Dr. Katja Pähle (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Kollegen und Kollegen! Wir alle schauen mit großer Sorge auf die Unterrichtsversorgung im Land und auf die vielen unbesetzten Lehrerstellen. Es geht schließlich um die Bildungswege unserer Schülerinnen und Schüler und um die beruflichen Perspektiven unserer Kinder. Die fehlenden Pädagogen bedeuten auf der einen Seite natürlich weniger Unterricht und auf der anderen Seite für die Kolleginnen und Kollegen einen zunehmend verdichteten Arbeitsalltag an den Schulen. Dass das nicht förderlich ist, ist, glaube ich, jedem sofort einsichtig.
Ja, die Situation ist unbefriedigend. Wenn wir ehrlich sind - Ministerin Feußner hat dies in einem Interview mit der „Volksstimme“ bereits angedeutet , dann wissen wir, wir steuern auf die schlechteste Unterrichtsversorgung des Landes zu, aber, ganz ehrlich, hauptsächlich an den Gemeinschafts- und Sekundarschulen, aber längst nicht mehr nur dort.
Ich war letztens bei einem Bürgergespräch in Weferlingen, wo seit zwei Schuljahren an einem Gymnasium regelhaft der Physik- und der Chemieunterricht ausfallen. Er wird gar nicht erteilt, an einem Gymnasium. Wenn an dieser Stelle die Antwort insbesondere beim Thema Abordnung aus dem Landesschulamt ist, es gibt keine Anträge auf Abordnungen und deswegen gibt es insbesondere für Physik keine positive Perspektive, dann ist das schlimm und blockiert tatsächlich die Bildungschancen unserer Kinder.
Wir können hier im Hohen Haus weiter ein Klagelied anstimmen und, ja, es ist auch berechtigt , wie schlimm alles ist, und nach vermeintlichen Schuldigen suchen oder wir machen uns gemeinsam auf den Weg nach praktikablen Lösungen. Die Kollegen der GRÜNEN und der LINKEN haben heute ihre Vorschläge auf den Tisch gelegt. In beiden Anträgen sind Ansätze, über die wir diskutieren müssen, die man nicht vom Tisch wischen kann, wenngleich beide Anträge Teile enthalten, die bereits in der Umsetzung sind.
Einige Vorschläge, insbesondere der GRÜNEN, sind im Übrigen nur schwer mit dem derzeit geltenden Tarif- bzw. Besoldungsrecht zu vereinbaren. Sonderzuschläge für schwer besetzbare Stellen werden bereits seit einigen Jahren gezahlt. Trotzdem führt dieses Verfahren nicht automatisch zum Erfolg - wobei ich die Schwelle beim zweiten Mal gar nicht als die große Hürde ansehe; denn die Bewerber, die sich auf diese Stelle mit Zuschlag bewerben, wissen ja nicht, dass die Stelle vorher schon einmal ausgeschrieben wurde.
Die „Volksstimme“ berichtete gestern, dass von 944 Stellen allein 449 ohne Bewerbung blieben und von 174 mit Zuschlägen 102. Allein mit mehr Geld wird das Problem also nicht zu lösen sein. Uns fehlen einfach Hände und Köpfe.
Die Ankündigung des Bildungsministeriums, ähnlich wie bei den Ärzten ein Stipendienprogramm aufzulegen, halten wir für sinnvoll. Das ist ein Weg in die richtige Richtung.
Eine nicht hilfreiche Vorstellung - das will ich auch ganz deutlich sagen - in dem Antrag der Fraktion der LINKEN ist eine schärfere Studienreglementierung. Ich weiß, Herr Kollege Lippmann, dass wir beide auf unterschiedlichen Ansätzen beharren und, ich glaube, bei uns beiden wenig Bewegung ist - das gebe ich gern für mich zu. Die Einschränkung der Studienwahlmöglichkeiten für Studierende wird nicht dazu führen, dass ich aus jemandem, der sprachlich begabt ist, einen Mathe- und Physiklehrer mache.
(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Das stimmt!)
Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Was ich hinbekomme, ist, ihm zu sagen, in Sachsen-Anhalt kannst du nicht studieren, was du möchtest, und ihm gleichzeitig noch weiter die Tür zu öffnen, um nach Leipzig, Berlin, Dresden oder Hannover zu gehen. Das ist der falsche Weg.
Wenn Sie bemängeln, dass 5 % das Lehramt anwählten, dann sage ich Ihnen, Herr Kollege Lippmann, dieses Problem der fehlenden Bereitschaft von Abiturienten, Lehramt zu studieren, lösen wir nicht durch eine Ausweitung von Studienkapazitäten. Das hat etwas mit der Attraktivität des Berufes zu tun, insbesondere auch mit der öffentlichen Anerkennung.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)
Auch wenn ich jetzt viele Seiten meines Skripts wegpacken muss, noch ein Hinweis: Jeder Einzelne hier im Plenarsaal möge sich einmal als Elternteil prüfen, ob er, wenn sein Kind mit einer schlechten Note zu Hause angekommen ist, nie den Satz auf den Lippen hatte: Das hat dir der Lehrer nur nicht richtig erklärt. Genau an diesen Stellen hapert es an der Attraktivität des Lehrerberufes. Das werden wir mit Maßnahmen, es bei der Auswahlmöglichkeit zu verengen bei gleichzeitiger Ausweitung der Studienkapazitäten, nicht auflösen.
Ein wichtiger Punkt ist - mein letzter Satz, Herr Präsident , tatsächlich zu zeigen, dass wir den Lehrermangel auch vor dem Hintergrund einer ungleichen Bezahlung ernst nehmen, wie es die Ministerin geäußert hat, und tatsächlich darüber zu reden, für das Grundschullehramt ein Gehalt nach E 13/A 13 zu zahlen. Vielleicht bekommen wir es in dieser Legislaturperiode hin, wenigstens in einem Modellstudiengang die Stufenlehrerausbildung hinzubekommen, damit wir tatsächlich Lehrer für eine bestimmte Altersstufe haben, aber nicht für die Sekundarschule und für das Gymnasium. Sie können an beiden Schulformen eingesetzt werden. Das sind Maßnahmen, denen wir uns zuwenden sollten. Darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren. - Vielen Dank.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Also, im Schachtelsatz sind Sie gut, aber Sie bekommen die Möglichkeit zu antworten. - Herr Lippmann, bitte. Das ist eine Intervention?
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Ja. Auf zwei Aussagen muss ich natürlich kurz reagieren.
(Matthias Redlich, CDU: Nein!)
Zum einen wissen Sie genau, dass wir diese Fächersteuerung längst hatten und dass es längst vorgeschlagen worden ist - es ist ja keine Idee von uns, sondern nur die Bekräftigung, dass es gemacht werden muss - und dass der Widerstand in der MLU und auch im Wissenschaftsministerium einfach überwunden werden muss,
Dr. Katja Pähle (SPD):
Nein.
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
weil er nicht adäquat ist.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Doch.
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Es geht nicht darum, aus einem sprachlich Begabten einen Mathematikstudenten zu machen, sondern darum, dass sich die Fächerkategorie B von der Fächerkategorie A unterscheidet. In der Fächerkategorie A sind alle Langfächer, Kernfächer. Naturwissenschaften brauchen wir ohne Ende. Dabei kann man alles miteinander kombinieren. In der Fächerkategorie B sind die Kurzstundenfächer, die wir wenig bis gar nicht brauchen. Nur diese kann man nicht miteinander kombinieren. Das ist ein geringer Anteil. Die Analysen gibt es, dass es ein geringer Anteil
(Frank Bommersbach, CDU: Zwei Minuten!)
der jetzigen Studenten ist.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Lippmann!
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Ich bin sofort fertig. - Also, das wird einen ganz geringen Anteil von Studierenden vielleicht nicht im Land halten, aber das sind auch welche, die wir hier im Land überhaupt nicht brauchen, mit ihrer Kombination, wenn sie unbedingt in dieser Kombination studieren wollen. Das bringt uns nicht um, sondern es bringt uns weiter, weil wir eine Orientierung auf die Fächer haben, die wir brauchen, und die Leute dann auch einsetzen können.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. Die Frage habe ich jetzt zwar nicht gehört.
(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Das war eine Intervention!)
- Okay.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Aber ich kann antworten? Das möchte ich gern tun.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ja, Sie können antworten. Sie können dann auch noch auf Herrn Heuer antworten.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Geschätzter Kollege Lippmann, die Aussage, die brauchen wir nicht im Land, halte ich für falsch. Wir haben ja auch die Situation, dass wir froh sind über jeden, der grundständig Lehramt studiert hat, auch wenn er vielleicht nicht das Fach unterrichtet, in dem er ausgebildet worden ist.
Ich kenne selber junge Menschen, die sich das vornehmen, die katholische Theologie mit Sozialkunde kombiniert haben. Dazu hätte ich am Anfang auch gesagt, lass es lieber, das wird schwierig, weil in dem einen Fach so viele sind und die katholische Religion doch eher marginal gesät ist, aber sie sind Lehrer und auch vom inneren Kern her Lehrer, und auf diese möchte ich nicht verzichten. Ich möchte, dass jeder, der hier Lehramt studieren möchte, die Möglichkeit hat, einen Studienplatz zu finden, und nicht gesagt bekommt, das, was dich interessiert, wollen wir hier aber nicht. Ich halte das Signal einfach für falsch.
(Zustimmung bei der SPD)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Heuer.
Guido Heuer (CDU):
Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kollegin Pähle, wir haben uns beide schon mehrfach über das Thema Bildung ausgetauscht. Erst einmal haben meine Eltern nicht gesagt, wenn ich eine schlechte Note nach Hause gebracht habe, dass mir das der Lehrer schlecht erklärt hat. Sie haben eher gefragt: Guido, hast du nicht richtig aufgepasst? - Das ist Punkt 1.
Punkt 2: Die ganze Gemengelage, hier per se immer nur über Geld und Gehälter zu reden und über Angleichung, das halte ich persönlich für falsch. Dass unser Bildungssystem de facto im Moment nicht funktioniert, das muss man einfach so deutlich feststellen. Das ist eine Gemengelage aus vielen Dingen: Horte zurück an die Schulen, Zielvereinbarungen. Beim Lehramt gebe ich Ihnen recht, Schwerpunkt Didaktik. Beurteilung von Quereinsteigern, die gute Arbeit machen, dabei haben wir auch ein Problem in der Besoldung, rein von der Einstufung her. Auch das haben wir. Das sind Dinge. Wir haben das Thema Ganztagsgrundschulen vor der Brust.
Das heißt doch unter dem Strich nichts anderes, als dass wir einen großen Wurf brauchen. Wir haben auch vereinbart, dass wir uns darüber kurzfristig unterhalten, um neue Dinge voranzutreiben.
Wir müssen endlich einsehen, dass man nicht alles nur mit Geld heilen kann, sondern dass wir an unsere Strukturen heranmüssen, bis hin zum Landesschulamt, um das klar und deutlich zu sagen.
(Zustimmung bei der CDU)
Wenn wir das nicht hinbekommen, dann tragen wir diese Monstranz ganz locker bis Mitte der 2030er-Jahre vor uns her.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Sehr geehrter Kollege Heuer, an vielen Stellen sind wir dabei gemeinschaftlich unterwegs.
(Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU)
Ja, ich glaube, es muss an vielen Stellen angepackt werden und es bedarf auch Veränderungen - ohne Frage. Aber der Streit um A 13/E 13 ist kein Reflex, Bedarfe immer nur mit Geld zu bedienen. Denn um uns herum haben alle anderen Bundesländer die Besoldung von Lehrkräften angehoben. Wir sind mit Blick auf die Bundesrepublik aktuell tatsächlich, zumindest im nord- und mitteldeutschen Raum, das gallische Dorf.
(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja, aber nicht im guten Sinne wie bei Asterix!)
Ich sage Ihnen ganz deutlich: nicht im guten Sinne. Der Weg nach dem Studium aus Halle - andere Aspekte spielen dabei auch eine Rolle - nach Leipzig, wo ich die A 13/E 13 bekomme, ist so verdammt kurz, dass es an dieser Stelle nicht nur ein Reflex ist, sondern tatsächlich, wenn wir auf der Position bleiben, ein absoluter Wettbewerbsnachteil beim Kampf um Grundschullehrkräfte, nicht nur in Halle, sondern im ganzen Land.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Wir machen das nachher bilateral.