Tagesordnungspunkt 4

a)    Aktuelle Debatte

Hände weg vom Nationalpark Harz

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1715

b)    Beratung

Hände weg vom Nationalpark Harz - klares Bekenntnis zum größten deutschen Waldnationalpark

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1706


Wie es bei der Aktuellen Debatte üblich ist, beträgt die Redezeit zehn Minuten. Den Anfang macht Herr Lange. - Herr Lange, bitte.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Nationalpark Harz verfügen die Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt über einen der größten, wenn nicht sogar den größten Waldnationalpark Deutschlands. Er umfasst mit seiner Fläche von 247 km² etwa 10 % des Harzes und ist international anerkannt.

Gemäß dem weltweiten Motto der Nationalparke „Natur Natur sein lassen“ wird immer mehr Fläche im Nationalpark sich selbst überlassen, sodass sich eine neue Wildnis entwickelt. Ziel ist es dabei, dass mindesten 75 % der Fläche eine Naturdynamikzone - oder auch „Kernzone“ genannt - werden, was für die internationale Anerkennung eine Mindestgröße darstellt.

Die Natur Natur sein zu lassen, die Entwicklung der Wildnis, das alles ist nicht nur spannend für den Naturschutz und die Wissenschaft, die Wildnis im Nationalpark Harz ist vor allem auch eines: Sie ist schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Was so schön ist wie der Nationalpark Harz, das schützt man und entwickelt es weiter.

Meine Damen und Herren! Es gibt aber auch Flächen wie die Brockenkuppe, die Flächen der Wasserwirtschaft, aber auch die Schwermetallrasen, auf denen Pflegemaßnahmen vorgenommen werden. Zudem kommt die Nationalparkverwaltung natürlich den Sicherungspflichten nach. Mit hoher fachlicher Expertise werden der Nationalpark betreut, Bildung vermittelt und der naturverträgliche Tourismus entwickelt. An dieser Stelle möchte ich mich für die geleistete Arbeit bei den Mitarbeiter*innen des Nationalparks bedanken.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Nun ist der Schutz der Natur natürlich der wichtigste Aspekt, aber weil der Nationalpark so schön ist, lockt er jedes Jahr Millionen Tourist*innen an. Allein der Brocken zählt mehr als 1,7 Millionen Besucher*innen jährlich.

(Zuruf von der AfD: Besucher-innen! - Lachen bei der AfD)

Insgesamt werden etwa neun Millionen Besucher*innen der Nationalparkregion zugeordnet.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Wir sind uns also der touristischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Nationalparks bewusst.

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Besucher-innen! - Sven Rosomkiewicz, CDU, lacht)

Umso erschreckender und unverständlicher war es für uns, dass ausgerechnet der für Forst, Tourismus und Wirtschaft zuständige Minister Schulze den gemeinsamen Nationalpark mit Niedersachsen infrage stellte und den sachsen-anhaltischen Teil herauslösen wollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Er hat mit dieser Hauruckaktion gezeigt, dass er vom Forst, von Wirtschaft und sogar vom Tourismus wenig Ahnung hat,

(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: Das sagt der Richtige! - Lachen bei der CDU)

und das, obwohl er sich ein Superministerium selbst zusammengezimmert hat. Herr Minister, wer sich als Kronprinz im Superministerium inszeniert,

(Oh! bei der CDU)

der muss mehr können, als provokante Schlagzeilen zu produzieren.

(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: Für die LINKE reicht es allemal!)

Er braucht Fachkompetenz und Fingerspitzengefühl und die notwendige Ruhe, auch und gerade dann, wenn es brennt, im wahren und im übertragenen Sinne.

Herr Minister, Sie können heute die Gelegenheit nutzen und zugeben, dass das eine echt schlechte Performance war, und sich dafür entschuldigen.

(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren! Fingerspitzengefühl ist auch deswegen notwendig, weil Sachsen-Anhalt den kleineren Beitrag zum Nationalpark leistet. Schon deswegen ist so ein Vorstoß unsinnig, weil die Folgen viel höhere Kosten für das Land wären, neben dem konzeptionellen Unsinn, der dahintersteckt.

Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich zitiere den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies, der die vorgebrachte einseitige Aufkündigung des Staatsvertrags in seiner Pressemitteilung wie folgt kommentierte:

„Diesen Staatsvertrag haben die Parlamente unserer beiden Länder nach langen Verhandlungen in Freundschaft und Einigkeit über den Wert dieser einzigartigen Region und auch als Signal der neuen Einheit Deutschlands geschlossen. Das ist nichts, was man per Federstrich eines Ministers einfach streichen kann.“

(Beifall bei der LINKEN - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Recht hat er!)

- Recht hat er! - Herr Minister, diesbezüglich wäre auch eine Entschuldigung gegenüber dem Parlament angebracht.

(Ulrich Thomas, CDU: Was? Geht’s noch?)

Meine Damen und Herren! Ja, ein Brand im Nationalpark ist schlimm,

(Ulrich Thomas, CDU: Wir sind nicht auf einem LINKEN-Parteitag!)

insbesondere dann, wenn er erst nach vielen Tagen mit hohem Aufwand gelöscht werden kann.

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Innen!)

Ja, der Befall durch den Borkenkäfer ist schlimm

(Zuruf von der AfD: Borkenkäfer - innen! - Lachen bei der AfD)

und die Windwurfflächen. Übrigens sind das beides Folgen des menschengemachten Klimawandels, also Dürre und Extremwetter. Das reflexhafte Zeigen auf Totholz hat nun wirklich nichts mit einer fachlich fundierten Diskussion zu tun;

(Beifall bei der LINKEN)

im Gegenteil: Naturschutz geht doch mit Brandschutz Hand in Hand. Naturschutz kann sogar der beste Brandschutz sein, wenn Laubmischwälder wieder natürlich aufwachsen können. Dabei spielt Totholz eine beeindruckende Rolle;

(Ulrich Thomas, CDU: Das sehen wir ja im Nationalpark! - Angela Gorr, CDU: Herr Lange! - Ulrich Thomas, CDU: Das sehen wir ja gerade!)

denn, meine Damen    

(Ulrich Thomas, CDU: Gehen Sie einmal wandern! Es tut Ihnen gut! - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

- Ja.

(Ulrich Thomas, CDU: Es tut Ihnen gut!)

- Einfach einmal zuhören

(Ulrich Thomas, CDU: Ich höre und sehe Sie!)

und dann ist es gut.

(Ulrich Thomas, CDU: Gehen Sie einmal wandern und gucken Sie es sich vor Ort selber an!)

- Wissen Sie, Herr Thomas, es überrascht Sie vielleicht, aber ich komme aus der Harzregion, ich komme nämlich aus Quedlinburg, so wie Sie.

(Ulrich Thomas, CDU: Ja, aber da waren Sie schon lange nicht mehr! - Lachen bei der CDU)

- Erst vor zwei Wochen, bei der Oma, aber egal. Das spielt jetzt keine Rolle.

Totholz ist nicht nur Lebensraum für zahlreiche, oft seltene, Tiere. Es ist Nahrungsquelle für Pilze und Bakterien und spielt somit im Lebenskreislauf eine wichtige Rolle. Es ist Schutzraum zur Etablierung von Bäumen. Es fördert somit den Aufwuchs des neuen Waldes.

Der Nationalparkchef Herr P. zeigt sehr gern ein Bild einer Bergkuppe des Nationalparks Bayerischer Wald. Das ist eine Windwurffläche - ich glaube, von „Kyrill“ damals.

(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)

Eine Seite der Bergkuppe ist mit wenigen Bäumen bewachsen, die andere Seite zeigt einen neuen jungen Wald, wie man sich ihn vorstellt. Die Grenze zwischen diesen beiden unterschiedlichen Welten ist die Grenze zwischen Tschechien und Deutschland und zweier Konzepte: Totholz herausräumen und Totholz zulassen.

(Ulrich Siegmund, AfD: Aha!)

Raten Sie einmal, wo sich der Wald besser etabliert hat.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Ja, Totholz ist ein wichtiger Faktor für das natürliche Aufwachsen des neuen Waldes und es gehört zur Wildnis dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Wildnis, die Kernzone, der Prozessschutz, die natürliche Dynamik - alles synonym verwendbare Begriffe im Zusammenhang mit dem Nationalpark Harz - sind für mindestens 75 % der Fläche eine gesetzliche Vorgabe. Das ist ja nun das Mindeste, was man von einem Forstminister verlangen kann, nämlich dass er das Nationalparkgesetz kennt, bevor er sinnlose Debatten vom Zaun bricht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Wernigeröder Erklärung scheint der Streit nun etwas befriedet zu sein. Fakt ist für mich aber, dass die Maßnahmen zum Brandschutz und die Eingriffe in die Natur mit größtmöglichem Augenmaß und unter strenger naturschutzfachlicher Begleitung erfolgen. Dabei müssen die Eingriffe auf ein Minimum beschränkt bleiben. Es ist richtig, an der einen oder anderen Stelle die Zugänglichkeit für die Feuerwehr zu verbessern. Es ist aber auch zu bedenken, dass neue Wege auch Menschen anlocken, die eventuell sorglos mit Zigaretten oder Lagerfeuern umgehen.

Die Nationalparkverwaltung ist sich ihrer Aufgabe zur Gefahrenabwehr bewusst. Lassen wir sie nun mit den Expert*innen gemeinsam arbeiten. Das gilt auch für die Harzer Schmalspurbahn und die Beurteilung der Brandgefahren durch die gute alte Schnauf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Antrag und diese Debatte sind Folge unbesonnener Äußerungen eines Ministers. Umso wichtiger ist es, ein erneutes Bekenntnis zum gemeinsamen Nationalpark und zu seiner naturschutzfachlichen Konzeption abzugeben. Das kann Missverständnisse und Irritationen ausräumen und stärkt der Nationalparkverwaltung den Rücken.

Wenn wir es dann noch schaffen, den Nationalpark Harz mit mehr Mitteln auszustatten, damit er seine gestiegenen Aufgaben auch wahrnehmen kann, dann haben wir etwas Gutes für den Naturschutz, für den Tourismus und für die Wirtschaft getan.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Starker Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl! - Bravo! - Lachen bei der AfD)