sich dieser Deckel aber nur auf das Grundkontingent bezieht und darüber hinaus Marktpreise zu zahlen sind, lohnen sich Sparbemühungen auch weiterhin. Ebenfalls sollen Netzentgelte stabilisiert werden.

Ich begrüße diesen Ansatz und bedauere zugleich, dass bezogen auf den Energieträger Gas seitens des Bundes zu lange versucht wurde, mit einer Gasumlage die Insolvenz wichtiger Gasversorger zu vermeiden. Es blieb wertvolle Zeit in der Konzeption eines entsprechenden Entlastungsinstruments ungenutzt. Dank der Expertenkommission Gas und Wärme wurde innerhalb kurzer Zeit der Ansatz einer Preisbremse bei Gas und Wärme konzipiert und durch die Bundesregierung weiter konkretisiert. Gas- und Fernwärmekunden sollen demnach im ersten Schritt im Dezember eine Einmalzahlung in Höhe ihrer Abschlagszahlung aus September 2022 erhalten. Sie dient als Brücke bis zur regulären Einführung der Gas- und Wärmepreisbremse, die für Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen im zweiten Schritt im März 2023 eingeführt werden soll. So ist sie zumindest konzipiert und soll den Anreiz zum Energiesparen weiter aufrechterhalten. 

Das ist wichtig, da unser Problem gerade darin begründet liegt, dass wir in diesem Winter und darüber hinaus bisherige Gaslieferungen aus Russland nicht so einfach kompensieren können. Es wäre daher problematisch, wenn wir mit der Preisbremse zwar die Verbraucher entlasten, damit allerdings zugleich den Anreiz zur Einsparung von Gas reduzieren würden; schließlich hilft uns jede eingesparte Kilowattstunde Gas, diese Energiekrise gut zu überstehen, und das soll sich dann auch finanziell für die Verbraucher lohnen.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Diese Preisbremsen werden allerdings nicht alle Haushalte und Unternehmen spürbar entlasten können. Diese sollen jedoch durch einen Härtefallfonds unterstützt werden. Zudem soll es Härtefallregelungen für Krankenhäuser, Universitätskliniken und Pflegeeinrichtungen geben. Auch Nutzer anderer Heizmittel, wie z. B. Öl oder Holzpellets, können Härtefallmittel erhalten. Besonders wichtig waren mir persönlich zudem gezielte Hilfen für Kultureinrichtungen. 

Sicherlich nicht zeitnah wirkend, jedoch ebenfalls Teil des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz ist das 49-€-Ticket, zu dem die Länder erheblich beitragen. In diesem Zusammenhang sollen die Regionalisierungsmittel zur Stärkung des ÖPNV durch den Bund aufgestockt werden. 

Dieser MPK-Beschluss umfasst darüber hinaus eine Reihe weiterer Festlegungen, so z. B. auch zum Wohngeld bzw. zum Heizkostenzuschuss sowie zur teilweisen Übernahme der Kosten für die Unterbringung, Verpflegung und Integration ukrainischer Flüchtlinge in den Kommunen.

An dieser Stelle sollte auch erwähnt werden, dass seit Ende Februar in Sachsen-Anhalt bisher ca. 29 000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine direkt in den Landkreisen und kreisfreien Städten aufgenommen wurden, darunter sind 2 800 Kinder im Kindergarten- und 6 900 Kinder im schulpflichtigen Alter. Die Kommunen, dabei besonders die Städte Halle und Magdeburg, stehen vor der immer größer werdenden Herausforderung, die Geflüchteten in angemessener Weise dezentral unterzubringen. So fällt es dem Land und den Kommunen zunehmend schwerer, weitere angemessene Unterkünfte zeitnah zu beschaffen, um die Nutzung von Notunterkünften zu vermeiden. 

Der Bund unterstützt die Kommunen und die Länder zwar bei der Aufnahme der Kriegsflüchtlinge; allerdings reichen die bisher dafür zur Verfügung gestellten bzw. verabredeten Mittel nicht aus, um die Kosten vollständig zu decken. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Alles Steuergelder!)

Daher werden wir zusammen mit den anderen Bundesländern im Jahr 2023 auf weitere Erhöhungen drängen müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Für viele der von mir zuvor beschriebenen Maßnahmen fehlen bisher noch die vom Bund auszuarbeitenden Details zur genauen Ausgestaltung und zur Finanzierung. Als Landesregierung können wir daher die daraus für den Landeshaushalt resultierenden Mehraufwendungen bisher nur grob abschätzen und berücksichtigen. Auch bleibt abzuwarten, inwieweit diese Maßnahmen ausreichen, um Bedürftige angemessen zu entlasten. Die Landesregierung ist mit dem Bund im Austausch, um eventuelle offene Lücken bzw. Härten zurückzuspiegeln. 

Beispielsweise fragen wir uns, ob die Maßnahmen ausreichen, um die Kostenlast der Wohnungswirtschaft und der Verkehrsträger des ÖPNV in Sachsen-Anhalt ausreichend zu mindern. 

(Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU)

Gleiches gilt, ebenfalls beispielhaft, für soziale Einrichtungen, für Träger der Kinder- und Jugendhilfe oder der Eingliederungshilfe, für Pflegeeinrichtungen, für Krankenhäuser, für ambulante medizinische Angebote und für Apotheken oder für unsere Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sagte es eingangs: Die Landesregierung wird das ihr Mögliche tun, um die negativen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen, die Unternehmen sowie viele weitere Akteure in unserem Land so weit wie möglich zu begrenzen.

In etwa einer Stunde wird Kollege Richter den Haushalt für das kommende Jahr einbringen. Er wird dabei auch darstellen, wie schwierig sich die Haushaltsaufstellung in Anbetracht der Unsicherheiten und Kosten, die diese Krise mit sich bringt, gestaltete. 

(Zustimmung bei der CDU)

Er wird deutlich machen, dass auch wir Vorsorge treffen, um die aus der Einigung zwischen Bund und Ländern ergebenden Mehraufwendungen darzustellen, um eventuelle Lücken und Härten reduzieren bzw. mindern zu können. Insgesamt wird die Landesregierung im kommenden Haushaltsjahr zur Abmilderung der Folgen des Krieges in der Ukraine rund 1,5 Milliarden € bereitstellen. Das veranschaulicht, dass das Land auch in dieser Situation handlungsfähig ist und bleibt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Ich wiederhole es: Es handelt sich allein für das Haushaltsjahr 2023 nach der jetzigen Planung und mit der Einbringung des Haushaltes, vorbehaltlich der weiteren Behandlung im Landtag, um 1,5 Milliarden €.

(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)

Das Land Sachsen-Anhalt hatte sich unter anderem im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz zudem dafür stark gemacht, dass Bund und Länder die durch den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine verursachte außergewöhnliche gesamtstaatliche Notsituation gemeinsam und übereinstimmend feststellen. Die Länder waren sich übrigens darüber bei der Abstimmung mit 16 : 0 einig. Dies hätte die Finanzierung der Hilfs- und Entlastungsmaßnahmen über Kredite erleichtert. Bisher ist der Bund hierzu jedoch nicht bereit.

Die ergriffenen wie auch die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Milderung der Folgen dieser Energiekrise haben auch eine europäische Dimension. Der gemeinsame EU-Binnenmarkt ist nicht nur ein wesentlicher Grund für das untereinander abgestimmte Sanktionsregime der Mitgliedsstaaten der EU gegenüber der Russischen Föderation sowie gegenüber der Republik Belarus, sondern auch der Rahmen für europäische, für nationale und auch für regionale Unterstützungsmaßnahmen.

Beispielsweise hat die Europäische Kommission am 28. Oktober den seit März geltenden Krisenrahmen um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2023 verlängert, der es den Mitgliedsstaaten ermöglicht, Erleichterungen bei den Beihilfevorschriften zur Unterstützung der Wirtschaft zu nutzen.

Sachsen-Anhalt profitiert zudem davon, dass wir uns gerade am Beginn der aktuellen EU-Förderperiode befinden, in der wir als Land Schwerpunkte auf eine stärkere Energieeffizienz bei Gebäuden und in Unternehmen, auf Klimaschutz, CO2-Reduktion, Innovation und Qualifizierung legen. Beispielsweise stehen im EFRE in der anlaufenden Förderperiode von 2021 bis 2027 Mittel in Höhe von mehr als 230 Millionen € für Maßnahmen zur Förderung von Energieeffizienz und zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zur Verfügung sowie Mittel in Höhe von 72 Millionen € zur Entwicklung intelligenter Energiesysteme, Netze und Speichersysteme.

Mittels des erst im Oktober bestätigten JTF können zudem weitere EU-Mittel in Höhe von 150 Millionen € für Maßnahmen zur Förderung der Nutzung grünen Wasserstoffs sowie im Sinne einer verbesserten Ressourceneffizienz eingesetzt werden.

Darüber hinaus hat die EU-Kommission Erleichterungen für die Umsetzung von Projekten für erneuerbare Energien, den flexiblen Einsatz von EU-Mitteln oder weitere Ausnahmen beim Beihilferecht zugunsten energieintensiver Unternehmen ermöglicht.

Generell ist eine europäische Koordination in verschiedenen Fragen hilfreich. Dies betrifft die Abstimmung von europäischen und nationalen Maßnahmen, ein koordiniertes Handeln beim Einkauf von LNG und die gerechte Verteilung von mit der Krise verbundenen Lasten, bspw. aufgrund von Flucht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es bleibt festzuhalten: Auch wenn die bisherige Dimension der Entlastungspakete bemerkenswert ist, kann es lediglich gelingen, einen Teil der Teuerung auszugleichen. Eine vollständige Kompensation des Preisanstiegs würde selbst einen finanzpolitisch soliden Staat wie Deutschland überfordern. Das fortlaufende Schnüren neuer Entlastungspakete löst letztlich das Energieproblem nicht. 

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

Wenn es uns also nicht grundsätzlich gelingt, unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu überwinden, dann wird ein Wohlstandsverlust unvermeidlich sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Dennoch helfen uns diese Maßnahmen kurz- und mittelfristig dabei, die hohen Belastungen vor allem durch steigende Energiekosten, die sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen und Institutionen treffen, zu bewältigen. Dabei macht es finanzpolitisch Sinn, damit verbundene Ressourcen vor allem auf Akteure zu konzentrieren, die entsprechender Hilfe bedürfen. 

Zugleich sollten wir in dieser unmittelbaren Krise auch auf dem Schirm behalten, dass wir diese vor allem dann nachhaltig bewältigen werden, wenn wir unsere Abhängigkeit von fossilen Energieressourcen reduzieren, aber in der Übergangsphase auch alle zur Verfügung stehenden Energieerzeugungsmöglichkeiten nutzen. 

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und von Andreas Silbersack, FDP)

Mit Blick auf die weiteren Zukunftsherausforderungen, die sich auch aus der Klimakrise ergeben, macht es daher besonders Sinn, auf eine höhere Energieeffizienz, auf nachhaltige Wirtschaftskreisläufe und auf erneuerbare Energien mit Speicherung zu setzen. 

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn uns das gelingt, dann kämen wir aus dieser Krise gestärkt hervor. 

Insgesamt stellt diese Krise aber auch eine Chance für uns dar, da sie das Potenzial hat, notwendige Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft zu beschleunigen und dafür zu sorgen, dass wir als Exportland auch langfristig ein Industrieland bleiben, was durch einen hohen Diversifikationsgrad bezüglich des Rohstoffbezuges geprägt ist und eine langfristige Stabilität für die Generationen nach uns sicherstellt und damit letztlich eine Problematik lösen hilft, die von der Klimapolitik bis zu einer Friedensordnung in Europa und in der Welt reicht. - Herzlichen Dank.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Ministerpräsident. Es gibt zwei Nachfragen. - Herr Gallert, bitte.


Wulf Gallert (DIE LINKE): 

Herr Ministerpräsident, Sie sprachen selbst davon, dass Sie sich auf der Bundesebene dafür starkgemacht hätten, dass es für einzelne systemrelevante Wirtschaftsunternehmen Sonderregelungen in dieser Energiepreiskrise gebe. Sie sprachen unter anderem von Piesteritz, allerdings nicht nur. Ich frage Sie einfach einmal: Gibt es denn jetzt sozusagen unternehmensbezogene Einzelhilfen auf der Bundesebene für Unternehmen in Sachsen-Anhalt?


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident): 

Nachdem die Signale, übrigens genau parallel zur letzten Landtagssitzung, hier ankamen, dass es entsprechende Gremiensitzungen, vor allem Aufsichtsratssitzungen, am Standort Leuna gibt, die zur Einstellung bestimmter Produktionslinien geführt hätten, und dass die relevante Wertschöpfungskette letztlich bis in den Ammoniak- und Harnstoffbereich des Standorts Piesteritz hinein nachverfolgt wurde, habe ich damals, vor vier Wochen, aus diesem Land heraus Kontakt zum Bundeskanzleramt aufgenommen, um entsprechende Termine im Kanzleramt und darüber hinaus auch im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz herbeizuführen. 

Seitdem arbeiten dort Taskforce bzw. Arbeitsgruppen, die versuchen, die jeweiligen Fallgestaltungen aufzuarbeiten. Diese Entscheidungen, die damals vorgesehen und sogar terminiert waren, nämlich drei Tage später, für den Montag nach der Landtagssitzung, haben damals nicht stattgefunden, sondern die Produktion wurde, wenn auch auf reduziertem Niveau, aufrechterhalten. Die Ketten - sie sind auch in den Medien gut dargestellt worden - bis zur Glasproduktion, bis zur Lebensmittelproduktion - in Klammern: CO2 - und Ähnliches sind inzwischen auch transparent geworden. Das zeigte, dass das unmittelbare Einbringen der Bundesregierung und der einzelnen Fachministerien erforderlich ist.

Unter anderem führte es, da, wie gesagt, Detailregelungen von der Bundesregierung gerade noch schlussbearbeitet werden, dazu, dass es klare Zusagen gibt, die Produktionen in den nächsten Monaten so aufrechtzuerhalten, dass sie finanziell und wettbewerblich eine Chance haben, sich gegen Konkurrenten durchzusetzen. - Erstens.

Zweitens gibt es in bestimmten Bereichen eine Kombination aus der Reduzierung der Produktion und damit der Einsparung von Gas im Zusammenhang mit in Aussicht gestellten weiteren Förderungen für am Netz verbliebene Kapazitäten, und wir können - das ist sozusagen auch die Aussicht für die Aufsichtsräte gewesen  , davon ausgehen, dass sich, wenn der Bund sein Programm schlussgezeichnet hat, für die energieintensiven Unternehmen auch bezüglich Menge und Quantität der gedeckelten verbrauchten Gasmengen eine Sonderkondition in dem Hilfspaket der Bundesregierung wiederfinden wird. Das ist sozusagen das Vereinbarungspaket, so kann man es sagen. Darauf haben sich die Unternehmen verlassen.

Dass noch kein Geld geflossen ist, das ist in allen Bereichen hinlänglich zu sehen. Es ist vielmehr an den Markt gebracht und wirkt auch am Markt. Auf dem Markt sind diese Informationen auch wirksam angekommen, auch im Sinne dessen, dass wir den Gaspreis am Spotmarkt aktuell wieder auf Vorkriegsniveau sehen, sodass sich wiederum bestimmte Effekte eingestellt haben, dass selbst SKW Piesteritz mit den Anlagen, die am Netz sind, quasi zu wettbewerbsfähigen Bedingungen produziert.

Das ist ein hochkomplexes System. Ich wollte an diesem Beispiel nur darstellen - ich bin dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt ausdrücklich dankbar dafür, dass er das selbst aufgenommen hat  , dass ein solches Intervenieren ganzheitlich in den Ministerien zumindest nach innen beruhigend wirkt, aber eben auch dabei hilft, Effekte für die Preisbildungsprozesse sicherzustellen, die jeden Tag hinlänglich zu beobachten sind.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Herr Präsident, wenn ich noch ein neues Glas Wasser bekommen würde; denn ansonsten wird mir hier bei weiteren Anfragen, die ich beantworten soll, die Spucke zu dünn.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Das kriegen wir in den Griff. Das ist schon in Auftrag gegeben worden. 

Die Zwischenzeit kann ich nutzen, um mit Ihnen Schülerinnen und Schüler des Internationalen Gymnasiums „Pierre Trudeau“ in Barleben zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Gleichzeitig kann ich mit Ihnen Schülerinnen und Schüler der Förderschule „Heinrich-Ernst-Stötzner“ in Güterglück begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Inzwischen haben Sie Ihr Wasser bekommen und konnten nachtanken.


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident): 

Sehr gut, ja.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Wir können die zweite Nachfrage gestatten. - Herr Gebhardt.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben einen Satz in Ihrer Regierungserklärung gesagt, den ich mir notiert habe. Ich möchte ihn kurz zitieren: Besonders wichtig waren mir persönlich zudem gezielte Hilfen für Kultureinrichtungen. Ich will vorausschicken, dass ich es Ihnen durchaus abnehme, dass Sie sich für die Vielfalt in Sachsen-Anhalt und für den Erhalt der Kulturlandschaft einsetzen. 

Jetzt haben wir aber folgende Situation, die wir gestern auch in der Regierungsbefragung und in der letzten Woche im Fachausschuss beredet haben. Der Landtag hat im Corona-Sondervermögen genau für gezielte Hilfen für Kultureinrichtungen Mittel in Höhe von 2,8 Millionen € eingestellt. Seit der Haushaltsverabschiedung wartet das Parlament auf die Richtlinie der Landesregierung, damit diese Mittel auch abfließen können. 

Uns wurde im Fachausschuss zugesagt, dass die Richtlinie spätestens im Oktober 2022 kommt. In der letzten Sitzung, im November, wurde uns mitgeteilt - das wurde uns gestern noch einmal bestätigt  , dass diese Richtlinie, die Voraussetzung dafür ist, dass Gelder überhaupt abfließen können, erst Mitte Dezember 2022 veröffentlicht werden soll. Das heißt, dass in diesem Jahr kurz vor Weihnachten eine Richtlinie veröffentlicht werden wird, was eine Auszahlung in diesem Jahr quasi unmöglich macht; denn jeder Antrag muss geprüft und bewilligt werden. Wenn also kurz vor Weihnachten eine solche Richtlinie veröffentlicht wird, dann werden in diesem Jahr keine Gelder für Kultureinrichtungen mehr abfließen. Das ist ein Zustand, der zumindest im Fachausschuss fraktionsübergreifend als nicht so einfach hinnehmbar bezeichnet wurde.

Deswegen meine Frage an Sie, Herr Ministerpräsident, ausgehend von Ihrem Satz: Würden Sie sich dieser Sache noch einmal annehmen? Würden Sie notfalls auch von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, um zu ermöglichen, dass diese Richtlinie noch in diesem Monat, im November, veröffentlicht wird, sodass überhaupt eine theoretische Chance besteht, dass Künstlerinnen und Künstler noch in diesem Jahr von den Hilfsgeldern im Umfang von 2,8 Millionen € profitieren können?


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident): 

Ich glaube, dafür brauche ich keine Richtlinie,

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Doch!)

sondern ich rufe gleich meinen Kulturminister an. Wir werden schauen - ich gucke auch einmal in Richtung Finanzminister  , inwieweit da möglicherweise Mitzeichnungsprozesse laufen. Ich hatte das jetzt nicht so explizit auf dem Schirm. Ich sage auf jeden Fall zu, dass alles dafür getan wird, den frühestmöglichen Zeitpunkt durch beschleunigtes verwaltungsmäßiges Arbeiten für das Inkrafttreten sicherzustellen. Ich werde mich dieses Vorgangs auch selbst annehmen bzw. mir diesen Vorgang auf den Tisch ziehen.

Die andere Sache, die meinen unmittelbaren Satz betrifft, ist wie folgt zu erklären. Erst einmal gab es zu Coronazeiten ebenfalls eine ganze Reihe von Hilfen, die, in Teilen auch mittelbar, sozusagen nicht explizit für die Kultur, aber generell für betroffene Strukturen wirksam wurden. Deswegen ist möglicherweise - ich abstrahiere einmal von meiner eigenen These - die Abgrenzung zwischen dem, was geflossen ist, und dem, wofür mehr oder weniger coronabedingt noch Sonderlasten zu tragen sind, nicht ganz so einfach.

Sie wissen, dass es sich hierbei um Bundesgeld handelt, deswegen muss beim Auszahlen immer darauf geachtet werden, dass in dem Moment, in dem der Bund bestimmte Sachen moniert - möglicherweise muss er sogar selber mit darüber schauen  , dieses Geld nicht zurückgefordert wird. Das ist bei EU-Mitteln nicht anders.

Wir haben uns dafür starkgemacht - ich danke übrigens auch Rainer Robra, der in den CdS-Konferenzen, die unseren MPKs immer vorgeschaltet waren, bis zum Letzten hart blieb und das bei Frau Roth durchgesetzt hat  , dass diese Mittel für die Kultur erhalten bleiben, abweichend von dem sonstigen Verfahren, bei dem die nicht abgeflossenen Coronamittel aus dem Sondervermögen des Bundes wieder dem allgemeinen Bundeshaushalt zugeführt werden, sodass der Bundesfinanzminister daraus jetzt wieder für die nächste Krise, nämlich die Auswirkungen des Ukrainekriegs, schöpfen kann. 

Es ist gelungen - ich bin in der letzten MPK sehr hart dafür eingestiegen, auch zum Missfallen eines konkreten Kollegen, der es etwas anders gesehen hat, weil er sich dafür andere Verwendungszwecke hätte vorstellen können  , dass Mittel in Höhe von 1 Milliarde € aus diesem Sondervermögen explizit gebucht bleiben und 1 : 1 in die Hilfen übergehen, die jetzt notwendig sind. Denn diese sind jetzt anderer Natur als damals, als man nicht spielen konnte, weil eben die Kontaktbeschränkungen galten. Heute sind alle über die Energiepreise, ob für Strom, Gas oder Öl, explizit betroffen.

Unter dem Strich heißt das, wir haben Mittel in Höhe von 1 Milliarde € ausschließlich für die Kultur gesichert und werden diese Mittel dann auch dafür zum Einsatz bringen. Beides hat nur bedingt etwas miteinander zu tun, das weiß ich. Ich will nur sagen: Das war der Satz, den Sie zitiert haben und genutzt haben, um die Regierungsbefragung von gestern in Teilen zu wiederholen.

(Zustimmung bei der CDU)