Wir kommen zu dem


Tagesordnungspunkt 13

Beratung

Bildungsqualität sichern, Bildungsverfall stoppen, Leistungsniveau anheben!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/1264


Einbringer ist Dr. Hans-Thomas Tillschneider. - Sie haben das Wort. Bitte sehr.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Handwerksausbilder, Hochschuldozenten, alle anderen, die mit der Ausbildung junger Menschen zu tun haben, Unternehmer, die keine Fachkräfte mehr finden, eine ukrainische Generalkonsulin und alle, die mit offenen Augen durch das Leben gehen und in der Lage sind, noch die Wirklichkeit wahrzunehmen, wissen es: Die Qualifikation der Schulabsolventen wird seit Jahrzehnten kontinuierlich schlechter.

Das gesamte Bildungswesen ist von einem schleichenden Langzeitabwärtstrend erfasst, der die Grundlage von allem gefährdet, was wir uns aufgebaut haben. Aber es gibt eine Gruppe, die seit jeher mit der Wirklichkeit auf Kriegsfuß steht und wie so manch andere Erkenntnis auch diese Erkenntnis systematisch zu verdrängen versteht. Linke Lehrer-Verbandsfunktionäre, neunmalkluge Schülersprecher, träge Gewerkschaftsbonzen und denkfaule Politiker der SPD, der GRÜNEN und der LINKEN legen nicht nur die Hände in den Schoß und tun nichts gegen den Verfall des Leistungsniveaus, wie das bei CDU und FDP gang und gäbe ist, nein, sie treiben den Leistungsverfall sogar noch nach Kräften voran. Die linken Parteien, die sich immer als Sachwalter der Bildungspolitik aufspielen, sind in Wahrheit die Vernichter unseres Bildungssystems.

(Beifall bei der AfD)

Verantwortungslosigkeit und Dekadenz sind ihre Generaltugenden.

Als im Frühjahr die Abiturprüfungen in Sachsen-Anhalt anstanden, beklagten die bezeichneten Kreise wie jedes Jahr um diese Zeit - das ist schon ein Ritual - die unerträgliche Brutalität von Qualitätsmaßstäben. Zu viele unserer armen kleinen Racker würden straucheln auf dem schmalen, steinigen Weg zur Hochschulreife und blieben zurück als Gefallene auf dem Schlachtfeld in einem ungerechten Kampf um so etwas Vernachlässigbares wie die Erhaltung objektiver Bildungsstandards. 

Deshalb muss - so endet das Klagelied immer - eine Reform her. Das Abitur muss leichter werden, damit noch mehr, die sicherlich reif für alles Mögliche, nur nicht für die Hochschule sind, gleichwohl die Hochschulreife auf dem Papier ausgestellt bekommen. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen. Wenn das Leistungsniveau verfällt, dann senkt man die Hürden nicht noch, sondern dann sollte man nur umso strenger auf ihre Einhaltung achten und sie an der einen oder anderen Stelle sogar leicht anheben.

(Beifall bei der AfD)

Interessanterweise hat das nun auch ein Ministerpräsident Haseloff erkannt. Ja, ja. Und er hat es nicht nur begriffen, sondern er hatte auch den Mut, diese ungern gehörte Erkenntnis auszusprechen. In doppelter Hinsicht also eher atypisch für die CDU.

Angesprochen auf eine ukrainische Diplomatin, die ukrainische Kinder nicht an deutsche Schulen schicken will, weil sie fürchtet, dass das niedrige Niveau hierzulande auf die ukrainischen Kinder abfärbt, hat Ministerpräsident Haseloff vor wenigen Wochen gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ erklärt - ich zitiere ihn jetzt  : 

„Das ist mal eine Außensicht auf das, was wir - mit einem oftmals nicht ganz begründbaren Selbstbewusstsein - behaupten, gut zu machen. Wir haben Defizite.“

Oft, wenn eine Frau Pähle oder ein Herr Borchert von der CDU-Fraktion oder ein anderer Altparteienpolitiker hier steht und sich mit den üblichen Phrasen Bestnoten ausstellt und davon redet, dass unsere Schulen gute Bildung vermitteln, dass wir auf einem guten Weg sind und dies und jenes erreicht haben, dann denke ich mir: Worauf zum Teufel gründet sich diese Einschätzung?

(Beifall bei der AfD)

Ministerpräsident Haseloff hat jedenfalls in diesem Fall ausgesprochen, was ich denke.

Zugleich aber hat er erklärt, dagegen nichts, aber auch rein gar nichts, unternehmen zu wollen. Er hat - ich zitiere ihn jetzt erneut - gesagt: 

„Das kann nur eine Generation für sich korrigieren, die merkt, dass sie einfach nicht mehr wettbewerbsfähig ist.“

Das wollen wir uns einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ministerpräsident Haseloff hat mit Bezug auf die Bildungsmisere im Land erklärt - ich wiederhole  : 

„Das kann nur eine Generation für sich korrigieren, die merkt, dass sie einfach nicht mehr wettbewerbsfähig ist.“ 

Mit anderen Worten: Wir haben die Fehlentwicklung zwar erkannt, tun aber nichts dagegen, sondern lassen es einfach so lange schleifen, bis es richtig knallt. Sollen sich doch unsere Kinder darum kümmern.

Ein Problem zu begreifen, ist ungewöhnlich für die CDU. Es auszusprechen, ist ungewöhnlich für die CDU. Dann aber rein gar nichts zu unternehmen, das ist dann doch wieder typisch für die CDU.

(Beifall bei der AfD)

So bleibt mir nur, Ministerpräsident Haseloff für die Offenheit zu danken, mit der er die destruktive Passivität der CDU-Bildungspolitik eingestanden hat.

Übrigens: Bemerkenswert ist, dass die Bildungsministerin sich zu dieser Sache nicht geäußert hat und auf meine Nachfrage im Bildungsausschuss mit Entschiedenheit geäußert hat, dass sie sich nicht äußern wird. 

(Ministerin Eva Feußner: Stimmt gar nicht!)

Wie dem nun sei: Was uns, die AfD, von der CDU in dieser Frage unterscheidet, ist, dass wir dieses Problem lange, bevor der Ministerpräsident sich jetzt zu Wort gemeldet hat, erkannt und als einzige politische Kraft in diesem Landtag angesprochen haben, wobei wir seit Jahr und Tag gegen eine Wand reden. Vor allem aber unterscheidet uns, dass wir nicht nur darüber sprechen, sondern dass wir als einzige Kraft in diesem Landtag auch konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten. 

(Dr. Falko Grube, SPD, lacht)

Und deshalb gibt es diesen Antrag.

Wie eine Zentralbank, die, um eine Inflation zu bekämpfen, die Zinsen erhöht, weil dadurch Geld knapper wird, genauso müssen wir jetzt in der Situation, in der sich unser Bildungswesen befindet, die Maßstäbe erhöhen. Als ersten Ansatzpunkt dafür bieten sich die Versetzungsregeln an. Wenn wir höhere Versetzungsmaßstäbe anwenden und jeden, der ihnen nicht genügt, in die Wiederholung schicken, dann werden die Schulabgänger im Schnitt zwar vielleicht etwas älter sein als heute, sie werden aber die Anforderungen erfüllen.

Was bringt es denn, sich selbst zu belügen und aus falsch verstandener pädagogischer Gnade, Schüler, denen es gut tun würde, einmal eine Ehrenrunde zu drehen und ihre Grundlagen zu festigen, mehr schlecht als recht mit Vieren oder Fünfen durch eine Schullaufbahn zu schleppen und dann untauglich für alles Weitere ins Leben zu entlassen?

Hinzu kommt noch, dass durch Ihre destruktive Coronapolitik sich weitere Defizite gebildet haben, die den allgemeinen Bildungsverfall noch verschärfen. Wir müssen verhindern, dass diese Defizite jetzt verschleppt werden. Sie wollen auf die von Ihnen angerichtete Coronakatastrophe im Bildungssystem reagieren, indem Sie die Versetzungsregeln erleichtern, indem Sie die Hürden absenken. Das wäre der größte Fehler, den wir jetzt begehen könnten. Abgesenkte Versetzungsregeln würden dazu führen, dass sich die Defizite kaskadenartig ausbreiten. Das wäre der direkte Weg in den geistigen Totalzusammenbruch unseres Bildungssystems.

Wir wollen uns dem mit aller Gewalt entgegenstellen. Deshalb wollen wir die Versetzungsanforderungen nicht nur nicht absenken, sondern sogar noch erhöhen. Wir wollen bspw. die Regelung, dass Fünfen in einem Kernfach durch Dreien ausgeglichen werden können, abschaffen.

Die Benotungsmaßstäbe wurden mittlerweile dermaßen aufgeweicht, dass man sich schon anstrengen muss, um eine Fünf zu bekommen. Wer heute in Zeiten der Noteninflation eine Fünf in Deutsch oder Mathematik auf dem Zeugnis zu stehen hat, um dessen Kompetenz ist es dermaßen katastrophal bestellt, dass er unbedingt in das Repetitorium muss, und auch eine Drei in einem anderen Fach ändert daran wahrlich nichts.

Ebenso wollen wir höhere Anforderungen für den Übergang in höhere Schulformen und Abschlusslaufbahnen. Das gilt sowohl für den Übergang vom Hauptschulunterricht in den Realschulunterricht als auch für den Übergang von der Sekundarschule in das Gymnasium. 

Wer aktuell nach der Jahrgangsstufe 7 von der Sekundarschule an das Gymnasium wechseln will, der braucht in Deutsch, Mathematik und Englisch mindestens eine 2. Wir fordern einen Schnitt von 1,7, also in einem Fach eine 1 und in zwei Fächern eine 2 oder in zwei Fächern eine 1 und in einem Fach eine 3. Denn wer von der Sekundarschule an das Gymnasium wechseln will, der sollte mindestens in einem Kernfach Leistungen aufweisen, die deutlich über dem Durchschnitt liegen. Das entspricht der Idee des Gymnasiums.

Außerdem heben verschärfte Zugangsregeln für das Gymnasium das Niveau nicht nur am Gymnasium an, sondern weil dann mehr bessere Schüler an der Sekundarschule verbleiben, steigt auch das Niveau an der Sekundarschule. Das gesamte Niveau wird sozusagen von oben hochgezogen.

Den gleichen Effekt hat die Verschärfung der Zugangsregeln zum Realschulabschlussunterricht auf Realschul- und Hauptschulabschluss. Wer nach Ende der Jahrgangsstufe 7 oder 8 vom Unterricht, der auf die Hauptschule bezogen ist, in den Unterricht, der auf den Realschulabschluss bezogen ist, wechseln will, der braucht aktuell einen Schnitt von mindestens 3,0. Wir fordern mit unserem Antrag 2,5. Weshalb? - „3,0“ heißt „befriedigend“, und „befriedigend“ bedeutet, dass die Leistungen im Allgemeinen den Anforderungen entsprechen, also durchschnittlich gute Leistungen abgeliefert werden.

Wenn die Leistungen durchschnittlich sind und im Allgemeinen den Anforderungen entsprechen, dann heißt das, dass jemand dort richtig ist, wo er ist, und dass kein Anlass für eine Höherstufung besteht. Kann man schon ab 3,0 vom Hauptschul- in den Realschulunterricht wechseln, verbleiben nur noch diejenigen, die einen Schnitt von schlechter als 3,0 haben, die also gemessen an den Anforderungen der Hauptschullaufbahn mehr oder weniger starke Defizite haben, im Hauptschulunterricht. Dann wundert man sich über den schlechten Ruf des Hauptschulabschlusses.

Nein, wir müssen auf allen Ebenen aufwerten. Was wir wollen, das ist im ersten Moment sicherlich anstrengend, weil es immer anstrengend ist, wenn Trägheit überwunden werden soll. Aber nur so kann es uns gelingen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Auch hierbei können wir uns auf Ministerpräsident Haseloff berufen, der den Anteil der Schüler von 40 % eines Jahrgangs, die heute Abitur machen, als zu hoch hinterfragt hat. - Ganz richtig! Ein Abiturientenanteil von 20 % bis 25 % eines Jahrgangs wäre bei einem deutlich aufgewerteten Realschulabschluss und bei einem deutlich aufgewerteten Hauptschulabschluss das, was angesichts der Verteilung der Begabungsvoraussetzungen in der Bevölkerung und angesichts der vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten für Akademiker angemessen wäre.

Dass es ein Viertel der Zehntklässler nicht bis zum Abitur schafft, ein Umstand, der von den linken Leistungsfeinden lautstark beklagt wurde, liegt übrigens daran, dass es viele gar nicht bis zum Abitur schaffen wollen. Sie besuchen das Gymnasium nur bis zur Versetzung in Klasse 11, weil sie, wenn sie danach abgehen, ohne Prüfung einen erweiterten Realschulabschluss erhalten.

Das Gymnasium wird missbraucht, um Prüfungsstress zu vermeiden. Auch solchen Manövern wollen wir ein Ende bereiten. Am Prüfungsstress führt kein Weg vorbei. Kompetenz muss punktuell und objektiv gemessen und in einem Akt, der durchaus Aspekte eines Initiationsrituals haben soll, festgestellt werden. Wir sagen deshalb: Kein Abschlusszeugnis ohne Prüfung.

(Beifall bei der AfD)

Ich habe während meiner Redezeit nur auf einige ausgewählte Punkte dessen, was wir ändern wollen, eingehen können, aber, ich denke, die Grundgedanken sind klar geworden. Würden wir all das umsetzen, wäre das der Beginn einer Trendwende in der Bildungspolitik.

Sehr geehrte Kollegen, wir haben es in der Hand. Niveauverlust ist kein Schicksal. Eine bessere Bildungspolitik ist möglich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Bravo!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Eine Frage, Herr Tillschneider?


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Ja, ich will darauf hinweisen, dass dieses Glas nicht gewechselt wurde und ich Durst gelitten habe während meiner Rede.

(Lachen bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Das werden wir wahrscheinlich umfangreich auswerten in verschiedenen Konferenzen, Herr Tillschneider. Sie werden möglicherweise ein rechtliches Gutachten bekommen über diesen unerhörten Vorgang.

Abseits davon will ich darauf hinweisen, weil wir uns jetzt mehrfach, an verschiedenen Stellen über Tonalitäten unterhalten haben: Wenn Sie, Herr Tillschneider, hier Gewerkschaftsfunktionäre in dieser Pauschalität als „Bonzen“ bezeichnen, dann haben wir das interessiert zur Kenntnis genommen. Ich will nur nicht, dass wir hier, wenn andere an anderer Stelle, politische Konkurrenten, wiederum Funktionäre Ihrer Partei als „Bonzen“ bezeichnen, einen riesigen Aufriss machen bzw. eine riesige Aufregung haben. Man muss immer wissen, mit solchen Begriffen legt man Standards fest. Diese muss man dann auch selber aushalten. - Danke.