Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesen unterschiedlichen Debattenbeiträgen will ich es gern einmal mit ein bisschen Sachlichkeit probieren.

(Ulrich Siegmund, AfD: Das war sachlich!)

Meine Damen und Herren! Ich gebe zu: Als ich gehört habe, dass es zur Einsetzung einer Expertenkommission kommt, um zu erarbeiten, wie ein Preisdeckel für Gas und Wärme aussehen kann     Übrigens möchte ich an dieser Stelle einfach noch einmal etwas zur Aufklärung sagen: Die Verabredung zur Kommission war ein Teil der Verabredungen der Koalition zum Abwehrschirm am 29. September. Heute haben wir den 12. Oktober. Sie haben auch nicht nur in den letzten 35 Stunden verhandelt, sondern sie haben nach ihrer Konstituierung in mehreren Sitzungen verhandelt.

Ich gebe aber zu, dass ich am Anfang skeptisch war: Wird dabei überhaupt ein handhabbares Ergebnis herauskommen, wenn der Vorsitzende des BDI, der Vorsitzende der IG BCE und eine Wirtschaftsweise zusammentreten, die ja doch sehr unterschiedlich auf das Phänomen und die Problemlage schauen? Kommt dabei überhaupt etwas Handhabbares heraus? Gibt es überhaupt ein schnelles Ergebnis? - Wir haben auch schon Kommissionen erlebt, die sehr lange gebraucht haben, um einen Abschlussbericht oder auch einen Zwischenbericht vorzulegen.

Läuft man mit der Kommission nicht Gefahr, dass jeder Ansatz zerredet wird? Das habe ich mich gefragt, und ich weiß, dass ich in der Situation auch nicht die Einzige war, die diese Fragen im Kopf hatte.

Als vorgestern das Zwischenergebnis mit Empfehlungen der Kommission vorgestellt wurde, war ich sehr überrascht, und zwar ausgesprochen positiv überrascht. Das Mehrschrittmodell, das die Kommission vorgeschlagen hat, erfüllt die wichtigsten Anforderungen an einen wirksamen Preisdeckel. Er wirkt schnell, er wirkt nachhaltig, er hilft Bürgerinnen und Bürgern genauso wie der Industrie, er bezieht die Fernwärme mit ein und der Anreiz zum Energiesparen bleibt erhalten.

Wie der von der Kommission vorgeschlagene Gaspreisdeckel tatsächlich wirkt, ist manchen bislang verborgen geblieben, weil schon wenige Minuten nach der Veröffentlichung die ersten Falschmeldungen auf dem Markt waren. Auch heute klang das eine oder andere ein wenig schräg. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen, welche Kritik berechtigt ist und wo mit falschen Behauptungen gearbeitet wird. Es stimmt nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger erst ab März 2023 entlastet werden, wie ich es auch heute wieder hier von Frau von Angern gehört habe. Die Übernahme des gesamten - des gesamten! - Dezemberabschlages ist eine deutliche Entlastung,

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Andreas Silbersack, FDP)

die gerade vor Weihnachten für viele Familien eine echte Hilfe sein wird. Die Ankündigungen, die wir gestern lesen konnten, dass die Regierungsfraktionen im Bundestag - all das muss nämlich noch in Gesetze gefasst werden - auch darüber diskutieren, den Januar mit einzubeziehen - ebenfalls mit einer Übernahme des gesamten Abschlages  , ist ein richtiges Signal.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN! Man kann ja immer darüber streiten, ob eine Maßnahme ausreicht, ob der Adressatenkreis richtig zugeschnitten ist und vieles mehr. Aber die Übernahme der Gasrechnung für Dezember zu 100 % durch den Staat einfach unter den Tisch fallen zu lassen, ist unredlich.

Auch an dieser Stelle noch einmal ein Hinweis. In all diesen Debatten wurde keine der bisher geleisteten Unterstützungsmaßnahmen aufgegriffen: die Energiepauschale für Arbeitnehmer, die Energiepauschale für Studierende und Rentner, der Kinderbonus, der Zuschlag für Sozialhilfeempfänger und Hartz-IV-Empfänger, der Zuschlag für ALG-I-Empfänger, die Absenkung der Umsatzsteuer, die Abschaffung der EEG-Umlage und, und, und, und, und. All diese Maßnahmen in der heutigen Debatte weder mitzudenken noch zu nennen, ist tatsächlich unredlich. An der Stelle ist die Kritik falsch.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN, von Guido Heuer, CDU, und von Andreas Silbersack, FDP)

Es stimmt erst recht nicht, dass die Wirtschaftsunternehmen erst ab März vom Gaspreisdeckel profitieren. Denn für industrielle Gaskunden soll der Preisdeckel bereits zum 1. Januar 2023 greifen. Mit dem Mehrschrittverfahren tragen die Mitglieder der Kommission der Tatsache Rechnung, dass für eine Deckelung ab dem 1. März ein Vorlauf bei den Versorgungsunternehmen notwendig ist. Bei den Beratungen haben auch Vertreter des VKU mit am Tisch gesessen. Ich kann Ihnen deutlich sagen, dass Ihnen kein Stadtwerk der Welt sagen kann, wie viele Menschen in einer Wohnung vor der Heizung sitzen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Alle gesteuerten Maßnahmen zur Relativierung des Verbrauchs hinsichtlich der Personenanzahl in einem Haushalt brauchen einen Vorlauf.

Wenn man die Gesetzgebung noch mit einbezieht, dann ist der Zeitplan bis zum 1. März des nächsten Jahres verdammt ambitioniert. Man denke an dieser Stelle nur einmal an die Gesetzgebung in diesem Landtag, wo wir uneins sind. Es ist kein Geheimnis, dass in der Koalition nicht alle Dinge gemeinsam und in großer Einigkeit diskutiert werden. Man mag sich doch einmal vorstellen, wie lange wir für solch ein Gesetzespaket hier im Landtag brauchten. Der März nächsten Jahres wäre ganz deutlich ausgeschlossen.

(Zustimmung von Katrin Gensecke, SPD, und von Olaf Meister, GRÜNE - Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

- Das ist richtig. Das macht die Regierungskoalition, Frau von Angern. An dieser Stelle vor dem Hintergrund fehlender Daten und mit dem Wissen um parlamentarische Verfahren den 1. März als „alles viel zu spät“ zu kritisieren, halte ich aber für befremdlich.

Diese Regelung, nämlich der Rabatt beim Gaspreis für Kundinnen und Kunden, bremst nicht nur die Preisentwicklung, sondern sie deckelt die Preisentwicklung. Die Kosten werden dann jeweils für den Gasverbrauch des letzten Jahres zu 80 % übernommen. Warum? - Weil wir bei unserem Gasverbrauch - das wissen wir alle - tatsächlich auch ein Einsparziel nicht aus den Augen verlieren dürfen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden aber mit diesem Deckel tatsächlich vor weiteren Preisanstiegen geschützt und das ist gut so. Wer also seinen Gasverbrauch reduziert, der kann seine Kosten auf dem Niveau von September 2022 stabilisieren. Was für ein gutes und wichtiges Signal!

Meine Damen und Herren! Natürlich werden die Empfehlungen der Kommission nicht eins zu eins in politische Entscheidungen umgesetzt. Dafür gibt es Parlamente und dafür gibt es die Diskussion im Deutschen Bundestag. Genau an dieser Stelle wird sich noch einiges bewegen hinsichtlich der Abschlagszahlung im Januar. Das habe ich schon erwähnt.

Weiterhin muss aber auch geregelt werden, wie Mitnahmeeffekte verhindert werden und wie einer Subventionierung der höchsten Einkommensgruppen entgegengesteuert wird. Natürlich ist das eine Forderung und natürlich ist die richtig. Dafür schlägt die Kommission eine Versteuerung des Rabatts und eine Obergrenze für die staatliche Unterstützung vor. Beides ist wichtig, aber es ist absehbar, dass bis dahin noch ein komplizierter Gesetzgebungsprozess ansteht. Zudem müssen wir darauf achten, dass die Entlastung bei Mieterinnen und Mietern, die keinen eigenen Versorgungsvertrag haben, tatsächlich in Echtzeit ankommt. Auch das muss gesetzlich geregelt werden.

Ergänzend zum Gaspreisdeckel - das sollte man an dieser Stelle bitte nicht aus dem Auge verlieren - brauchen wir den Strompreisdeckel. Über das Zustandekommen des Strompreises und über das Merit-Order-Prinzip haben wir schon mehrfach etwas gehört, auch heute wieder. Deshalb brauchen wir auch in dem Bereich eine Deckelung des Preises.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Bundesregierung all diese Maßnahmen, auch diese ambitionierten Maßnahmen schnell und koordiniert auf den Weg bringt. Auch wenn manche den Begriff infantil finden, sage ich ganz ehrlich: Doppelwumms heißt an dieser Stelle Doppeldeckel. Das ist notwendig.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Was heißt das?)

- Doppelter Deckel.

(Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft entlasten, Energieverbrauch senken und umsteuern auf eine unabhängige Versorgung mittels erneuerbarer Energien - dieser Dreischritt ist die richtige Antwort auf den Wirtschaftskrieg, mit dem Putin die Solidarität der Europäerinnen und Europäer mit dem ukrainischen Volk zu untergraben versucht. Ganz ehrlich, Herr Siegmund: Es ist doch der Kern all Ihrer Diskussionen, immer wieder auf Ihre Forderung zurückzukommen, Sanktionen aufzuheben.

(Ulrich Siegmund, AfD: Genau!)

By the way: Energielieferungen aus Russland sind nicht sanktioniert. Die Energielieferungen aus Russland könnten, übrigens auch von der Deutschen Bundesregierung bezahlt, ankommen. Herr Putin liefert nur nicht.

(Ulrich Siegmund, AfD: Warum nicht? - Weitere Zurufe von der AfD)

- Genau: Warum nicht? - Weil er sich in einem Krieg befindet und komischerweise nicht verstehen kann, dass die internationale Staatengemeinschaft auf diesen Krieg nicht mit „ist uns doch egal“ reagiert, sondern mit harten Sanktionen.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Ich glaube, das ist der einzig richtige Ansatz.

(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)

- Ja, aber nicht auf Energie.

(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)

- Nein, Herr Siegmund! Sie hören nicht zu! Die Energielieferungen sind nicht Teil des Sanktionspaketes.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Sanktioniert werden z. B. internationale Finanztransfers. Es sind Konten beschlagnahmt worden. Es sind Lieferungen im Bereich von Gütern sanktioniert worden. Aber die Energielieferungen unterliegen keiner Sanktion. Es ist einfach falsch und Quatsch, was Sie erzählen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Florian Schröder, AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Dr. Pähle.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Natürlich geht es Ihnen um alle Sanktionen, die    


Vizepräsident Wulf Gallert:

Stopp. Frau Dr. Pähle, wir haben folgendes Problem, das ich jetzt allen anderen erklären muss: Es gibt heute eine besondere Herausforderung. Nicht nur steht die Uhr, die ja mitläuft, für alle auf dem Kopf, sondern außerdem hatten wir jetzt zweimal eine Fehlschaltung, was die Zeit anbelangt. - Frau Dr. Pähle, Sie haben jetzt Ihre Redezeit schon ausgeschöpft. Da Sie das aber nicht wissen konnten,


Dr. Katja Pähle (SPD):

Darf ich noch einmal kurz?


Vizepräsident Wulf Gallert:

dürfen Sie jetzt noch zwei Sätze sagen. Dann ist aber Schluss und danach kommen wir noch zu Fragen.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Wir kommen noch zu Fragen. Das sehe ich auch so.

Eines muss uns ganz klar sein im Bereich der Energieversorgung für die Zukunft. Wir haben auch an dieser Stelle viel vor uns. Denn egal, wie wir es drehen und wenden: Die Preise für Öl und Gas werden sicherlich nie wieder auf dem Niveau wie vor dem russischen Angriffskrieg liegen. Deshalb ist es gut, an dieser Stelle auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen. Und - das ist der letzte Satz, Herr Präsident - langfristig ist die Nutzung insbesondere von Atomkraft für uns kein Weg, der Erfolg verspricht. Die hohen Gasverstromungsansätze in diesem Sommer hatten ihre Ursache darin, dass wir Frankreich, in dem 50 % der AKW ausgefallenen waren, mit Strom zu versorgen hatten. Das war die Ursache dafür. Mit anderen Worten: Aus unterschiedlichsten Gründen ist das perspektivisch eine sehr, sehr unsichere Energieversorgung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Hendrik Lange, DIE LINKE)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Das war ein etwas längerer letzter Satz. Jetzt hat Herr Kollege Gebhardt eine Frage. Wollen Sie diese beantworten?


Dr. Katja Pähle (SPD):

Ich kann es versuchen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Na dann mal los, Herr Gebhardt.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Katja Pähle,

(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)

ich habe eine Differenz zwischen Ihnen und dem Minister Willingmann festgestellt und wollte versuchen, diese vielleicht aufzulösen. Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt, dass Sie es unredlich finden, wenn man das Entlastungspaket und die Gaspreisbremse, die erst ab März kommen soll, als zu spät bezeichnet. Sie haben dabei auf parlamentarische Prozesse usw. verwiesen. Der Herr Minister hat vorhin deutlich gesagt - so habe ich ihn zumindest verstanden  , dass er eine Einmalzahlung im Dezember für unzureichend hält und dass man auch den Januar und den Februar in den Blick nehmen sollte. Bei dieser Position von Herrn Willingmann hat meine Fraktion applaudiert, weil es auch unsere Position ist.

Ich möchte Sie jetzt fragen, ob Sie die Position von Herrn Willingmann teilen, dass es eben doch unzureichend ist, wie es bisher vorgelegt wurde und dass man durchaus auch den Januar und den Februar für eine Einmalzahlung in den Blick nehmen sollte.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Sehr geehrter Kollege Stefan Gebhardt,

(Lachen bei allen Fraktionen)

leider haben Sie nicht vollständig zugehört. Der Grund mag sein, dass es dort drüben ein bisschen laut war. Ich habe deutlich gesagt - so hat sich gestern auch der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich geäußert  , dass im parlamentarischen Verfahren auch über den Januar diskutiert wird. Darin sind wir uns einig und darin bin ich auch mit Minister Willingmann einig. Ich habe Ihrer Fraktion aber vorgeworfen, dass Sie, bei allem Verständnis für die Aussage „wir müssen über den Januar reden, vielleicht auch über den Februar“, in Ihrer Argumentation immer nur darauf hingewiesen haben, dass die Entlastung erst im März kommt.

(Zuruf von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

- Das stimmt nicht.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wir machen jetzt aber kein Zwiegespräch daraus. Lassen Sie bitte Frau Dr. Pähle zu Ende sprechen.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Denn man kann, wie gesagt, über den Adressatenkreis, die Höhe und all diese Punkte streiten, aber die Übernahme von 100 % der Kosten im Dezember ist auf keinen Fall ein Nichts. Das darf man würdigen - auch als Opposition.

(Zuruf)

- Natürlich der Januar.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wir sind am Ende des Redebeitrages angelangt und es gibt keine weiteren Fragen mehr; denn diese müssten vom Mikro aus gestellt werden.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Schade.

(Zustimmung bei der SPD)