Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Dr. Grube, für Ihren Redebeitrag. - Ich sehe keine Fragen oder Interventionen, sodass ich jetzt Herrn Prof. Dr. Willingmann in Vertretung für Frau Ministerin Grimm-Benne an das Mikrofon bitten möchte.


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ein letztes Mal trete ich vor Sie, 

(Zuruf: Ach so?)

um in Vertretung von Kollegin Grimm-Benne, die nach wie vor die Gesundheitsministerkonferenz    

(Lachen und Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Guido Kosmehl, FDP: Aber nur heute! - Weitere Zurufe)

- In dieser Sitzungsperiode, Herr Kosmehl; achten Sie darauf.

(Zustimmung bei der CDU)

Attraktive Lebens- und Einkommensbedingungen in Sachsen-Anhalt bei angemessenen Kostenstrukturen sind wesentliche Voraussetzungen, um gut qualifizierte Fachkräfte dauerhaft im Land zu halten und für das Land zu gewinnen. Ein wichtiges Ziel der Landesregierung ist deshalb die Schaffung von attraktiven sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und der politische Einsatz für eine faire Ordnung auf dem Arbeitsmarkt.

Bereits die uns jüngst vorgelegten Ergebnisse der Arbeitgeberbefragung 2021 des IAB-Betriebspanels weisen auf eine deutliche Verbesserung der Einkommensverhältnisse der Beschäftigten im Lande hin. So betrug im Jahr 2021 der monatliche Bruttodurchschnittsverdienst für Vollzeitbeschäftige in Sachsen-Anhalt über alle Branchen und Betriebsgrößen hinweg rund 3 030 €. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Arbeitseinkommen damit um 9 % erhöht. Sachsen-Anhalts Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen 88 % des vergleichbaren Durchschnittslohns in Westdeutschland. Im Vorjahr waren es noch 84 %. Damit verringert sich die Lohnlücke.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anständige und faire Löhne können viel dazu beitragen, die steigende Preisentwicklung hier im Land abzufedern. Die nunmehr im Oktober kommende Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 € und in der Perspektive seine weitere dynamische Anpassung   das wurde gerade schon angesprochen   stellen dabei einen wichtigen Schritt dar. Derzeit liegt der Mindestlohn noch bei 9,82 € brutto. Zum 1. Juli steigt er auf der Grundlage von Berechnungen der Mindestlohnkommission auf 10,45 € und zum 1. Oktober auf die beschlossenen 12 € brutto je Stunde.

Bundesweit ist davon auszugehen, dass aktuell noch etwa 6,2 Millionen Beschäftigte für einen Stundenlohn von weniger als 12 € arbeiten. Ohne Zweifel bedeutet die kürzlich beschlossene Mindestlohnerhöhung auch für Hunderttausende von Menschen in Sachsen-Anhalt eine erhebliche Verbesserung der Einkommenssituation. Die Abg. Pähle hat soeben darauf hingewiesen. 

Allein bei uns im Lande werden voraussichtlich etwa 215 000 Arbeitnehmende

(Ulrich Siegmund, AfD: Arbeitnehmende!)

davon profitieren. Von der Erhöhung werden zunächst jene Beschäftigten begünstigt, die nur über geringe durchschnittliche Bruttomonatsverdienste verfügen. So gibt es allein in Sachsen-Anhalt schon mehr als 157 000 Geringverdiener, 

(Zuruf von der AfD: Geringverdienende!)

die in Vollzeit arbeiten. Hiervon besonders betroffene Branchen sind der Handel, das Gastgewerbe, das Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch der Verkehr und die Logistik sowie die Land- und Forstwirtschaft. So zeigten bereits die Erhebungen des IAB-Betriebspanels aus dem Jahr 2020 auf, dass in Sachsen-Anhalt 36 % der Betriebe aus dem Bereich Handel und Reparatur und weitere 29 % aus den übrigen Dienstleistungen von der Mindestlohnerhöhung vom 1. Januar 2020 profitierten.

Da der gesetzliche Mindestlohn erwartungsgemäß aber auch Auswirkungen auf die darüber liegenden Lohngruppen haben wird, werden noch viele weitere Menschen indirekt von der Erhöhung des Mindestlohns profitieren. Die höheren Lohngruppen werden aufgrund des Lohnabstandgefüges beeinflusst. Denn steigt der Mindestlohn, müssen auch die darüber liegenden Lohngruppen angepasst werden.

Es ist zwar angesichts der derzeit hohen Inflationsrate zu befürchten, dass von den 1,55 €, die bei dem gesetzlichen Mindestlohn obendrauf kommen, nicht viel im Portmonee der Beschäftigten verbleibt. Dennoch helfen die Steigerung des Mindestlohns und die dadurch indirekt bewirkten Gehaltssteigerungen deutlich, die rapide gestiegenen Lebenshaltungskosten abzufedern. Sie kommt damit genau zur richtigen Zeit.

Eng mit diesen Fragen der Lebens- und Einkommensentwicklung ist ein weiteres Betätigungsfeld der Arbeitsmarktpolitik des Landes verknüpft. Mit der Ansiedlung von Intel, die gerade von dem Abg. Grube beschrieben wurde, und anvisierten weiteren Investitionen   auch die Energiewende betreffend  , werden sich in unserem Land die Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation verändern. Das wird wiederum unmittelbare Auswirkungen auf die Fachkräftesicherung haben. Davon werden, wie in der Begründung zur heutigen Debatte erwähnt, Beschäftigungs- und Einkommensstrukturen nachhaltig beeinflusst. Die hierbei zu erwartenden positiven, weil zukunftsorientierten Impulse werden bis in die mittelständischen Wirtschaftsstrukturen Sachsen-Anhalts hineinreichen.

Vor diesem Hintergrund arbeitet die Landesregierung bereits seit mehreren Jahren daran, angemessene Unterstützungsangebote für die Unternehmen des Landes zu entwickeln, um sie bei der Fachkräftesicherung, der Fachkräftegewinnung und der Fachkräfteentwicklung zu unterstützen.

Hervorheben möchte ich   möchte Kollegin Grimm-Benne  

(Lachen bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

an dieser Stelle unsere bewährten Programme zur beruflichen und betrieblichen Weiterbildung, aber auch die Aktivitäten im Rahmen unserer Landesinitiative „Fachkraft im Fokus“. Über „Fachkraft im Fokus“ sind in den letzten Jahren bereits mehr als 2 000 Unternehmen zur Frage der Weiterbildung, der Personalentwicklung und der beschäftigtenorientierten Arbeitsgestaltung beraten und bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen begleitet worden. Über das Welcome-Center Sachsen-Anhalt wurden fast 200 weitere Unternehmen unterstützt. Knapp einhundertmal konnten wir unser Landessiegel „Das mitarbeiterorientierte Unternehmen“ vergeben.

Im Rahmen unserer Weiterbildungsprogramme wurden in den letzten beiden Jahren ebenfalls rund 2 000 betriebliche Vorhaben für knapp 10 Millionen € finanziell gefördert. Rund 6 000 Beschäftigte konnten davon profitieren.

Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen beabsichtigen wir, die Umsetzung der Landesinitiative „Fachkraft im Fokus“, das Welcome-Center sowie die Förderung der betrieblichen Weiterbildung auch in den kommenden Jahren fortzusetzen. Denn mit dem Strukturwandel, der Energiewende und etlichen avisierten Großinvestitionen werden die auf die Themen Weiterbildung, gute Arbeit, Arbeitgeberattraktivität, Mitbestimmung und Tarifpartnerschaft zielenden Unterstützungsangebote noch einmal erheblich an Bedeutung gewinnen - auch deshalb, weil sich die Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation weiter verändern werden.

Ich komme zum Ende. Unser wichtigstes Ziel und unsere größte Aufgabe werden darin bestehen, die inländischen und ausländischen Fachkräftepotenziale für die Unternehmen im Lande insgesamt besser erschließbar zu machen.

(Tobias Rausch, AfD: Das stimmt!)

Es gilt, Unternehmen wie Fachkräfte bei der Bewältigung der Herausforderungen des durch Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung indizierten Strukturwandels gut zu begleiten und zu unterstützen. Gute Arbeit und Arbeitgeberattraktivität, also eine systematische Personalentwicklung, wertschätzende beteiligungsorientierte Personalpolitik sowie faire Entlohnung, sind nach meiner Auffassung die zentralen Ansatzpunkte, um für unser Land eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Es geht um tragfähige Perspektiven, bei denen die Menschen mitgehen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)