Tagesordnungspunkt 14
Beratung
Soziale und wirtschaftliche Folgen des Ölembargos in Ostdeutschland abfedern
Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1288
Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1313
Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1330
Alternativantrag Fraktion AfD - Drs. 8/1336
(Unruhe)
Wenn Sie so unkonzentriert sind, kommen Sie nicht mit. - Die Einbringung übernimmt das Mitglied des Landtags Frau Eisenreich. - Bitte Sie haben das Wort.
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Menschen in Sachsen-Anhalt schauen seit vergangenem Jahr mit großer Sorge auf die steigenden Preise für Strom, Gas und Kraftstoffe. Inzwischen haben durch die hohen Energiepreise fast alle anderen Bereiche nachgezogen. Das gilt insbesondere für Lebensmittel.
Und mit dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine gehen die Preise weiter durch die Decke. So stieg die Inflationsrate im Mai inzwischen auf 7,9 %. Verbraucher*innen können sich viele Lebensmittel, aber auch Energie schlichtweg nicht mehr leisten und müssen sich auf das Nötigste beschränken.
(Unruhe)
Die von der Bundesregierung beschlossenen bisherigen Hilfspakete können dies überhaupt nicht ausgleichen; dabei wurden auch noch ganze Bevölkerungsgruppen wie die Rentner*innen einfach vergessen.
Die Auswirkungen auf die Menschen in Sachsen-Anhalt, aber auch in den anderen ostdeutschen Flächenländern sind bereits immens, da die durchschnittlichen Einkommen auch nach mehr als 30 Jahren der Wiedervereinigung immer noch geringer sind. Gleichzeitig liegen aber die Preise zum Teil höher als in den westdeutschen Bundesländern.
Wenn nun das Ölembargo gegen Russland von der Europäischen Union umgesetzt wird, wird Ostdeutschland erneut stärker betroffen sein. Es drohen Preissprünge bei Energie und Lebensmitteln. Die Inflationsrate wird weiter steigen und die sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen werden in Anbetracht der geringeren Einkommen noch größer.
Immerhin hat auch die Riemser Erklärung des Bundeskanzlers und der Regierungschef*innen der ostdeutschen Bundesländer dies am 13. Juni dieses Jahres so festgestellt. Doch bei einer reinen Feststellung darf es, meine sehr geehrten Damen und Herren, einfach nicht bleiben, sondern hier muss die Politik konkret handeln.
Aufgrund der Erfahrungen mit den Transformationsprozessen der ostdeutschen Wirtschaft in den 90er-Jahren können die Menschen sehr gut einschätzen, welche Folgen Importeinschränkungen für Gas und Öl aus Russland für Wirtschaftsstandorte der chemischen und petrochemischen Industrie in Ostdeutschland; wie z. B. Leuna, Piesteritz und Schwedt, haben. Diese haben sich bewusst über Jahrzehnte hinweg einseitig von russischem Öl und Gas abhängig gemacht.
(Unruhe)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ich glaube, etwas mehr Konzentration würde uns nicht schaden.
Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):
Das war ein riesiger Fehler, wie sich jetzt zeigt. Nun drohen erneut Arbeitsplatzverlust und Teuerungsraten, weil die Alternativen zu russischem Öl und Gas nur zu enorm gestiegenen Preisen zu beschaffen sind.
Andererseits haben die Transformationserfahrungen ein großes Potenzial, das es zu nutzen gilt, meine sehr geehrten Damen und Herren, um die aktuellen Herausforderungen von Klimakrise, Decarbonisierung der Wirtschaft, Digitalisierung und darüber hinaus der Coronapandemie und dem russischen Angriffskrieg zu bewältigen.
Doch bisher können die Menschen im Land nicht erkennen, dass ihre Transformationsleistungen der 90er-Jahre bundesweit entsprechend Anerkennung finden.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Das führt aber eben dazu, dass die Angst vor neuerlichen Transformationserfordernissen überwiegt. Daher ist es unserer Auffassung nach sehr wichtig, dass diese Leistungen endlich auch auf der Bundesebene Anerkennung finden.
Kurzfristig müssen aber die sozialen und wirtschaftlichen Folgen, die durch die Teuerungen wegen des Ölembargos gegen Russland auf die Menschen zukommen, abgefedert werden. Damit erneuern wir unsere Forderungen nach einem kostengünstigen und bezahlbaren Grundkontingent für Strom und Heizen.
Denn selbst das Vergleichsportal „Verivox“ hat festgestellt, dass z. B. Heizen in Ostdeutschland nicht nur deshalb für die Verbraucher*innen teurer ist, weil viele Wohnungen und Häuser noch nicht energetisch saniert sind und der Bedarf dadurch höher ist, sondern dass die Preise auch tatsächlich um ein ganzes Stück höher sind als in den alten Bundesländern.
Die Preisunterschiede zwischen Ost und West führen dazu, dass Haushalte in den ostdeutschen Bundesländern rund 440 € pro Jahr mehr für Gas bezahlen. Damit liegen sie 15,8 % über den Kosten in den westdeutschen Bundesländern. Die Einkommen dagegen können damit längst nicht mithalten.
Das trifft natürlich alle Menschen, die Grundsicherungsleistungen erhalten, besonders hart. Deshalb greifen wir mit unserem Änderungsantrag die Forderung nach einer bedarfsdeckenden Strom- und Heizkostenpauschale der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus deren Änderungsantrag in der Drs. 8/1313 auf und wollen damit unseren Antrag ergänzen. Diese Forderung ist im Übrigen auch nicht neu. Unter anderem mit unserem Antrag vom Februar dieses Jahres haben wir dies ebenfalls bereits eingefordert.
Für weitere Entlastungen soll ein sozial gerechtes Klimageld sorgen. Auch in einer gemeinsamen Erklärung des Paritätischen Gesamtverbandes und des BUND von Mai dieses Jahres wird ein einkommensabhängiges Klimageld gefordert. „Dies wirkt zielgenau, weil es diejenigen entlastet, die wirklich Entlastung brauchen“, so der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes Ulrich Schneider.
In Bezug auf die Einkommenssituation in Sachsen-Anhalt wäre dies genau das richtige Signal, um soziale Härten abzufedern und gleichzeitig dafür zu sorgen, die Folgen klimapolitischer Maßnahmen sozial auszugleichen.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Dass wir diese klimapolitischen Maßnahmen brauchen, macht der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nur allzu deutlich. Wir müssen raus aus den fossilen Brennstoffen, die geopolitisch eingesetzt werden können, was wir gerade erleben, und deren Nutzung natürlich für die sich ebenfalls zuspitzende Klimakrise verantwortlich ist.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Daher müssen wir auch in Sachsen-Anhalt alles daran setzen, die erneuerbaren Energien zügig auszubauen und sie vor allem auch sektorübergreifend einzusetzen. Wir brauchen dazu mehr Speicherkapazitäten und müssen Wärme und Mobilität dringend und nicht nur im kleinen privaten Bereich, wie im Antrag gestern, einbeziehen. Dazu sollten aus unserer Sicht auch die Potenziale von Forschung in Ostdeutschland genutzt und entsprechend gefördert werden. Das gilt auch für den Ausbau der Infrastruktur für den Umstieg auf die erneuerbaren Energien.
Es wäre doch für die ostdeutschen Bundesländer ein sehr lohnenswertes Ziel, bundesweit als Modellregion für erneuerbare Energien aus den Krisen gestärkt und zukunftsfest hervorzugehen. Das wäre eine neuerliche, aber dann auch erfolgreiche Transformation mit den Menschen und für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Zur Gerechtigkeit gehört aber auch, dass der Beitrag der ostdeutschen Bundesländer zur Energiewende in der Bundesrepublik in Form von fairen Netzentgelten endlich auch seinen Niederschlag findet.
Ja, die Bundesregierung hat eine Angleichung der Netzentgelte auf den Weg gebracht. Aber fair ist diese Angleichung nicht,
(Zustimmung bei der LINKEN)
weil die Menschen in Ostdeutschland seit vielen Jahren erhöhte Netzentgelte zahlen und damit eigentlich den Netzausbau allein schultern.
(Beifall bei der LINKEN)
Preisdämpfende Maßnahmen wie Preisdeckel, die in anderen Ländern schon umgesetzt werden, lehnt Deutschland leider immer noch ab. Denn wir müssen uns doch hier eingestehen, dass alle bisherigen Maßnahmen nicht dazu geführt haben, dass die Unternehmen die Preise senken. Das ist fahrlässig und es führt dazu, dass viele Menschen ihre Grundbedarfe nicht mehr ausreichend decken können.
(Unruhe)
Energie zu sparen und ressourcenschonend einzusetzen sind zwar Grundanliegen der Energiewende, aber die gegenwärtigen Aufrufe des Bundeswirtschaftsministers, die sich an die Bevölkerung richten, sind wohlfeil, weil es letztendlich wieder jene Menschen am härtesten trifft, die sich aufgrund ihres geringen Einkommens schon jetzt am meisten einschränken müssen.
Die gesundheitlichen Folgen übrigens von zu kalten oder wie jetzt vielleicht zu heißen Wohnungen, von falscher und damit mangelhafter Ernährung sind unausweichlich. Das muss verhindert werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir müssen also endlich die geeigneten sozialpolitischen Instrumente zur dauerhaften Entlastung der Menschen, die am meisten unter den gegenwärtigen Preissteigerungen leiden, einsetzen. Davon würden gerade in den ostdeutschen Bundesländern sehr viele Menschen profitieren. Und wir müssen endlich die Energie-, Wärme- und Verkehrswende vollziehen, damit wir mittel- und langfristig die Klimaziele erreichen und uns von fossilen Energieträgern unabhängig machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Transformationsprozesse funktionieren weder in der aktuellen Inflationssituation noch in weniger zugespitzten Zeiten ohne gleichzeitige Abfederung sozialer Härten. Das sind wir den Menschen in Sachsen-Anhalt und allen ostdeutschen Bundesländern schuldig. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.
(Beifall bei der LINKEN)