Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe gerade sehr aufmerksam zugehört. Ich frage mich: Wird jetzt, nachdem über Jahre hinweg demonstriert wurde unter dem Motto „Merkel muss weg!“, von den Gleichen demonstriert unter dem Motto „Merkel muss wieder her!“?

(Zustimmung und Lachen bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP - Tobias Rausch, AfD: Das konnte ja keiner ahnen!)

Bedenke bei deinem Handeln immer die Auswirkungen.

(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)

Es ist gar nicht so einfach, jetzt noch viel Neues hinzuzufügen zu dem, was gestern schon gesagt wurde, was im letzten Plenum gesagt wurde, was ständig in den Ausschüssen gesagt wird.

Selbstverständlich gibt es gerade einen sehr extremen Zusammenhang zwischen der Inflationsrate und den hohen Energiepreisen. Das bestreitet auch niemand und deswegen muss es auch schnell entsprechende Maßnahmen geben. Eine Inflationsrate von 10 % im September 2022 ist extrem ernst zu nehmen.

Und ich hoffe, das macht jeder auf der Landesebene, auf der Bundesebene und auch auf der europäischen Ebene. Denn eine solche Inflationsrate führt dazu, dass sowohl die Bürger als auch die Unternehmen vor extrem großen Herausforderungen stehen.

Über das Thema Angebot und Nachfrage ist hier im Plenum schon mehrfach diskutiert worden. Das Angebot muss definitiv erweitert werden, dazu werde ich gleich noch etwas sagen.

Ich will aber noch ein Thema ansprechen, weil das hier immer wieder falsch herübergebracht wird: Gas steht nicht auf der Sanktionsliste.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Da ich gestern hier im Plenum gehört habe, wie toll zeitweise die DDR gewesen sein soll, möchte ich sagen: Ich bin nur zehn Jahre in der DDR aufgewachsen, aber eines hat man mir immer   das habe ich noch im Geschichtsunterricht mitbekommen   gesagt: Was die Lieferung von Energie angeht, da war Russland immer sehr zuverlässig, auch in schlimmsten Zeiten. Jetzt muss man sich die Frage stellen: Wer hat denn entschieden, dass kein Gas mehr nach Europa, nach Deutschland kommt? - Das war Wladimir Putin. Das ist definitiv so.

(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP - Zuruf von der AfD)

Das darf man nicht falsch darstellen.

(Tobias Rausch, AfD: Das ist die Antwort auf die Sanktionen! Das lassen Sie weg!)

- Nein, das ist die Wahrheit. - Und ein zweiter Punkt     

(Tobias Rausch, AfD: Nein, Sie lassen das weg!)

- Jetzt hören Sie mir doch zu. Ich habe Ihnen auch zugehört. Hören Sie ruhig einmal zu.

Ein zweiter Punkt, den ich nicht verstehe, ist, wenn jetzt gesagt wird, die USA haben ein Rieseninteresse daran, Deutschland zu zerstören

(Tobias Rausch, AfD: Ich habe nicht gesagt „zu zerstören“!)

und die Europäische Union zu zerstören. Die Europäischen Union ist der größte Binnenmarkt der Welt.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Jede Region auf dieser Welt, egal ob es die USA sind, egal ob es Südamerika ist, ob es Asien ist, hat ein Rieseninteresse daran, dass dieser Binnenmarkt funktioniert,

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

weil sie hier riesige Möglichkeiten haben, ihre Produkte zu verkaufen. Es hat doch niemand ein Interesse daran, auch die USA nicht, dass es diesem Binnenmarkt schlecht geht; denn dann kriegen sie ein Riesenproblem.

Das nächste Thema ist: Schauen Sie sich einmal an   ich habe das zehn Jahre lang gemacht, ich musste als Ingenieur oft auch in die USA und nach China reisen  , wie viele Unternehmen dort drüben abhängig sind von den Investitionen, speziell auch aus Deutschland. Schauen Sie sich an, wie bspw. BMW in den USA investiert, wie auch andere Unternehmen, gerade aus dem Maschinenbau, in den USA und in China investiert. Diese Staaten haben überhaupt kein Interesse daran und sollten es auch nicht haben, dass es uns schlecht geht; denn dann haben auch sie ein Riesenproblem. Das gehört einfach zur Wahrheit dazu.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

- Ja, es nützt ihnen aber nichts, Absatzmärkte zu zerstören. Das muss man einfach verstehen. Das sollte man hier nicht immer falsch rüberbringen.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Ein weiteres Thema. Ich habe schon im letzten Jahr, auch gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen, gesagt: Kernkraftwerke, Atomenergie müssen länger laufen. Das gehört auch zur Wahrheit dazu. Ich bin jetzt ganz froh, dass das in Berlin zumindest ansatzweise auch so gesehen wird. Uli Thomas hat gestern schon einiges dazu gesagt, das brauche ich nicht zu wiederholen.

Jetzt noch ein paar Sätze zum Thema Preis und zum Thema Angebot. Natürlich brauchen wir   das habe ich schon mehrfach gesagt   ein größeres Angebot. Angebot und Nachfrage, den Zusammenhang kennt jeder. Aktuell ist gerade das Angebot an Gas da, und deshalb geht es jetzt darum, den Preis zu senken. Dafür brauchen wir diese staatliche Unterstützung. Dafür brauchen wir auch eine Preisbremse.

Dazu sage ich ganz klar: Wir brauchen eine Energiepreisbremse. Wir werden jetzt natürlich auch eines erleben: Wir kriegen den Fuel-Switch, d. h. Unternehmen, die in erheblichen Größenordnungen Gas verbraucht haben, gehen jetzt bspw. zu Öl über. Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass es bei Öl einen größeren Verbrauch geben wird.

Die Strompreisbremse ist genauso wichtig. Ich spreche fast jeden Tag mit größeren Unternehmen, die jetzt ankündigen, dass sie da, wo es möglich ist, zukünftig Strom einsetzen werden. Das heißt, wir werden es mit einem Energiethema insgesamt zu tun bekommen. Das darf also nicht nur beim Gas bleiben. Das ist ganz wichtig, wenn man dazu jetzt in Berlin verhandelt.

Das soll es für diesen Teil der Rede gewesen sein. Wir haben ja später noch einen Tagesordnungspunkt mit einer ähnlichen Thematik, zu dem ich sprechen kann. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Minister Schulze. - Herr Tillschneider stand am Mikrofon.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Genau. Ich muss kurz eine Intervention loswerden. Diese Augenwischerei kann ich so nicht stehen lassen.

Das, was Herr Schulze vorgetragen hat, ist veraltet. Das ist sozusagen die Marshallplan-Doktrin: Man schafft hier einen Absatzmarkt, damit das hier prosperiert und man davon profitiert. Inzwischen hat man vom Marshallplan umgeschaltet auf den Morgenthau-Plan.

Das, was die USA jetzt machen, ist: Sie zwingen uns, ihr dreckiges und teures Gas zu nehmen, und sie zwingen uns, auf russische Waren, russisches Gas zu verzichten. Das machen sie, weil sie maximalen Profit daraus ziehen wollen. Auf solche Handelspartner kann ich verzichten.

(Zustimmung bei der AfD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Und wissen Sie, wie man das abwehren kann? Auf erneuerbare Energien setzen! - Frank Otto Lizureck, AfD: Und darum brauchen wir auch so viel Gas!)


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Darf ich darauf antworten?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Schulze, bitte.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Vielleicht auch dazu noch ein Satz. Ich habe in der Rede versucht, zwei oder drei Punkte richtigzustellen. Ich vermute, Sie meinten mit „dreckiges Gas“ LNG. LNG ist nicht automatisch Fracking-Gas. LNG ist Gas, das 600-fach komprimiert wird, damit es flüssig ist, damit man es transportieren kann.

(Tobias Rausch, AfD: Mit 30 % Verlust!)

Deswegen sollte man nicht sagen, das ist automatisch immer dreckiges Gas, wenn wir über LNG-Technologie reden. Bei LNG haben wir eher ein Problem mit dem Preis, das man lösen muss.

(Oliver Kirchner, AfD: Das ist schon allein deshalb dreckig, weil es mit Schwerlastschiffen transportiert wird!)

Es ist nicht die Frage, wie das gefördert wird.