Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einmal mehr versucht die rechtsextreme und verfassungsfeindliche AfD, sich selbst unter falscher Flagge das Etikett Demokratieverteidiger anzuheften.
(Zurufe von der AfD)
Das ist ein Versuch, der scheitern muss und der scheitern wird.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Frau Kollegin Quade hat es schon sehr deutlich gemacht. Auch Rüdiger Erben hat das Notwendige gesagt. Auch bei dem Kollegen Kosmehl ist das angeklungen. Denn Sie, die AfD, unterminieren täglich durch Ihr Sagen und Tun demokratische Prozesse. Ihre Ideologie ist verfassungsfeindlich. Sie schüren Hass und verbreiten Hetze.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Henriette Quade, DIE LINKE)
Sie arbeiten täglich daran, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, und Sie versuchen, Rassismus wieder salonfähig zu machen. Sie sind zudem die fünfte Kolonne eines imperialistischen Diktators,
(Lachen bei der AfD)
der gegen die Ukraine gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zurufe)
Genau deshalb ist es notwendig, dass antifaschistische Akteur-innen
(Zurufe: Akteur-innen? - Der gendert noch bei so einem Thema!)
bei Ihnen nach dem Rechten sehen.
(Zuruf: Was?)
Es ist zwingend, dass der Verfassungsschutz Sie beobachtet, weil zu seinen gesetzlichen Aufgaben das Erkennen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen zählt. Dass gerade Sie die Impertinenz besitzen, mit dem Finger auf Menschen zu zeigen und diese als Verfassungsfeinde zu brandmarken, ist schlicht dreist.
(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Zurufe)
Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen und auch dieses Parlament wird es Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie unter dem Deckmantel, Linkextremisten zu bekämpfen, die Zivilgesellschaft nach Ihren verfassungsfeindlichen Vorstellungen formatieren wollen. Dass dies nicht zu Ihren Aufgaben gehört, hat Ihnen das Verfassungsgericht dieses Landes im Jahr 2020 in erfrischender Deutlichkeit ins Stammbuch geschrieben. Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Vorwurf, unsere Ablehnung Ihres Antrages wolle irgendwelche Verfassungsfeinde schützen. Das Gegenteil ist der Fall.
Auch für uns GRÜNE gilt: Gewalt darf nie ein Mittel politischer Auseinandersetzung sein.
(Zurufe)
Die körperlichen Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bekleidungsgeschäften verurteilen wir deshalb ebenso deutlich wie Angriffe auf Wahlkreisbüros. Ich muss mich von solchen Taten aber nicht distanzieren;
(Zuruf: Oh! - Lachen)
denn ich habe mit den Täterinnen und Tätern nichts zu tun.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zuruf von der AfD: Wer weiß das schon genau? - Weitere Zurufe)
Gleiches gilt für die zivilgesellschaftlichen Akteur-innen,
(Zurufe: Oh! - Akteur-innen? - Lachen bei der AfD)
die Sie mit solchen Taten in Verbindung bringen. Das ist infam. Die Entwicklung politisch motivierter Kriminalität in Sachsen-Anhalt zeigt deutlich: Wir haben ein Problem mit politisch motivierter Kriminalität von rechts. Diese ist gleichbleibend hoch und machte rund 50 % der Fälle im vergangenen Jahr aus. Bei der Gewaltkriminalität ist sie gleich hoch, und wir müssen einmal mehr einen Anstieg von fremdenfeindlichen oder besser gesagt: rassistischen und auch antisemitischen Straftaten beobachten. Zugleich zeigt sich, dass immer mehr Delikte im Phänomenbereich „nicht zuzuordnen“ landen und dass damit die Taten von Reichsbürgern, Selbstverwaltern und Coronaleugnern mit ihrer tatsächlich rechtsextrem geprägten Ideologie und Demokratiefeindlichkeit nicht adäquat erfasst werden.
(Unruhe)
Herr Kosmehl, vielleicht ist das ein guter Punkt, um miteinander zu schauen, ob der Extremismusbegriff und die tieffliegenden Hufeisen wirklich adäquat zur Beschreibung der Bedrohungslagen für Demokratie taugen. Wir haben überhaupt keinen Dissens, wenn es darum geht klarzumachen, dass auch linke politische Gewalt keine akzeptable Gewalt ist. Darin gibt es überhaupt keinen Dissens. Aber ich glaube, wir tun uns mit einem Extremismusbegriff, der nur gleichmäßig in alle Richtungen schaut und die unterschiedlichen Qualitäten von Gefahren nicht mehr beurteilen kann, keinen Gefallen.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das stimmt! Das wollen wir ändern!)
Mein Eindruck ist, dass innerhalb der Verfassungsschutzbehörden dieser Diskurs auch geführt wird und dass wir uns da fachlich weiterentwickeln sollten, um adäquat beschreiben zu können, wo Gefahren für die Demokratie drohen. Diese drohen eben auch aus einer gesellschaftlichen Mitte heraus, wo Rassismus und Antisemitismus eben nicht an den gesellschaftlichen Rändern stattfinden, sondern sich auch in einem Bereich manifestieren, den wir beide, glaube ich, miteinander als gesellschaftliche Mitte beschreiben würden, und wo es trotzdem notwendig ist, sie engagiert zu bekämpfen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Insofern werden wir den Antrag der AfD-Fraktion gemeinsam mit den anderen demokratischen Fraktionen heute ablehnen. Wir sehen, wie gesagt, die Notwendigkeit, mit Blick auf die Erfassungskriterien politisch motivierter Kriminalität nachzusteuern. Aber es gibt überhaupt keinen Grund, dieser Landesregierung vorzuwerfen, sie sei beim Thema Linksextremismus irgendwie blind. - Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)