Sebastian Striegel (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gelingende Zuwanderung und Integration ist für Sachsen-Anhalt eine Frage des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überlebens. Herr Willingmann hat das vorhin schon sehr deutlich gemacht. Neben der Verhinderung der Klimakatastrophe
(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)
und der Bewältigung der Folgen der Klimakrise wird für unsere Region entscheidend sein, Menschen für unser Bundesland zu interessieren und sie dauerhaft hier zu beheimaten. Dafür sind wir bislang nicht ausreichend gerüstet.
Mit unserem Antrag „Für ein willkommensfreundliches Sachsen-Anhalt - Geordnete Zuwanderung ermöglichen“ wollten wir notwendige Bestandteile einer echten Willkommenskultur etablieren. Ich denke, wir haben in der letzten Debatte über alle demokratischen Fraktionen hinweg die besorgniserregende demografische Lage, in der sich unser Land befindet, erkannt, und es war Konsens, hier endlich aktiv zu werden. Die uns nun vorliegende Beschlussempfehlung lässt, anders als die damaligen Redebeiträge der FDP-Fraktion und der Sozialministerin, aber keine Aufbruchsstimmung erkennen. Die bloße Beschreibung des Istzustandes und eine Sammlung wohlklingender Ziele, die kaum über nebulöse Formulierungen Ihres Koalitionsvertrages hinausgehen, lösen die Probleme Sachsen-Anhalts nicht. Ihre Beschlussempfehlung verwaltet den Status quo.
Wenn wir aus dem Landtag heraus eine spürbare Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt anregen wollten, dann bedürfte es konkreter Maßnahmen, welche direkte und positive Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen haben, die zu uns kommen. Denn neben dem von Herrn Silbersack in der damaligen Debatte richtig erkannten Risiko für die Zukunft unseres Landes - die AfD - sind es ganz konkrete integrationshemmende Regelungen und ein integrationserschwerendes Verwaltungshandeln, die ausländische Menschen daran hindern, sich hier zu beheimaten.
Sie wollen offensichtlich die Ausländerbehörden weiterhin als Ausländerabwehrbehörden aufstellen. Im Wirtschaftsausschuss haben Sie eine Beschlussempfehlung vorgelegt, welche die guten Lebens-, Arbeits- und Integrationsbedingungen als generelle Zielmaßgaben für unsere Landespolitik ausklammerte. Wenigstens diese zuwanderungsfeindliche Position konnte im Beratungsverlauf wieder gestrichen werden, und ich bin froh darum.
Ihre Beschlussempfehlung fokussiert allein auf die gezielte Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften. Sie sind weiterhin nicht bereit, auch die Menschen in den Blick zu nehmen, die aus anderen Gründen nach Sachsen-Anhalt gekommen sind, hier am Leben teilhaben und sich eben integrieren möchten. Es wäre entscheidend gewesen, die Landesregierung hier klar aufzufordern, Möglichkeiten z. B. im Bereich des Spurwechsels, bei der Ausbildungsduldung oder beim Vorgriff auf das Chancenaufenthaltsrecht des Bundes vollständig auszuschöpfen und betroffenen Menschen, die bereits im Land sind, eine Bleibeperspektive aufzuzeigen, so wie das z. B. heute in Baden-Württemberg geschehen ist. Dort hat die Landesregierung eine entsprechende Regelung vorgelegt. 20 000 Menschen profitieren davon und es ist ein Standortvorteil für Baden-Württemberg. Wir sorgen nicht dafür, dass dieser Standortvorteil für Sachsen-Anhalt auch zum Tragen kommt. Die Innenministerin könnte - müsste aus meiner Sicht - in diesem Bereich etwas tun. Das passiert nicht. Ich denke, hier fehlt etwas. Es fehlt Ihr Engagement als Koalitionsfraktionen.
All das, was ich beschrieben habe, unterlassen Sie. Sie versündigen sich damit an der Zukunft unseres Landes.
(Guido Kosmehl, FDP: Na, na, na!)
Deshalb lehnen wir Ihre Beschlussempfehlung ab. - Vielen herzlichen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Ulrich Siegmund, AfD: Ach, Herr Striegel!)