Dr. Falko Grube (SPD):
Es geht mir um das Thema Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier. Das ist ein Thema, das mir als Magdeburger Abgeordnetem bisher ein wenig fernlag. Es ist gut, dass die Menschen dort unten in der Region, nachdem vor 30 Jahren der Strukturbruch durch das ganze Land fegte, jetzt Mittel in Höhe von 1,6 Milliarden € bekommen, um den Strukturwandel in der Braunkohleregion aufzufangen. Ich frage auf SPD-Ticket, aber auch ein bisschen in meiner Funktion als Vorsitzender des Ausschusses für Infrastruktur und Digitales.
Ich habe es bisher so verstanden, dass die Prioritäten der Landesregierung bei der Verteilung des Geldes darin liegen, Arbeitsplätze im Kernrevier zu schaffen. Das ist das, wie ich es, sage ich einmal, aus der Semiferne hier in Magdeburg verstanden habe. Dann haben wir das Thema „Strukturentwicklungsprogramm Mitteldeutsches Revier Sachsen-Anhalt“ auf Verlangen der Staatskanzlei auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt. Mit dieser Erwartungshaltung in die Sitzung gehend, waren die Aussagen des Vertreters der Staatskanzlei ich will es einmal sehr freundlich formulieren ein bisschen irritierend. Das war sehr freundlich formuliert.
Ich beginne einmal mit der Aussage: Die S Bahn-Projekte, die dort entstehen, sind dafür da, dass die Leute in den Metropolregionen arbeiten können und dort, wo sie jetzt zuhause sind, zumindest noch wohnen könnten.
Die zweite Aussage war, es gebe ein Ungleichgewicht bei der Verteilung der Mittel und nach Halle und in den Saalekreis diese gehören aus meiner Sicht nicht zum Kernrevier sei bisher deutlich zu wenig geflossen. Ferner sei es legitim, dass umfangreiche Mittel in die Metropolregion flössen, damit dort die Arbeitsplätze entstehen könnten, zu denen gemäß der Aussage davor die Leute dann fahren könnten.
Des Weiteren gibt es das beliebte Thema Sandstrahlen des Naumburger Doms. Wenn im Jahr 2038 keine Arbeitsplätze in der Kohle mehr vorhanden sind und mich Leute fragen vorausgesetzt ich wäre auch dann Abgeordneter : „Was haben Sie denn gemacht, damit hinterher Arbeitsplätze entstehen?“, dann will ich ihnen nicht sagen müssen: „Wir haben den Naumburger Dom sandgestrahlt“. Wir haben den Vertreter der Staatskanzlei gefragt: Warum ist das bewilligt worden? Die Antwort war spannend; sie lautete: Wir können nicht ausschließen, dass das positive Effekte ergibt.
(Lachen bei der AfD)
Ich weiß nicht, wie viele Millionen das Ganze gekostet hat, aber das auf der Grundlage zu entscheiden „Wir können nicht ausschließen, dass das positive Effekte gibt“, fand ich ein bisschen schwierig.
All das klingt ein bisschen spaßig. Die Sitzung war gar nicht spaßig. Der Auftritt des Vertreters der Staatskanzlei das klären wir noch einmal unter vier Augen war mehr als diskussionswürdig. Wir werden das Thema im Ausschuss nach der Sommerpause noch einmal aufrufen. Ich gehe davon aus, dass dann zumindest der Staatssekretär kommt, also jemand, der tatsächlich weiß, wovon er redet.
Meine Frage an die Landesregierung lautet: Gibt es tatsächlich einen Strategiewechsel dahin gehend, dass die Arbeitsplätze in den Metropolen geschaffen werden sollen und nicht mehr im Kernrevier?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Wir haben noch zwei Minuten; das ist nicht mehr sehr viel. - Herr Robra, Sie haben das Wort.
Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Grube, das müssen wir vielleicht einmal etwas ausführlicher außerhalb der Plenarsituation erörtern. Es gibt eine Kurzfassung einer Antwort, die ich an dieser Stelle liefern kann, und es gibt eine Langfassung, die sehr weit vorgreift in die Definition des Revierbegriffs, in die Arbeit der Kommission, in das Gesetz, in die Anlagen zum Gesetz, in das gemeinsame Strukturentwicklungsprogramm Mitteldeutsches Revier von Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Die Kurzfassung auch mit Blick auf die Zeit lautet: Nein, es gibt keinen Strategiewandel. Es ist schlicht die Erkenntnis, dass wir das Revier insgesamt nach vorn bringen müssen. Das Revier ist gesetzlich definiert. Der Begriff des Kernreviers ist kein gesetzlicher Begriff, hat sich aber als Arbeitsbegriff eingebürgert. Wir alle wissen, was wir damit meinen. Natürlich stehen die Arbeitsplätze im Vordergrund. Aber man muss auch immer bedenken, dass wir keine Unternehmen fördern können.
Wir fordern jetzt von der Bundesregierung im Rahmen der Debatte über das Vorziehen des Ausstiegs auf „idealerweise“, wie es im Koalitionsvertrag heißt das Jahr 2030, sich noch einmal darüber Gedanken zu machen, ob es nicht besser wäre, zumindest einen Teil der Mittel direkt für die Unternehmensförderung einzusetzen. Bei Infrastrukturprojekten ist es immer schwierig, die direkten Arbeitsplatzeffekte zu zählen. Die Nahverkehrsprojekte stehen im Gesetz; sie sind gesetzt, überwiegend aus der Sicht der Bunderegierung, die das Verkehrssystem im Mitteldeutschen Revier insgesamt optimieren will. Das ist mit den Vertretern der Region auch abgestimmt; diesbezüglich gibt es auch keinen Dissens.
Der Hinweis des Mitarbeiters bezog sich darauf, dass bisher Bewilligungen außerhalb von Halle und außerhalb des Saalekreises ausgesprochen worden sind. Dafür fließen Mittel. In Halle gibt es eine Reihe von Projekten, die auf der Agenda stehen.
Unser aktuelles Bestreben zielt darauf ab, noch einmal mit Halle zu kommunizieren und zu verdeutlichen: Ja, ihr seid Revier das kann man ihnen nicht absprechen, das steht im Gesetz , aber was machen wir dort jetzt vernünftigerweise, damit es Sogwirkung für das gesamte Revier hat? Das ist im Moment ein schwieriger Prozess. Ich nenne einmal das Stichwort Reichsbahnausbesserungswerk in Halle. Dieses würde, wenn man es komplett aus Strukturfördermitteln bezahlt, rund 190 Millionen € kosten. Das wird so nicht machbar sein. Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, wie man dieses durchaus nachvollziehbare Anliegen, in der Kernstadt auf einer Altlastenfläche tatsächlich wieder Gewerbe anzusiedeln, mit anderen Möglichkeiten umsetzen kann.
Das ist der derzeitige Stand. Wir sind uns im Grunde genommen, wenn wir die Zeit hätten, uns ausführlicher dazu auszutauschen, im Ergebnis einig: Wir wollen das Revier nach vorn bringen. Dazu gehören ganz wesentlich auch die Orte, die Sie aus nachvollziehbaren Gründen als Kernrevier verstehen.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Robra. - Damit ist die Regierungsbefragung beendet. Wir haben den Tagesordnungspunkt 1 erledigt.