Wulf Gallert (DIE LINKE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses extrem schwierige Thema in einer Dreiminutendebatte zu behandeln, ist schon eine Zumutung an sich, nach der Einbringungsrede von Herrn Tillschneider, die erwartbar gewesen ist, ebenso. Ich will es trotzdem versuchen, weil das auf einer bestimmten Ebene wohl ein sehr kompliziertes Thema ist. Ich habe schon an verschiedenen Stellen gesagt, dass der Krieg, in dem wir uns befinden, ein verbrecherischer Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist, ein Bruch des Völkerrechts. Wer das Völkerrecht ernst nimmt, der kann das nicht unkommentiert hinnehmen.

Herr Tillschneider hat noch einmal ganz klar gesagt: Uns geht das nichts an, Hauptsache, wir bekommen billiges Gas.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Das ist seine Position, ganz klar. Ich weiß auch, dass es wahrscheinlich in der ostdeutschen Bevölkerung ein nicht geringer Anteil ist, der das so sieht.

(Unruhe)

Aber ich sage noch einmal ganz klar: Ich finde das dezidiert falsch. Wenn man überhaupt noch in irgendeiner Art und Weise einen moralischen Anspruch an sich selbst stellen kann, dann kann man eine solche Position nicht einnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das ist jetzt einmal parteiübergreifend.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn man sich aber positioniert und solidarisch mit den Opfern zeigt, verlangt das dann zwingend - das ist jetzt die Frage  , dass man Waffenlieferungen befürwortet? Dazu sagen wir als Partei ganz klar: Nein! Wir sagen ausdrücklich, dass es Alternativen geben muss, die diesen Krieg beenden, und d. h., dieser Krieg muss dadurch beendet werden, dass der Aggressor dazu gezwungen wird, sich zurückzuziehen.

Jetzt gibt es hier im Haus die Mehrheitsposition, die besagt: Das kann man nur mit möglichst viel Waffenlieferungen an die Ukraine machen. Dazu sage ich: Eine solche Position kann man vertreten, eine solche Position wird auch diskutiert. Das Problem ist nur: Wir sehen, dass das nicht funktioniert. Wir sehen, dass wir es ganz offensichtlich mit einem sich verfestigenden Stellungskrieg zu tun haben, der, wie Frau Baerbock selbst vermutet, über Jahre gehen wird. Das ist eine Alternative, die man möglicherweise mit permanent mehr Waffenlieferungen erreichen kann, die aber im Endeffekt, glaube ich, auch inakzeptabel ist.

Deshalb ist es unsere Position, uns darauf zu konzentrieren, zu versuchen, die russische Aggression aus der Perspektive von Russland so unattraktiv wie möglich zu machen. Deshalb haben wir das aufgeschrieben; das ist unsere Alternative zu Waffenlieferungen.

Jetzt will ich noch einmal etwas zu der Geschichte sagen, dass gerade die Türkei ein so attraktiver Verhandlungspartner ist, weil sie keine Waffen liefert. - Das ist Blödsinn. Die Türkei ist gerade deshalb ein so attraktiver Verhandlungspartner, weil die Türkei ein Waffenexporteur sowohl an Russland als auch an die Ukraine ist.

(Zuruf von der AfD)

Ich glaube, das ist keine wirkliche Alternative, wenn man von einer grundsätzlich normierten moralischen Position ausgeht.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir solidarisch mit den Opfern dieser Aggression in der Ukraine, aber wir treten für Alternativen zu Waffenlieferungen ein.

Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab und haben einen Alternativantrag vorgelegt. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Roi, Sie haben sich gemeldet? Eine Frage? - Herr Gallert, lassen Sie die Frage von Herrn Roi zu?


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Nein.